23. November 2024

Warum EU-Kritik in der SPÖ unerwünscht und Karl Marx verpönt ist

Kommentar von Otto Bruckner, stellvertretender Vorsitzender der Partei der Arbeit Österreichs (PdA)

Dieser Tage ist ein altes Video aufgetaucht, in dem der SPÖ-Vorsitzkandidat und Bürgermeister von Traiskirchen, Andreas Babler, die EU sehr nahe an der Realität charakterisiert. Sinngemäß sagte er, die EU sei ein immer gefährlicheres militärisches Bündnis und kein Friedensprojekt. Sie sei die Interessenlobby der Konzerne. Als Schlussfolgerung seiner Argumentation wäre ganz logisch die Feststellung gestanden, dass es für Österreich das Beste wäre, die EU zu verlassen. Das sprach er jedoch nicht aus. Die Aufregung innerhalb des SPÖ-Führungszirkels und der Meute der proimperialistischen Mainstream-Journalisten war groß. So darf man doch nicht über die EU sprechen!

Schauen wir uns an, welche Rolle die SPÖ heute in der EU-Politik spielt, und warum Bablers Aussagen solchen Staub aufgewirbelt haben. Viele Granden der Sozialdemokratie richteten ihm aus, dass ein Vorsitzkandidat „proeuropäisch“ zu sein hat (als wäre die EU Europa und Kritik an ihr ein Verstoß gegen die kontinentalen Interessen). Was mit „proeuropäisch“ gemeint ist, stellt die SPÖ-Delegation im EU-Parlament sehr gut zur Schau. Wie eine Herde Schafe blökt sie allen imperialen Anwandlungen der EU-Kommission unter der Führung der Kriegstreiberin Ursula von der Leyen hinterher. Sie verliert sich in der Ausschussarbeit eines ohnehin machtlosen Pseudoparlaments und sonnt sich in ihrer scheinbaren Wichtigkeit. SPÖ-Delegationsleiter Andreas Schieder und die stellvertretende Parlamentspräsidentin Evelyn Regner sind Best Buddys mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj und unterstützen vorbehaltlos die Waffenlieferungen der EU an Kiew. Maulheldentum wird mit Courage verwechselt, wenn etwa Andreas Schieder den türkischen und syrischen Kurden und deren politischen Repräsentanten immer wieder seine Solidarität versichert, die jedoch in der Praxis nichts wert ist.

Eine solche „proeuropäische“ Politik ist es, die sich die maßgeblichen Leute in der SPÖ vorstellen. Zahnlos, den imperialen Interessen folgend, während die nationalen Interessen Österreichs und vor allem die seiner arbeitenden Menschen zweitrangig sind. Alle diese Schaumschläger wissen, dass es eine „Sozialunion EU“ nie geben wird. Dazu ist sie nicht da. Aber sie gaukeln vor, dieses Ziel zu verfolgen, und wollen damit verbergen, dass die SPÖ, sollte sie wieder den Bundeskanzler stellen, eine noch gehorsamere Politik gegenüber der EU-Spitze machen würde, als die gegenwärtige Bundesregierung.

Die SPÖ stimmt in den EU-Gremien regelmäßig für Aufrüstung und Krieg, für Milliardenförderungen an die Industrie- und Agrarkonzerne sowie an die Banken und die Finanzbranche. Sie ist unkritisch, hat keine Idee irgendeiner eigenständigen Position, und ihre Außenpolitik als Regierungspartei wäre eine Fortsetzung des gegenwärtigen Kurses. Erst diese Woche stimmte sie im EU-Parlament für die aberwitzige Forderung, unserem Nachbarland Ungarn den Ratsvorsitz zu entziehen, der am 1. Juli beginnen soll, und automatisch jedes halbe Jahr einem anderen der 27 EU-Mitgliedsländer zusteht. Länder, die aus dem Mainstream des „wertebasierten“ kriegstreiberischen politischen Westens auch nur ansatzweise ausscheren, sollen bestraft werden. Da spielt es keine Rolle, dass das mit dem EU-Recht unvereinbar ist, und diese Resolution des EU-Parlaments ohnehin keiner ernst nimmt.

Wer braucht also eine solche Politik? Richtig, das österreichische Kapital, das ganz gut mit anderen EU-Konzernen verflochten ist. Und das wäre die einzige Rolle, in der SPÖ geübt ist, weil sie immer dann gefragt ist, wenn das bürgerliche Lager zu blöd anstellt: Die des Arztes am Krankenbett des Kapitalismus. Aber ob sie dafür noch gebraucht wird, ist auch fraglich.

Lassen wir zum Abschluss noch den ehemaligen SPÖ-Vorsitzenden und Bundeskanzler Bruno Kreisky zu Wort kommen, und dies passt auch gut zur Marxismus-Debatte in der SPÖ. Auf dem SPÖ-Parteitag im Jahr 1978 sagte er: „Marx hat den Versuch unternommen, die kapitalistische Wirtschaft zu beschreiben und zu erklären. Dabei hat er Entwicklungen vorweggenommen, die sich in geradezu atemberaubender Weise heute vollzogen haben“. Kreisky lässt bewusst weg, dass Karl Marx nicht beim Beschreiben und Erklären stehenblieb, sondern auch das sagte: „Die Philosophen haben die Welt verschieden interpretiert, es kommt darauf an, sie zu verändern“. Aber immerhin konnte damals ein Parteivorsitzender der SPÖ sich noch positiv auf Marx beziehen. Im SPÖ Programm stand damals auch noch das Ziel einer klassenlosen Gesellschaft. Dass sie diese nie angestrebt hat, sondern ihre Hauptaufgabe ganz im Gegenteil in der Verhinderung einer revolutionären Entwicklung sah, ist eine andere Geschichte.

Quelle: Zeitung der Arbeit

Zeitung der Arbeit