18. November 2024

SDAJ München zum Streit um Mesut Özil

sdajMesut Özil war ein Star. Fünfmal Nationalspieler des Jahres (2011, 2012, 2013, 2015, 2016) und ein Integrationsbambi (2010) waren nur einige von zahlreichen Auszeichnungen die der gebürtige Gelsenkirchener im Laufe seiner Karriere erhielt. Bejubelt wurde er als gelungenes Beispiel von Integration in Printmedien, Klatschpresse und Politik.

Ein Foto das im Mai zwischen Özil und dem türkischen Präsident Erdogan entstanden ist machte all dies scheinbar zunichte. Das Treffen mit dem Diktator wurde scharf in der Öffentlichkeit kritisiert. Dabei ging es schnell um mehr. Im Juni wurde Kritik an Özil geübt warum er denn nicht gefälligst die deutsche Nationalhymne mitsingt. Özil stand von da an öffentlich unter Verdacht kein „echter“ Deutscher mehr zu sein, unabhängig davon das er damit nicht der einzige Spieler ist und das das Singen der Hymne an sich erst seit 1984 in der deutschen Nationalelf üblich ist.

Als dann die deutsche Fußballmanschaft mit einem Vorrundenaus in der WM eine historische Niederlage erlitt, war die Karriere von Özil endgültig vorbei. Die Enttäuschung in der Öffentlichkeit war groß und der Druck auf die Verantwortlichen im DFB ebenso, ein Sündenbock musste her und die Wahl fiel auf Mesut Özil, den illoyalen Türken, denn Deutscher war er jetzt auf einmal nicht mehr. Özil erging es letztlich wie so vielen Fußballern mit Migrationshintergrund in Europa, wenn sie gut spielen und sich korrekt verhalten dann sind sie Helden und Teil der Nation, wenn es mal nicht gut läuft in Sachen Fußball und sich noch öffentliche Fehltritte dazu gesellen dann wars das und sie sind wieder die Migranten, Ausländer, Schwarzköpfe und Kanaken. Der Franzose Karim Benzema und der Belgier Romelu Lukaku können ein Lied davon singen.

Özil ist keiner von uns. Er ist ein Millionär und verkehrt in gesellschaftlichen Kreisen die die meisten Menschen nur aus dem Fernsehen kennen. Auch an seinen Treffen mit Erdogan gibt es nichts schönzureden, aber darum geht es hier auch schon lange nicht mehr, um was es geht das ist Rassismus.
Denn an einem Treffen mit Erdogan kann der mediale und politische Rausch an dem sich neuerdings auch C-Promis wie Sophia Thomalla und bisher unbekannte Blogger beteiligen, nicht liegen. Özil traf sich bereits mehrmals mit Erdogan, 2011, 2012 und 2016, damals interessierte das schlichtweg kaum jemanden. Und das jetzt ausgerechnet Vertreter des DFB oder der Bundesregierung wie Julia Klöckner die Moralkeule schwingen grenzt an reinsten Zynismus.

Fotos mit Erdogan, das sind für die Bundesregierung Peanuts, die gibt es ständig immer wieder. Merkel und Co. spielen in einer ganz anderen Liga: Politische Unterstützung für Erdogan, Verfolgung türkischer Oppositioneller in Deutschland oder Waffendeals. Auch Tausend Treffen zwischen Özil und Erdogan können nicht das Leid hervorbringen das deutsche Panzer in Afrin und Flüchtlingsdeals zwischen deutscher und türkischen Regierung verursachen. Die Spitze der Doppelmoral erreicht dann noch der Autokonzern Mercedes, der stellt seine Zusammenarbeit mit Özil wegen der Erdogan-Fotos ein , unterstützt eben jenen aber mit Wagen und Material bei dessen Raubzug in Syrien.

Auch der DFB ist kein moralische Instanz wie er sich nun mitunter zu inszenieren versucht. Der DFB hat kein Problem im Bezug auf die geplante Austragung der WM 2022 im Sklavenhalterstaat Katar und auch keins mit rassistischen Funktionären wie Reinhard Grindel, Präsident des DFB und zuvor CDU-Abgeordneter im Bundestag. Dieser wird von Özil in seinem dritten öffentlichen Statement scharf kritisiert: „Von Ihnen, Herr Grindel, bin ich enttäuscht, aber nicht überrascht. Als Sie 2004 im Bundestag saßen, behaupteten Sie, dass »Multi-Kulti ein Mythos und eine Lebenslüge ist«, während Sie gegen die doppelte Staatsbürgerschaft stimmten sowie gegen Strafe wegen Bestechung. Außerdem sagten Sie, dass die islamische Kultur in vielen deutschen Städten zu sehr Wurzeln geschlagen habe. Das ist unverzeihlich und wird nicht vergessen werden.“

Zudem hätte der DFB im Falle Özil bereits früher reagieren können. Das Foto wurde am 14. Mai veröffentlicht, 24 Stunden vor der Nominierung des vorläufigen deutschen WM-Kaders. Knapp aber man hätte eine klare Entscheidung fällen können. Stattdessen ein paar Gespräche und viel Rumgeeier, man hat wohl erst im Nachhinein die jetzt so hochgehaltenen Werte wieder für sich entdeckt. Jetzt wo es knallt, geht’s dem DFB darum seine Haut zu retten, ein Özil, der sich eh schon angreifbar gemacht hat, kommt da gerade Recht. Egal sind da auch die in diesem Zusammenhang zig rassistischen Äußerungen auf der Straße oder im Internet gegenüber Özil und seiner Familie.

Im Falle Özil sind es letztlich die gleichen Spaltungsmechanismen die uns und unsere migrantischen Kolleginnen und Kollegen, Mitschülerinnen und Mitschüler, unsere Kommilitonen, immer wieder aufs Neue betreffen.
Özil ist weniger ein bedauernswerter Einzelfall sondern viel mehr Sinnbild für die heutigen Verhältnisse und den in Deutschland herrschenden Alltagsrassimus. Das „Migazin“ schreibt dazu: »Der Rücktritt Özils ist ein Wendepunkt. Viele Migranten erkennen in seinem Fall ihre eigene Lebensrealität. Sie erkennen, dass es für sie in Deutschland nie reichen wird, wenn sogar ein Weltmeister es nicht schafft, akzeptiert zu werden.«

Dieser Rassismus der in Deutsche und Ausländer einteilt und gegeneinander ausspielt sowie die Integration für tot erklärt hat ist nicht neu und er ist auch seit mehreren Jahren bestens etabliert. Den Anfang machte 2010 ein Thilo Sarrazin. Das Buch des ehemaligen Bundesbank-Chefs „Deutschland schafft sich ab“, publiziert in einem renommierten Verlag (DVA) aus dem Hause Bertelsmann, wurde von etablierten Zeitungen rezensiert und gelobt, er war Gast in den einschlägigen Talkshows des Landes und diverse Politiker zeigten Verständnis oder gar Sympathien für seine Thesen.

Ökonomisch rechnete Sarrazin einen Rassismus ganz im Sinne deutscher Unternehmen und neoliberaler Politik vor, ergänzt wird das Ganze mit rassisch-biolgischen Ausfällen um nochmal Stimmung in der Bevölkerung zu machen. Zu teuer heißt es da, zu ineffizient. Integration kostet und das kann man sich auf Dauer nicht leisten, Chinesen und Inder arbeiten nun mal besser als Türken und Araber, das lässt sich ja an den Genen schon festmachen. Die Integration erklärt er für endgültig gescheitert.

Alleine ist er damit schon lange nicht mehr, er hat nur die Türen geöffnet durch die sich bürgerliche Ökonomen und chauvinistische Finanzwissenschaftler wie Hans-Werner Sinn oder rechte Politiker gequetscht haben. Sarrazins Thesen sind längst im Mainstream angekommen und sie bestimmen heutzutage in weiten Teilen die politische Diskussion wenn es um Integration und Zuwanderung geht.

Diese Hetze gilt es zu brechen, denn Geld ist genug da und ob man nun seit einer oder zwanzig Generationen in Deutschland lebt, mit seinen Kollegen hat man an Interessen weit mehr gemeinsam als man es mit den Sarrazins, Quandts und Heisters dieses Landes je haben könnte.

Quelle:  SDAJ München via Facebook / RedGlobe 

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