MP Haseloff drängt auf Syrienabschiebungen
PRO ASYL: Schutzquoten belegen die Absurdität der Idee des CDU-Politikers
Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Haseloff hat wenig Grund, über syrische Flüchtlinge öffentlich nachzudenken. In seinem Bundesland leben genau 836 (FR vom 31.07.2018). Aber im Sommerloch kann Haseloff es nicht lassen, eine Schlagzeile zu produzieren. Man müsse Menschen auch nach Syrien zurückführen, »wenn die Voraussetzungen dafür gegeben sind.«
Davon, dass die Voraussetzungen gegeben sind, geht Haseloff offenbar aus, indem er darauf verweist, dass die Kanzlerin ja gerade »mit den Russen« darüber gesprochen habe, »wie man das organisiert«. So formuliert handelt es sich bereits nicht mehr um die Frage, welche syrischen Flüchtlinge zu welchem Zeitpunkt mit welchen Sicherheits- und Eigentumsgarantien zurückkehren können. Internationaler Maßstab hierfür wäre eine nachhaltige Verbesserung der Situation, die eine Rückkehr in Sicherheit und Würde ermöglicht. Haseloffs Anspruch scheint deutlich reduzierter: Es geht um die Abwicklung von schnellstmöglicher Rückkehr samt Abschiebungen. Das Auswärtige Amt (AA) hatte bislang betont, dass die Bedingungen für eine großflächige Rückkehr nicht gegeben seien und auf fortbestehende Verfolgungsgefahr hingewiesen.
Nach Seehofer mit seinem »Masterplan«, der bereits massiv in die Kompetenz des AA eingreift, tritt jetzt mit Haseloff die verzwergte Folgeversion des Nebenaußenpolitikers aus den Kulissen. Der eigentliche Bundesaußenminister hingegen hat es seit Amtsantritt vorgezogen, flüchtlingspolitisch abzutauchen. Aber Haseloff hat seine Idee nicht aus der Luft gegriffen: Kanzlerin Merkel und Russlands Außenminister Lawrow bahnen schon jetzt Wege nach Syrien. Russland, eben noch als Alliierter und Luftwaffe des Assad-Regimes von der deutschen Regierung kritisiert, soll jetzt offenbar Garant des Rückkehrprozesses werden. Bei vielen Flüchtlingen dürfte dies nach ihren Erfahrungen eher Ängste hervorrufen als beseitigen.
»Infam und vorsätzlich ist Haseloffs Interpretation aktueller Statistiken, die angeblich die Chancenlosigkeit von syrischen Asylsuchenden in Deutschland belegen«, kritisiert Bernd Mesovic, rechtspolitischer Leiter bei PRO ASYL. »Er nennt nur die Anerkennungsquote nach Artikel 16a GG, wenn er von jenen drei Prozent spricht, die einen ‚grundgesetzlich garantierten Asylgrund‘ hätten.« Tatsächlich werden mehr als 30 Prozent als Flüchtlinge im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention anerkannt und die meisten anderen erhalten den sogenannten subsidiären Schutz. Insgesamt 99,7 Prozent aller Syrer*innen, über deren Asylbegehren inhaltlich entschieden wurde, haben einen Schutzstatus erhalten (Stand: Juni 2018). Das spiegelt die Situation deutlicher wider als die zum jetzigen Zeitpunkt absurde Rückkehrdebatte. Haseloffs kreative Statistikinterpretation, die alle Formen des rechtlichen Schutzes mit Ausnahme des deutschen Asylrechts ausblendet, fand sich bis vor kurzem fast nur bei rechtsextremen Organisationen.
Zur Erinnerung: In Syrien wird noch gekämpft und weiter bombardiert. Der IS ist erst kürzlich wieder mit tödlichen Attacken und Entführungen hervorgetreten, existiert also weiter. Rebellengruppen unterschiedlicher Couleur halten andere Teile des Landes. Iranische und türkische Truppen stehen auf syrischem Boden. Ein politischer Übergangsprozess, von dem die meisten EU-Staaten und Deutschland materielle Unterstützung für Syrien abhängig gemacht haben, ist noch nicht im Gang – es sei denn, man halte die sogenannten Astana-Gespräche (aktuell in Sotschi zwischen Russland, Iran und Türkei) bereits für einen solchen.
Seit dem Beginn des Bürgerkrieges 2011 sind über fünf Millionen Syer*innen aus den verschiedensten Gründen ins Ausland geflohen: Die meisten vor dem Assad-Regime, vor gezielter Verfolgung als Oppositionelle, vor Flächenbombardements und Kampfhandlungen, vor bewaffneten Milizen, viele vor dem IS, wieder andere vor der allgemeinen Unsicherheit.
So unterschiedlich, wie die Fluchtgründe der Syrer*innen waren, so unterschiedlich werden ihre Hoffnungen auf eine Rückkehr sein. Es gibt seit langem Binnenflüchtlinge, die innerhalb Syriens an ihre Wohnorte zurückkehren. Es gibt auch Flüchtlinge, die aus dem Ausland zurückkehren, zum Beispiel aus dem Libanon, wo der Druck zur Rückkehr wächst und Präsident Aoun ganz offen erklärt, dass er eine Rückkehr auch ohne eine politische Lösung forcieren will. Die »freiwillige« Rückkehr ist bislang allerdings ein Experiment auf eigenes Risiko. Vielen Flüchtlingen ist die lange Blutspur des Assad-Regimes, die bereits vor dem Bürgerkrieg begann, in Erinnerung. Sie werden um keinen Preis in ein Syrien unter Assad zurückkehren wollen.
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