Europa auf dem Weg nach rechts?
Wer die Wahlergebnisse der vergangenen Wochen in Schweden und Italien betrachtet, kommt unweigerlich zu dem Schluss, dass der wahlpolitische Vormarsch der extremen Rechten große Schritte vorangekommen ist.
Schon im Sommer dieses Jahres mussten wir erleben, dass bei den französischen Präsidentschafts- und Parlamentswahlen die extreme Rechte von Marine Le Pen mit deutlichen Stimmengewinnen ihren politischen Einfluss im Land und im Parlament ausgebaut hat. Die Partei des französischen Präsidenten erreichte keine eigene Regierungsmehrheit mehr. So steht zu befürchten, dass angekündigte Gesetze, die sich gegen soziale Standards und Rechte der Gewerkschaften richten, im Sinne der extremen Rechten formuliert werden, da sie von deren Wohlwollen abhängen. So hat Le Pen – ohne selbst in der Regierung zu sein – direkten Einfluss auf die französische Politik.
Ähnlich sieht es in Schweden aus, wo die „Schwedendemokraten“ eine offen rassistische Partei, die aus dem Umfeld der neofaschistischen Hooligans entstanden ist, nicht nur zweitstärkste Partei im schwedischen Parlament geworden sind, sondern als Mitglied einer rechten Zählkoalition dazu beigetragen hat, dass die sozialdemokratische Mitte-links-Regierung gestürzt wurde. Ob die Schwedendemokraten in der neuen Rechtsregierung vertreten sein werden, ist noch nicht ausgemacht. Es ist aber auch nicht das vorrangige Ziel dieser Partei. Ihr Ziel ist es, dass sich die Ausländerpolitik Schwedens in ihrem rassistischen Sinne ändert. Zudem vertritt sie einen sozialpolitischen Kurs, der sich am besten mit dem Slogan „Schweden zuerst“ beschreiben lässt. Es geht um eine Politik, die ähnlich wie ehemals Donald Trump und andere rechtspopulistische Bewegungen einen nationalistischen Sozialrassismus vertritt. Da nicht zu befürchten ist, dass die im Zuge des Ukraine-Krieges forcierte NATO-Orientierung durch die Rechtsregierung geändert wird, gab es von der Europäischen Kommission bislang keine Kritik an dieser Politik.
Dramatischer sind die Ergebnisse in Italien. Zwar deutete sich schon vorher an, dass die extreme Rechte bei den italienischen Parlaments- und Senatswahlen deutliche Stimmengewinne erzielen würde. Doch das Wahlergebnis ist in mehrfacher Hinsicht für Antifaschisten erschreckend. ANPI-Präsident Gianfranco Pagliarulo sah in diesem Resultat sogar eine Bedrohung für die antifaschistische Verfassung des Landes.
Das erste Problem ist die deutlich gesunkene Wahlbeteiligung, die nun ungefähr bei 63 Prozent liegt. Mit Blick auf die politischen Debatten vor der Wahl, bei denen die Gefahr einer offenen Rechtsregierung für alle klar und deutlich formuliert wurde, ist der Rückgang der Wahlbeteiligung ein gefährliches Signal politischer Resignation auf der linken und demokratischen Seite.
Die zweite große Gefahr liegt in der Zusammensetzung des Rechtsbündnisses, was diesen Erfolg eingefahren hat. Die mit Abstand stärkste Kraft sind die Fratelli d’Italia, eine offen faschistische Organisation, die bis heute eine hohe Affinität zum Mussolini-Faschismus zeigt. Zwar versuchen Medien die Vorsitzende Giorgia Meloni als angeblich „gemäßigt“ darzustellen, aber das entspricht nicht den propagierten politischen Positionen. Auch Matteo Salvini, dessen Lega deutlich an Stimmen eingebüßt hat, wurde ja nicht für seine rassistische Flüchtlingspolitik abgestraft, sondern weil Meloni noch mehr sozialpolitische Versprechungen zugunsten der „kleinen Leute“ gemacht hat.
Die dritte große Gefahr liegt in den neuen Kräfteverhältnissen im Parlament und im Senat, wo die extreme Rechte jeweils eine komfortable Mehrheit besitzt. Sie können nicht nur „durchregieren“, sondern auch ihr Ziel, die antifaschistischen Grundsätze der italienischen Verfassung zu ändern, erneut mit politischem Rückenwind angehen.
Die FIR und ihre Mitgliedsverbände sehen diese Wahlergebnisse mit großer Sorge. Gemeinsam werden wir diese Entwicklungen auf der internationalen antifaschistischen Konferenz in Belgrad auswerten.
Die FIR verspricht ihren Mitgliedsverbänden in allen betreffenden Ländern, dass sie deren Kampf zur Bewahrung des antifaschistischen Vermächtnisses mit ihren Möglichkeiten unterstützen wird.
Quelle: Unsere Zeit