Dämme setzen gegen den Rüstungswettbewerb 2.0 – auch in Österreich
Das weitere Hochdrehen der Eskalationsschrauben um die Ukraine im neuen Ost-West-Konflikt öffnete vordergründig zugleich den Weg in eine neue Hochrüstungsspirale und regelrechte Dammbrüche einer weiteren Militarisierung des Westens. Die USA schraubten ihren Rüstungsetat gerade auf eine neue Rekordhöhe, Deutschland stockt seine Aufrüstung in bisher beispiellosem Umfang auf und bringt darüber hinaus zudem ein sogenanntes (Militarisierungs-)„Sondervermögen“ von 100 Mrd. Euro auf den Weg, Japan hat gerade die seit einem Kabinettsbeschluss 1976 geltende stille Parteien-Übereinkunft zu entsorgen, nicht mehr als 1% des BIP für Militär und Rüstung auszugeben, aufgekündigt. Und auch Österreich packt die Gelegenheit der schon lange parteiübergreifend akkordierten Aufstockung des Heeresbudgets beim Schopf und steht vor einer rigorosen Erhöhung der Ausgaben für das Bundesheer.
Die „verrückte“ 2%-Marke (Papst Franziskus) und Österreich
Die aktuell in Diskussion stehende und in Form gegossene rigorose Erhöhung des wehrpolitischen Etats (im Falle des 2%-Ziels eine satte Verdreifachung) werden daher in Wirklichkeit auch einzig und allein fürs Publikum in einem Zusammenhang mit der Eskalation des Kriegs um die Ukraine gerückt und wurden schon mit Zustimmung des vormaligen SPÖ-Kanzlers Christian Kern sowie SP-Verteidigungsminister Hans-Peter Doskozil zur SSZ eingeleitet, von Türkis-Blau unter Sebastian Kurz dann expressis verbis im Regierungsprogramm verankert und im schwarz-grünen Koalitionsabkommen abermals schon mit Regierungsantritt paktiert.
Das bereits mit dem Regierungsprogramm staatsoffizielle Bekenntnis der sich gern als „Friedenspartei“ gerierenden Grünen zur neu etablierten EU-Militärunion SSZ oder PESCO, samt Aufstockung des Verteidigungsetats, war denn auch nur das Präludium zur jetzigen ungeschminkten Militarisierungsoffensive und fügen sich beide nahtlos in den tatsächlichen oliv-grünen Kurs ein.
„Schulterschluss“ für die Geldschleuse zur Militarisierung
Diese EU-Militärunion beinhaltet nämlich zugleich auch die Verpflichtung einer „regelmäßigen“ Erhöhung des „Verteidigungsbudgets“ (oder genauer formuliert: der Militär- und Rüstungsausgaben). Anvisiert ist eine Erhöhung der Etats auf 2% des BIP analog der NATO-Bestimmungen, was in Österreich mit einem Verteidigungsbudget von 0,6% oder 2,7 Mrd. Euro grob eine satte Verdreifachung bedeuten würde. Bereits länger gegessen unter den Koalitionspartnern und der parlamentarischen Parteienlandschaft war in einem beschworenen „Schulterschluss für höheres Verteidigungsbudget“ schon einmal dessen rigorose Aufstockung. Sprachen Bundeskanzler Nehammer und Verteidigungsministerin Tanner zuletzt konkret bereits von einer Erhöhung auf 1% des BIP oder 4 Mrd. Euro, brachten Letztere und der gerade ausgeschiedene Generalstabschef Robert Brieger überhaupt eine stufenweise Aufstockung auf 1,5% des BIP oder 6 Mrd. pro Jahr (ab 2025) und einem zusätzlich 10 Mrd. Euro schweren Sonderbudget (unverfroren als „Neutralitätsfonds“ bezeichnet) in die Debatte.
Zwar aufgrund der sozialen Krise und Verwerfungen nicht ganz 1:1 nach Blaupause, wird das Verteidigungsbudget 2023 gleichviel um satte 22,3% auf 3,3 Mrd. Euro erhöht. Stufenweise weitersteigend, ist für 2024 dann schon ein Militäretat von 3,7 Mrd. Euro, 2025 von 4,2 Mrd. Euro und 2026 von 4,7 Mrd. Euro vorgesehen. Das sind dann immerhin glatte zusätzliche 2 Mrd. zu den heurigen 2,7 pro Jahr und gesamt +5,25 Mrd. Euro. Mit dem neuen Generalstabschef Rudolf Striedinger, zumal Absolvent diverser Ausbildungen an der NATO-Schule in Oberammergau, gilt – im Militärjargon gesprochen – das Ende der Fahnenstange damit freilich noch nicht erreicht. Denn „Ziel muss es sein, im nächsten Finanzrahmengesetz von 2023 bis 2026 ein Prozent des Bruttoinlandsprodukts für die Landesverteidigung zu erreichen – und dann schrittweise ansteigend 1,5 Prozent“, so Verteidigungsministerin Tanner das anvisierte und nun auch erreichte Grundziel in langer Frist schon im Juni vorwegnehmend. Und so kommt es auch wie am Rüstungswunschzettel aus Militärführung und Verteidigungsministerium. Insgesamt plant die Regierung im Rahmen des sogenannten „Aufbauplans ÖBH 2032“ über die erhöhten Mittel (für Infrastruktur und den Unterhalt der Armee) hinaus denn zudem auch eklatante 16,6 Milliarden Euro für die zusätzliche Aufrüstung bis 2032 – von Luftabwehr über Abfangjäger, Transportflugzeuge, bis zu Drohnen, Hubschraubern und Kampfpanzern, Flieger- und Panzerabwehr, Hightech-Ausrüstung, Präzisionsmunition …
Vranitzkys und Tanners aufschlussreiche Offenheit zum heimischen Paradigmenwechsel
Befragt zum Parteienkonsens darüber, äußerte sich Tanner dazu sichtlich zufrieden in den ungemein aufschlussreichen Worten: „Das war nicht immer so [!] … Um mit den meiner Meinung nach sehr treffenden Worten Franz Vranitzkys [!] zu sprechen: Man hat in den vergangenen Jahren der sozialen Sicherheit den Vorrang vor der militärischen Sicherheit gegeben. [!] Aber wir haben heute eben eine andere Sicherheitssituation [!] – und nicht erst seit der Nacht des 24. Februar [!].“ An dieser Passage und verkündetem Paradigmenwechsel aus dem Mund des Langzeitvorsitzenden und Langzeitkanzlers der SPÖ wäre eigentlich jeder Satz einer eingehenderen Abhandlung wert.
Quelle: KOMintern