Nach der Krise ist vor der Krise
Der Ressourcenverbrauch ist zu hoch, der Klimawandel auch in Europa nicht mehr zu leugnen. Bereits am Mittwoch war »Welterschöpfungstag«. An ihm hatte die Menschheit nach Berechnungen des »Global Footprint Network« sämtliche natürlichen Ressourcen aufgebraucht, die unser Planet in einem Jahr regenerieren kann. 1970 fiel der Tag noch auf den 29. Dezember. Seit den 70er Jahren fordert die Menschheit jedes Jahr mehr natürliche Ressourcen von der Erde und das Wirtschaften auf Pump rückt dementsprechend Stück für Stück weiter zum Jahresbeginn.
Gleichzeitig sind Starkregen und Dürre die zwei Seiten der Medaille, auf die sich Bauern und Winzer nun auch in Luxemburg einstellen müssen. Das erklärte der zuständige Minister Fernand Etgen am Dienstag auf einer Pressekonferenz. Allerdings bedrohen Starkregen und Dürren in anderen Teilen der Welt die Existenz vieler Bauern schon länger.
Nach Angaben der dem Ministerium unterstellten ASTA (»Administration des services techniques de l’agriculture) gab es seit Anfang Juni, als starke Regenfälle vor allem im Müllerthal zu teilweise katastrophalen Überschwemmungen führten, in Luxemburg wenn überhaupt nur sehr wenig Regen. Infolgedessen rechnen die Landwirte mit erheblichen Ernteeinbußen, deren genauer Umfang wohl erst Anfang September zu beziffern sein wird. Und auch die von den Unwettern Anfang Juni verursachten Schäden zulasten der Landwirte werden wohl noch steigen. Derzeit liegen sie bei rund einer halben Million Euro.
Mit einem Ausbau der regelmäßigen Übermittlung meteorologischer Meßdaten und Prognosen durch die ASTA solle den Landwirten geholfen werden, »auf ihren Feldern die richtigen Entscheidungen zu treffen«, wie Minister Etgen es formulierte. So wolle man dazu beitragen, die Schäden durch Extremwetterereignisse auf ein Minimum zu reduzieren.
Auch stellte der Minister den Bauern und Winzern Nothilfe in Aussicht. Das ist richtig, wenn es hilft, einzelne Betriebe vor dem Aus zu retten. Die Nothilfe zeigt aber auch das Versagen der Verantwortlichen, die seit Jahren das Spiel spielen: Wie bleibt in der Landwirtschaft am besten alles wie es ist? Unterstützt werden sie dabei von Politikern, aber auch von Landwirten, denen Veränderung ein Graus ist.
Dabei ändert Nothilfe nichts an den kapitalistischen Wirtschaftsstrukturen, den Abhängigkeiten von Zwischenhändlern, der Monokulturen fördernden Ausrichtung auf den Weltmarkt – statt einer Ausrichtung auf das eigene Land, in dem noch immer nur ein kleiner Teil des verkauften Obstes und Gemüses angebaut wird. Nothilfe heißt: Nach der Krise ist vor der Krise.Eine andere Meldung blieb weitgehend unbeachtet. Auf dem Findel steigen die Flugpassagierzahlen auch unter einem nominell grünen Ressortchef in der Regierung. Forderungen, die Klimaverschmutzung endlich in die Flugticketpreise mit einzuberechnen, sind genausowenig Teil der Debatte wie der auch unter Blau-Rot-Grün unverminderte Tanktourismus. Dabei gilt auch der Flug- und Straßenverkehr neben der Landwirtschaft als Ursache für den Klimawandel und damit für die aktuelle Dürre.
Das entschuldigt den Stillstand der Landwirte nicht, doch: Es ist für alle an der Zeit, sich zu bewegen. Dafür braucht es politische und ökonomische Veränderungen, keine Nothilfe.
Oliver Wagner
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