21. November 2024

175 Jahre „Kommunistisches Manifest“

Wenn die FIR heute an das „Manifest der kommunistischen Partei“ von Karl Marx und Friedrich Engels erinnert, dann nicht, weil sich die FIR und ihre Mitgliedsverbände als Kommunisten verstehen, sondern weil dieses Werk, das vor 175 Jahren in London gedruckt wurde, wie nur wenige andere das politische Denken der Menschheit beeinflusst hat.

Auf dem zweiten Kongress der „Bundes der Kommunisten“ am 29. November 1847, der in London als Geheimbund gegründeten revolutionär-sozialistischen und internationalistischen Vereinigung, hatten Marx und Engels den ersten Entwurf einer politischen Grundsatzerklärung vorgelegt, der nach Debatten einstimmig angenommen wurde. Mit diesem Beschluss war der Auftrag verbunden, das Werk in seine endgültige Form zu bringen. Das Manuskript traf Anfang Februar 1848 in London ein und ging noch am 21. Februar 1848 in Druck.

Die Bedeutung dieses Werkes besteht nicht in seinem Umfang, sondern in der Prägnanz des gut zwanzigseitigen Textes. Wohl jeder, der sich mit der Geschichte der linken Bewegung beschäftigt hat, kennt die einleitenden Worte: „Ein Gespenst geht um in Europa – das Gespenst des Kommunismus“.

Im Gegensatz zu idealistischen Geschichtsvorstellungen formulierten Marx und Engels die Grunderkenntnis, dass alle bisherige Gesellschaftsentwicklung das Ergebnis von Klassenkämpfen darstellt. Dabei brachten diese Klassenauseinandersetzungen auch die jeweilige Weiterentwicklung der Gesellschaften und Lebenszusammenhänge.

Der sich in der bürgerlichen Gesellschaft herausbildende entscheidende Klassengegensatz ist der zwischen Bourgeois und Proletarier, also der zwischen den Eigentümern der Produktionsmittel und den Besitzern der Ware Arbeitskraft. Gleichzeitig überwindet die Entwicklung der kapitalistischen Produktion vorhandene nationale Beschränkungen, denn die Produktion benötige Rohstoffe aus aller Welt. Es entstehe „eine allseitige Abhängigkeit der Nationen voneinander“. Hochaktuell klingt folgende Einschätzung: „Die Bourgeoisie reißt durch die rasche Verbesserung aller Produktionsinstrumente, durch die unendlich erleichterten Kommunikationen, auch die barbarischsten Nationen in die Zivilisation.“ Gleichzeitig ergibt sich aus der kapitalistischen Produktionsweise eine kontinuierliche Pauperisierung aller Lohnabhängigen, gegen die sich die Proletarier nur kollektiv zur Wehr setzen können, um ihre Lage zu verbessern.

Auch wenn Marx und Engels kein geschlossenes Bild einer sozialistischen Gesellschaft entwickelten, sondern nur verschiedene Elemente von sozialer Gerechtigkeit benannten (kostenfreie Bildung für alle, Verbot der Kinderarbeit), formulierten sie als alternative Vision „eine Assoziation, worin die freie Entwicklung eines jeden die Bedingung für die freie Entwicklung aller ist.“ Grundlage dafür ist jedoch die Überwindung jeglicher Klassengegensätze.

Sie setzten sich in dem Manifest auch mit verschiedenen Vorstellungen der utopischen Sozialisten und religiös geprägten Sozialismus-Modellen auseinander, wobei sie deutlich machten, dass Ökonomie und Produktionsverhältnisse die Grundlage einer Gesellschaftsentwicklung darstellen.

Zum Abschluss antwortete das Manifest auch auf bündnispolitische Fragen. „Auf Deutschland richten die Kommunisten ihre Hauptaufmerksamkeit, weil Deutschland am Vorabend einer bürgerlichen Revolution steht […] Daher kämpfen sie in Deutschland an der Seite der Bourgeoisie gegen die feudale Ordnung und die Kleinbürgerei.“ Gleichzeitig wirkten die Kommunisten für eine Zusammenarbeit der demokratischen Parteien aller Länder. Sie erklären in aller Klarheit, dass sie ihre Zwecke nur durch den „Umsturz aller bisherigen Gesellschaftsordnung“ erreichen können. Da dies auf den Widerstand der bisherigen reaktionären Kräfte stoßen wird, könne der Umsturz der Verhältnisse nur „gewaltsam“ sein. Die Schlussbotschaft lautet: „Die Proletarier haben nichts … zu verlieren als ihre Ketten. Sie haben eine Welt zu gewinnen.“ Folgerichtig endet das Manifest mit dem bekannten Aufruf: „Proletarier aller Länder, vereinigt euch!“

Dieser Text hat in den folgenden 175 Jahren eine enorme Wirkung entfaltet. Das Manifest wurde in mehr als 200 Sprachen übersetzt. Die Gesamtauflage wird auf 500 Millionen Exemplare geschätzt, es ist damit nach der Bibel und der „Mao-Bibel“ das am häufigsten verlegte Buch der Geschichte.

Selbst eine Vertonung existiert vom Prager Musiker Erwin Schulhoff (1894–1942), dessen Musik von den Nazis als „entartet“ eingestuft wurde. Schulhoff starb 1942 im Konzentrationslager für Ausländer, wohin er verschleppt worden war.

Seit Juni 2013 ist das „kommunistische Manifest“ Teil des Weltdokumentenerbes der UNESCO.

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