Hoffnungsvolles aus Frankreich
In Frankreich gingen am Donnerstag mehr als zwei Millionen Menschen auf die Straße, um gegen die Rentenreformpläne der Regierung von Präsident Macron zu demonstrieren. Für den 31. Januar wurde bereits ein zweiter landesweiter Streik- und Aktionstag angekündigt.
Ziel der Bewegung ist es, dass die Regierung die extrem ungerechten Rentenreformpläne zurücknimmt, wie der Präsident der CGT, Philippe Martinez, unmißverständlich erklärte. Die Regierung plant das Renteneintrittsalter von 52 auf 64 Jahre und die Beitragsdauer auf 43 Jahre anzuheben.
Erfreulich ist, dass so viele Menschen in unserem Nachbarland gemeinsam und unabhängig davon, dass sie in vielen anderen Fragen nicht immer die gleichen Ansichten haben, gegen eine geplante Ungerechtigkeit manifestieren. Die Hofsänger der bestehenden Verhältnisse hatten sich wohl geirrt, als sie verkündet hatten, mit dem Ende der Bewegung der »Gilets jaunes« sei die Protestbewegung in Frankreich auf Jahre hinaus gestorben.
Der Erfolg des Streik- und Aktionstags und die Tatsache, dass viele Menschen, die noch nie in ihrem Leben demonstriert hatten, auf die Straße gingen, ist ein Zeichen dafür, dass die Lohnabhängigen nicht länger bereit sind, Ungerechtigkeiten widerspruchslos hinzunehmen.
Erfreulich ist aber auch, dass die acht größten Gewerkschaften gemeinsam gegen die ungerechten Rentenreformpläne Front machen, und damit, weit über ihre eigenen Mitglieder hinaus, bei vielen Menschen die Hoffnung aufkommen lassen, dass doch nicht alles verloren ist, und dass Solidarität die Voraussetzung dafür ist, überhaupt gehört zu werden und vielleicht auch, um Berge zu versetzen.
In Frankreich, wie in vielen anderen kapitalistischen Ländern, sehen die Menschen sich heute mit immer größeren negativen Folgen der wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Krise konfrontiert und müssen erkennen, dass das kapitalistische System und seine Wasserträger in der Regierung und in den Institutionen immer weniger in der Lage sind, die immer größer werdenden Probleme zu lösen, weshalb sie deren negative Folgen zunehmend auf die Schaffenden abwälzen.
Eine der vielen Folgen ist der Rückgang der Kaufkraft, eine andere, die wachsende Armut, und wieder eine andere, die zunehmend unsicheren Zukunftsperspektiven für einen immer größeren Teil der Jugend.
Mit ansehen müssen die Lohnabhängigen gleichzeitig, wie die Krisengewinnler in Saus und Braus leben und sich auf Kosten der Schaffenden bereichern, während die Aktionäre sich die Taschen immer voller stopfen, geschützt von den politischen Eliten in der Regierung und den Institutionen. Die sorgen dafür, dass die Gesetze und gesellschaftlichen Mechanismen, welche die bestehenden Ausbeutungsverhältnisse immer wieder reproduzieren, Bestand haben.
Das ist keineswegs einzig und allein eine französische Angelegenheit, sondern gilt für alle Länder, in denen das Kapital regiert – auch für Luxemburg.
Dass die Regierung hierzulande eine Indexmanipulation, verbunden mit einem massiven Kaufkraftverlust für große Teile der Schaffenden, durchführen konnte, ohne dass es zu einer breiten Gewerkschaftsfront kam, die Streik- und Aktionstage organisiert hätte, macht deutlich, dass noch viele Anstrengungen notwendig sind, um zu diesem Ziel zu gelangen.
Aber die Schaffenden werden notgedrungen lernen müssen, Französisch mit der Regierung und dem Patronat zu sprechen, wenn sie nicht die Verlierer der nächsten Jahre sein wollen.
Quelle: Zeitung vum Lëtzebuerger Vollek