Eine Reihe großer Fehler der deutschen Sozialdemokraten
Übernommen von: Pressemitteilungen – Botschaft der Russischen Föderation
Gastbeitrag von Grigorij Karasin in der Zeitung „Nesawisimaja Gaseta“
Ein effektives System der kollektiven Sicherheit in Europa ist unmöglich, ohne die grundlegenden Interessen aller Beteiligten, inklusive Russland, zu berücksichtigen.
Neulich hat der SPD-Kovorsitzende Lars Klingbeil öffentlich von Fehlern gesprochen, die seiner Partei in der Russland-Politik nach dem «kalten Krieg» unterlaufen sein sollen. Gern würde ich auch meine Meinung dazu äußern. Man muss dem zustimmen: Diese Fehler hat es gegeben und sie werden nach wie vor gemacht. Infolge dieser Fehler hat das Bundeskabinett von Olaf Scholz eigenhändig die einst vielfältige, über Jahrzehnte von der deutschen Sozialdemokratie mitgeprägte und zum gegenseitigen Vorteil stattfindende deutsch-russische Zusammenarbeit gecancelt. Eine kurzsichtige und fehlerhafte Entscheidung.
Aus den Aussagen von Herrn Klingbeil folgt, auch mit Blick auf die tragischen Kapitel der Geschichte des XX. Jahrhunderts sieht man in der SPD Deutschland nicht mehr in der Pflicht, gutnachbarschafliches Verhältnis zu Russland zu pflegen. In Russland ist man jedoch unerschütterlich davon überzeugt, dass dadurch ein fester und dauerhafter Frieden in Europa verunmöglich wird. Diese Konsequenz zog unser Volk aus zwei mörderischen Weltkriegen. Offensichtlich hat man in Berlin beschlossen, die Lehren aus der Vergangenheit dem Vergessen anheimfallen zu lassen, wird doch aus deutschen Haubitzen und Panzerfäusten wieder auf russische Soldaten im Donbass und am Dnepr geschossen. Auch das ist ein großer Fehler.
Zwar wiederholt sich die Geschichte bekannterweise nicht, Parallelen zum aktuellen Geschehen drängen sich jedoch auf. Wie weit sind wir denn wirklich von einer direkten Beteiligung der deutschen Streitkräfte an der militärischen Auseinandersetzung in der Ukraine entfernt?
Herr Klingbeil wies zu Recht darauf hin, dass enge Wirtschaftsbeziehungen zwischen Russland und Deutschland, die von der SPD seit jeher befürwortet wurden, nicht zu einer stabilen Friedensordnung in Europa führten. Lassen Sie uns jedoch offen sagen, dass die Gestaltung dieser Friedensordnung weder von Handel und Wirtschaftskooperation zwischen unseren Ländern noch von alleinigem politischem Willen Berlins je abhing.
Eine effektive gemeinsame Sicherheit in Europa ist unmöglich, ohne dass man Grundsatzinteressen von ausnahmslos allen betroffenen Akteuren Rechnung trägt, einschließlich derer von Russland. Es sind vor allem Belange der militärischen Sicherheit unseres Landes, die von führenden westlichen Ländern, einschließlich Deutschlands, insbesondere über die letzten 30 Jahre konsequent missachtet und verletzt wurden. Auch das war ein großer Fehler.
In letzter Konsequenz wurde die jetzige Krise um die Ukraine dadurch herbeigeführt, dass mit der NATO ein demonstrativ gegen Russland ausgerichtetes Militärbündnis kontinuierlich an Russlands Grenzen heranrückte und unsere Nachbarstaaten, die auch historisch uns nahe stehen, in den NATO-Orbit gedrängt wurden. Risiken einer unkontrollierbaren Eskalation werden von Tag zu Tag immer wahrscheinlicher. In einem «großen» Krieg kann es jedoch bekanntlich nur Verlierer geben.
Herr Klingbeil ist der Auffassung, dass Deutschland sich in eine zu große Abhängigkeit von russischen Energieträgern hineinmanövriert habe und Berlin deshalb sich weiter um einen kompletten Ausstieg aus dieser Abhängigkeit bemühen müsse. Auch diese Einschätzung ist irrtümlich. Denn es ist in vielerlei Hinsicht Kohlenwasserstoffen aus Russland und ihrem niedrigen Preis zu verdanken, dass die Bundesrepublik in den letzten 50 Jahren sich zur EU-weit führenden Volkswirtschaft entwickeln konnte. Es bleibt abzuwarten, ob die deutsche Industrie ohne bezahlbares Erdöl und Erdgas ihre Führungsposition halten kann. Bevor die Europäische Union Sanktionen gegen Russlands Energiesektor einführte, hatte Russland nicht einmal in Theorie in Erwägung gezogen, keine Energieressourcen mehr nach Deutschland zu liefern.
Ich bin überzeugt, dass man in Berlin ganz genau weiß, von wem die Gasleitungen Nord Stream 1 und Nord Stream 2 angegriffen wurden und welche Länder davon am meisten profitieren. Sind es womöglich auch einzelne Mittel- und Osteuropäische Staaten, deren Interessen Herrn Klingbeil zufolge die SPD beim Ausbau der Beziehungen zu Russland nicht in einer angemessenen Weise entsprochen hätte? Die deutsch-russischen Beziehungen in etwa mit den russisch-polnischen bzw. russisch-litauischen Beziehungen zu verknüpfen, ist auch ein großer Fehler.
Bis Ende 2023 will die SPD ihre Außenpolitik neu aufgestellt haben. In Bezug auf Russland sind die wichtigsten Vorgaben bereits erteilt worden: Die europäische Sicherheit soll ohne Russland funktionieren, so Klingbeil. Ein Versuch, so ein Sicherheitssystem aufzubauen, wird ein weiteres strategisches Versäumnis bedeuten. Jede europäische Friedensordnung, die den Grundsatzbelangen unseres Landes nicht gerecht wird, wird nicht überlebensfähig sein. Das sollte man sich bewusst machen. Verantwortliche Politik heißt immer über den Horizont hinausschauen.
Quelle: Pressemitteilungen – Botschaft der Russischen Föderation