18. Dezember 2024

„Duro de matar“ – Episode 70

Seit 1953 schreitet die Kubanische Revolution voran – von Niederlage zu Sieg und umgekehrt. Zermürbung inklusive

Von Michael Wögerer, Präsident der Österreichisch-Kubanischen Gesellschaft (ÖKG)

Der US-amerikanische Actionfilm Stirb langsam mit dem unkaputtbaren Polizisten John McClane (Bruce Willis) in der Hauptrolle ist nicht nur Cineasten ein Begriff. Der Plot ist simpel: Ein guter Held kämpft unermüdlich gegen das Böse, erleidet dabei allerlei Schrammen, die ein Normalsterblicher (!) nicht überleben würde, und zum Schluss sind die Terroristen tot. Insofern ist die deutsche Übersetzung des 1988 erstmals erschienenen und mit vier Fortsetzungen prolongierten Klassikers eine grobe Fehlleistung. Denn der Held stirbt nicht, auch nicht langsam. In Lateinamerika ist der legendäre Actionfilm unter dem Titel Duro de matar (dt.: Schwer zu töten) bekannt, was dem englischsprachigen Original (Die hard) viel eher entspricht.

„Nicht umzubringen“ könnte auch der Titel für die Verfilmung der mittlerweile 70 Jahre andauernden Kubanischen Revolution sein. Lässt man die historischen Ereignisse vor dem geistigen Auge Revue passieren, werden die Parallelen zu Duro de Matar offensichtlich – es ist schier unpackbar, dass der Held dieser Geschichte – das sozialistische Kuba – noch auf den Beinen steht – wenn auch zum Teil wackelig:

Kuba 1952/1953: Die karibische Insel leidet unter der Gewaltherrschaft des 1952 abermals an die Macht geputschten Diktators Fulgencio Batista. Tausende Kubaner:innen werden während seiner Herrschaft auf die grausamste Art und Weise gefoltert und umgebracht, viele verschwinden spurlos. Die Landbevölkerung ist bitter arm. Während wohlhabende US-Amerikaner in Saus und Braus auf Kuba leben sterben Kinder an Hungersnot und Krankheiten. Die Kubaner:innen haben nichts mehr zu verlieren außer ihre Ketten. Der junge Rechtsanwalt Fidel Castro versucht zunächst auf juristische Weise die Diktatur zu bekämpfen, ändert jedoch bald seine Taktik. Am 26. Juli 1953 versammelt er 129 Männer und Frauen um sich, um die von rund 810 schwer bewaffneten Soldaten besetzte Moncada-Kaserne in Santiago de Cuba sowie die Kaserne Carlos Manuel de Céspedes in Bayamo anzugreifen. Doch der Versuch endete in einem Desaster. 103 Revolutionärinnen und Revolutionäre werden während des Sturms und danach getötet, viele verwundete Angreifer:innen gefangen genommen, gefoltert und umgebracht, nur einigen Wenigen gelingt die Flucht. In einem Schauprozess wird Fidel Castro zu 15 Jahren Gefängnis verurteilt – seine Verteidigungsrede „Die Geschichte wird mich freisprechen“ wird zur Anklage gegen das Regime. Nach massiven Protesten aus der ganzen Bevölkerung kommen Fidel und viele seiner Mitstreiter:innen durch eine Generalamnestie nach zwei Jahren wieder frei. Die Bewegung des 26. Juli („Movimiento de 26 Julio“) ist geboren.

Mexiko/Kuba 1956: In der Nacht des 25.November 1986 verlassen der Argentinier Ernesto Ché Guevara, Fidel und sein Bruder Raúl Castro zusammen mit weiteren 82 bewaffneten Kämpfern auf der Yacht Granma den Hafen von Mexiko mit dem Ziel Kuba. Unterwegs gerät das Schiff in schwere See, um ein Sinken zu verhindern werden viele Waffen und sonstiges Material über Bord geworfen. Am 2. Dezember 1956 erreichen die Rebellen Kuba bei Playa Las Coloradas. Im ersten Gefecht werden die Mehrzahl der Revolutionäre festgenommen oder getötet. Unter den Überlebenden befinden sich die Castro-Brüder sowie Ché. Die Kämpfer ziehen sich zunächst in die Sierra Maestra zurück. Es folgte ein über 2-jähriger Guerilla-Kampf, dem sich immer weitere Teile der kubanischen Bevölkerung anschließen.

Santa Clara 1958: Die Rebellenarmee unter den Kommandanten Fidel Castro, Camilo Cienfuegos, Ernesto Ché Guevara und Raúl Castro kämpft sich vom Osten der Insel Richtung Westen vor. Diktator Batista schickt einen Zug, der neben 373 Soldaten mit Waffen, Munition und Proviant für zwei Monate voll beladen war, von Havanna Richtung Osten, um die Wende im Kampf gegen die Revolution zu bringen. Doch am 29. Dezember 1958 wird der gepanzerte Zug („tren blindado“) von Ché Guevara und seiner Truppe in der Stadt Santa Clara gestoppt. Nach dem mehrstündigen Gefecht fallen die Waffen in die Hände der Guerilleros. Zahlreiche Soldaten des Zuges verbrüdern sich mit den Rebellen. Batistas Stunde hat geschlagen.

Havanna 1959: Auf die Eroberung des tren blindado folgt wenig später auch die Einnahme der Stadt Santa Clara selbst. Nach dieser entscheidenden Schlacht flieht Batista am 1. Jänner 1959 mit Teilen der Staatskasse aus Kuba in die Dominikanische Republik. Am Tag darauf besetzen die Rebellen Havanna und Santiago de Cuba, am 8. Jänner zieht Fidel Castro mit seiner siegreichen Revolutionsarmee unter dem Jubel der Bevölkerung in die Hauptstadt ein.

Playa Girón 1961: Kuba verstaatlicht schrittweise Landwirtschaft und Industrie und enteignet US-Vermögenswerte, was den bisherigen Besitzern nicht gefällt. Die USA verhängen am 13. Oktober 1960 ein Handelsembargo. Am 17. April 1961 scheitert die von Exilkubanern durchgeführte und von der CIA unterstützte Invasion in der Schweinebucht. Tags davor nennt Fidel Castro es eine „Tatsache, dass unsere Revolution eine sozialistische Revolution ist“.

Raketenkrise 1962: Die Sowjetunion wird für Kuba zu einem wichtigen Zuckerabnehmer, Kreditgeber und Lieferanten von Öl. Als Folge der Schweinebucht-Invasion werden von der UdSSR Atomraketen auf Kuba stationiert. Daraufhin droht im Oktober mit der „Kuba-Krise“ eine Eskalation zum 3. Weltkrieg. Die USA sichern schließlich öffentlich zu, keine weiteren Angriffe auf Kuba vorzubereiten, verschärfen aber die ökonomische Blockade der Insel immer weiter.

Periodo Especial 1990/1991: Mit Unterstützung des Rats für gegenseitige Wirtschaftshilfe (RGW), ein Zusammenschluss sozialistischer Staaten unter Führung der Sowjetunion, gelingt Kuba eine prosperierende Entwicklung. In den Bereichen Gesundheit, Bildung und Wissenschaft kann die Kubanische Revolution seit 1959 große Erfolge erzielen. International anerkannte Indikatoren belegen das bis heute (hohe Alphabetisierungsrate, geringe Kindersterblichkeit, flächendeckende Gesundheitsversorgung,…).
Die Auflösung der Sowjetunion und der mit ihr verbündeten sozialistischen Staaten in den Jahren 1990/91 führt allerdings zu einer schweren wirtschaftlichen Krise auf der roten Insel. Es beginnt die Período especial en tiempo de paz (Sonderperiode in Friedenszeiten), die maschinelle Landwirtschaft bricht zusammen und es kommt zu Nahrungsmittelknappheit. Darüber hinaus wird die von den USA verhängte Wirtschaftsblockade durch das Torricelli-Gesetz (1992) und das Helms-Burton-Gesetz (1996) weiter verschärft. Die schon 1960 verkündete böse Absicht hinter der US-Politik wird immer klarer sichtbar: „…durch wirtschaftliche Unzufriedenheit und Not das Wirtschaftsleben schwächen, indem Kuba Geld und Lieferungen verwehrt werden, mit dem Ziel, die Nominal- und Reallöhne zu reduzieren, Hunger, Verzweiflung und den Sturz der Regierung zu bewirken“.

Kuba heute:

“No podrán jamás ponernos de rodillas” (Sie werden uns nie in die Knie zwingen können!), sagte einst Revolutionsführer Fidel Castro († 25.11. 2016). Egal mit welchen Methoden – ob jüngst mit „soft power“ (Barack Obama) oder „harter Hand“ (Donald Trump) – dem US-Imperialismus ist es seit dem Sieg der Revolution nicht gelungen, den kubanischen Sozialismus zu zerstören. Die Helden – das kubanische Volk – mussten dabei allerdings wie John McClane in Die Hard viele Schrammen erleiden und es macht sich – besonders unter den jungen Kubaner:innen – auch Zermürbung breit. Viel zu oft wurden die Hoffnungen auf eine bessere, wirtschaftliche Entwicklung in den letzten Jahrzehnten enttäuscht – was nicht zuletzt an der anhaltenden aggressiven US-Blockade liegt. Damit es nicht ein „stirb langsam“ wird, sondern beim „duro de matar“ bleibt, braucht Kuba unsere solidarische Unterstützung. Vorrangiges Ziel muss es sein die seit über 62 Jahren gegen den Inselstaat verhängte Wirtschafts-, Handels- und Finanzblockade zu brechen. Kuba-Solidaritätsgruppen, fortschrittliche Organisationen und Medien aus der BRD, Österreich, der Schweiz, Schweden, Dänemark, Finnland, Großbritannien, Irland, Spanien, Frankreich, Tschechien, Slowenien und weiteren europäischen Ländern rufen deshalb im Vorfeld der nächsten UN-Abstimmung, die für Herbst 2023 erwartet wird, zu einer großen Solidaritätskampagne für Kuba und gegen die Blockade auf: www.unblock-cuba.org

Das sozialistische Kuba begeht heute in Erinnerung an die Ereignisse des 26. Juli 1953 den Tag der Nationalen Erhebung, der vor 70 Jahren den Beginn der Revolution markierte. Noch heute sei diese Aktion ein Symbol für die Entschlossenheit, nicht zu kapitulieren, sagte Präsident Miguel Díaz-Canel am Montag zu Beginn eines Besuchs in Santiago de Cuba. Er verwies darauf, dass „die aggressive US-Politik“ versuche, die Ziele der Moncada-Rebellen, nämlich die Unabhängigkeit Kubas, gute Bildung, Gesundheit für alle und soziale Gerechtigkeit, zu zerstören. In Bayamo stellte die Erste Sekretärin der KP Kubas in der Provinz Granma, Yanaisi Capó Nápoles, am Montag eine Verbindung zwischen dem historischen Ereignis und „den aktuellen Herausforderungen“ her, „denen sich das Land gegenübersieht“. Fidel Castro habe gezeigt, dass es möglich sei, „Rückschläge in Siege umzuwandeln und erfolgreich Widerstand zu leisten“. Venceremos!

Quelle: KOMintern

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