25. Dezember 2024

Teilmobilisierung in Russland: PRO ASYL fordert Fluchtwege statt Lippenbekenntnisse!

Seitdem Machthaber Putin in Russland die Teilmobilisierung für den Krieg gegen die Ukraine ausgerufen hat, melden sich minütlich Männer und Frauen bei PRO ASYL, die aus Angst vor dem Kriegsdienst und vor staatlichen Repressionen aus dem Land fliehen wollen. Angesichts von geschlossenen Fluchtwegen kann ihnen aktuell kaum geholfen werden.

Geschäftsführer Günter Burkhardt von PRO ASYL kritisiert die in Deutschland geführte Diskussion über Schutz für russische Deserteure. „Entscheidend ist jetzt, Wege zu öffnen, wie diese Menschen europäisches oder deutsches Hoheitsgebiet erreichen können. Asyl kann nur bekommen, wer deutschen oder europäischen Boden betreten hat. Die politisch geführte Debatte ist eine Scheindebatte, da genau diese Frage des Zugangs zu Asyl nicht thematisiert wird. Solange die EU-Staaten hermetisch ihre Grenzen abriegeln und mit Pushbacks den Zugang zum EU-Gebiet verhindern, haben auch die angeblich erwünschten Kriegsdienstverweigerer und Deserteure keine Chancen. Viele Menschen flüchten in Staaten wie Türkei oder andere Staaten, die sie visumfrei erreichen können. Die Möglichkeit mit Touristenvisa ins EU-Gebiet einzureisen, haben die EU-Staaten vor kurzem versperrt.“

Die Entscheidung Touristenvisa in den Schengenraum auszusetzen war ein Fehler, sie muss auf EU-Ebene korrigiert werden. Die EU-Grenzen müssen für schutzsuchende Menschen geöffnet werden. Wenn Deutschland selbst Oppositionelle aufnehmen will, muss ein Verfahren ausgebaut werden, dass humanitäre Visa (§22 Absatz Satz 2 Aufenthaltsgesetz) ermöglicht. Die Erteilung von humanitären Visa setzt voraus, dass im Auswärtigen Amt (AA) schnell und zügig Anträge bearbeitet und geprüft werden. Entscheidend ist dann, dass das Bundesinnenministerium (BMI) Anträge auf Erteilung von humanitären Visa ebenfalls schnell zustimmt. In den letzten Wochen und Monaten wurden jedoch Anträge von Oppositionellen aus Staaten wie Russland schleppend bearbeitet, so die Recherche der Tagesschau.

Es fehlt das entsprechende Personal im AA und im BMI und vor allem der politische Wille, durch Erteilung von humanitären Visa Verfolgten die Einreise zu ermöglichen. „Es ist gut, dass Frau Faeser klarstellt, dass russische Oppositionelle in Deutschland Asyl bekommen. Sie muss nun jedoch auch den Weg frei machen, damit diese Menschen durch humanitäre Visa deutsches Staatsgebiet erreichen können.“ Und wir appellieren an Justizminister Buschmann: „Den Worten müssen nun Taten folgen. Stimmen aus der FDP für Asyl waren in den letzten Wochen sehr rar.“ Bundesjustizminister Marco Buschmann erklärte: „Wer Putins Weg hasst und die liberale Demokratie liebt, ist uns in Deutschland herzlich willkommen.“

Schutz muss auch für Kriegsdienstverweigerer gelten!

Die jetzt beschlossene Teilmobilmachung in Russland betrifft im Wortlaut alle Reservisten. Medien-Berichten zufolge erhalten Männer, die bei Anti-Kriegsprotesten inhaftiert wurden, gezielt Einberufungsbefehle. Sollten sie tatsächlich die Flucht nach Deutschland schaffen, wäre ihr Schutz aber bislang nicht garantiert. Denn die Bundesregierung bezieht sich bislang in ihren Aussagen nur auf Deserteure, nicht aber auf Personen, die sich dem Wehrdienst entziehen wollen (siehe Auskünfte vom BMI vom Mai 2022). Auch der Kriegsdienstentzug muss aus Sicht von PRO ASYL aber klar als oppositionelle Tätigkeit und als Grund für eine Flüchtlingsanerkennung gesehen werden.

Bislang sollen nur Deserteure und Oppositionelle aus Russland geschützt werden. Militärdienstentzieher sind von den Schutzversprechen jedoch ausdrücklich ausgenommen. Etwa 100.000 militärdienstpflichtige russische Männer, so schätzt Connection e.V., haben sich bereits in den letzten sechs Monaten einer möglichen Rekrutierung entzogen. „Viele haben schon damit gerechnet“, so Rudi Friedrich von Connection, „dass es nicht nur bei einem begrenzten Einsatz bleiben würde und haben vorsorglich das Land verlassen. Sie haben richtig gehandelt, die Politik jedoch unterstützt diese Abstimmung mit den Füßen nur sehr halbherzig.“

Deutsche Bundesregierung sagt nur Deserteuren aus Russland Schutz zu

Im Mai hatte das Bundesinnenministerium erklärt, dass „bei glaubhaft gemachter Desertion eines russischen Asylantragstellenden derzeit in der Regel von drohender Verfolgungshandlung für den Fall der Rückkehr in die Russische Föderation ausgegangen“ werde. Damit könnten sie als Flüchtling anerkannt werden, sofern sie ihre Desertion nachweisen können. In der Mitteilung des Innenministeriums wird jedoch ausdrücklich weiter ausgeführt, dass „Wehrdienstflüchtlinge von den Ausführungen nicht umfasst“ sind. „Es ist ein untragbarer Zustand, dass Menschen, die sich rechtzeitig den Rekrutierungen zu Militär und Krieg entziehen, von der Regelung ausgeschlossen werden“, erklärt Rudi Friedrich dazu. „Wir brauchen eine klare Zusage der deutschen Bundesregierung und auch der europäischen Institutionen, dass bei Desertion und ausdrücklich auch bei Militärdienstentziehung in Russland in Zeiten des Krieges in der Ukraine als oppositionelle politische Haltung gewertet wird und diese Menschen damit auch den notwendigen Schutz erhalten. Es braucht darüber hinaus offene Fluchtwege, damit diese Menschen überhaupt die Europäische Union erreichen können. Eine Verschärfung der Visapflicht war das völlig falsche Signal.“

In Russland besteht eine Wehrpflicht für Männer, die 12 Monate Dienst abzuleisten haben. Das Recht auf Kriegsdienstverweigerung kann nur vorher beantragt werden. Das bedeutet, dass allen Soldaten und Reservisten die Antragstellung zur Kriegsdienstverweigerung verwehrt ist.

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Quelle: Pro Asyl

Pro Asyl