28. November 2024

Sechs Jahre Menschenrechtsverletzungen: Kroatien soll mit Schengen-Beitritt belohnt werden

Der Schengen-Beitritt Kroatiens steht auf der Tagesordnung des heutigen Treffens des EU-Innenminister*innen. Stimmen die Minister*innen für die Aufnahme Kroatiens, ignorieren sie damit die umfangreichen Belege von systematischen Menschenrechtsverletzungen an Kroatiens Grenzen sowie Verletzungen des Schengener Grenzkodex selbst.

Seit 2016 dokumentieren die unterzeichnenden Organisationen, internationale Medien und  zwischenstaatliche Organisationen fortlaufend  die eklatanten Menschenrechtsverletzungen Kroatiens an den EU-Außengrenzen. Die systematischen Rechtsverletzungen und die Fälle von Grenzgewalt werden durch die Polizei und andere staatliche Akteure verübt. Dennoch haben die zuständigen kroatischen Behörden bisher keine effektiven Ermittlungen eingeleitet, vielmehr werden die Vorfälle beharrlich geleugnet.

Die unterzeichnenden  Organisationen (darunter PRO ASYL) fordern, dass diese Rechtsverletzungen und das Versagen Kroatiens, minimale Rechtsstandards einzuhalten, nicht mit dem Schengen-Beitritt belohnt werden darf. Die Freizügigkeit von kroatischen Staatsbürger*innen innerhalb des Schengen-Raums ist wünschenswert, doch in dem Aufnahmeprozess offenbart sich das wahre Gesicht von „Schengen“: Die Freizügigkeit im Innern bedeutet die Abschottung nach außen – im Zweifel durch ein brutales Grenzregime.

„Pushbacks sind nicht nur eine direkte Verletzung des Schengener Grenzkodex, sie verletzen außerdem internationales Recht wie die Genfer Flüchtlingskonvention. Diese Rechtsverletzungen müssen in den Ländern beendet werden, die bereits Teil des Schengen-Raums sind. Außerdem muss eine klare Nachricht gesendet werden: Kein Land, das Menschenrechte missachtet, kann Teil des Schengen-Raums werden“, kommentiert Antonia Pindulić vom Centre for Peace Studies in Zagreb.

Die EU-Institutionen beschränken ihre Bedingungen für die Aufnahme Kroatiens auf die Einrichtung eines unabhängigen Menschenrechtsbeobachtungsmechanismus. Ein wirklich unabhängiger Mechanismus wäre zwar begrüßenswert, jedoch war der bisherige Menschenrechtsbeobachtungsmechanismus des kroatischen Innenministeriums dysfunktional und nicht mehr als ein Feigenblatt.

Zudem sind Menschenrechtsverletzungen durch staatliche Akteure in Kroatien bereits bestens dokumentiert. Die Menschenrechtsverletzungen fanden Eingang in mehrere nationale Gerichtsurteile, vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte wurde Kroatien bereits verurteilt. Es ist jetzt an der Zeit, dass für die Tausenden Verbrechen der kroatischen Polizei gegen Schutzsuchende die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden. Es müssen grundlegende Änderungen im kroatischen Polizeiapparat vorgenommen und ein effektiver und unabhängiger Menschenrechtsbeobachtungsmechanismus an Kroatiens Grenzen eingerichtet sowie politische Konsequenzen durch die EU gezogen werden.

Der Aufnahmeprozess Kroatiens verdeutlicht ein weiteres Mal den Stellenwert von Menschenrechten und Rechtsstaatlichkeit im europäischen Grenzregime seit 2016: Parallel zu der Gewalteskalation haben die EU-Institutionen den Weg für Kroatien in den Schengen-Raum frei gemacht.

Auch einzelne Mitgliedstaaten wie Deutschland haben durch die politische und logistische Unterstützung des kroatischen Grenzschutzes den Aufnahmeprozess mit vorangetrieben. Vor einem Jahr hat die neue deutsche Regierungskoalition noch erklärt, „die illegalen Zurückweisungen und das Leid an den Außengrenzen“ beenden zu wollen. Eine Zustimmung Deutschlands zum Schengen-Beitritt Kroatiens würde mit diesem Vorhaben brechen.

Pushbacks und Polizeigewalt gegen Schutzsuchende in Europa muss mit entschlossenen rechtlichen und politischen Konsequenzen begegnet werden. Nichts zu unternehmen untergräbt die Rechtsstaatlichkeit in der EU und ermutigt Mitgliedstaaten, europäische Rechtsstandards zu missachten.

Unterzeichnende Organisationen:

  • Balkanbrücke
  • Centre for Peace Studies
  • Dutch Council for Refugees
  • European Centre for Constitutional and Human Rights
  • PRO ASYL

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Quelle: Pro Asyl

Pro Asyl