3. Dezember 2024

Österreichs Nobelpresse denunziert Papst Franziskus wegen seiner Stellungnahme zur Klimakrise als politischen Dilettanten

Gastautor: Gerhard Oberkofler, geb. 1941, Dr. phil., Universitätsprofessor i.R. für Geschichte an der Universität Innsbruck 

Im Mediensumpf gehört Die Presse zu jenen Zeitungen, die von den österreichischen Spießbürgern als staatswichtig eingeschätzt werden. In den letzten Tagen mobilisierte Die Presse wie schon in den letzten Jahren immer wieder durch ihre von ebenso privilegierten wie käuflichen Laientheologen aus der Universität Wien sekundierten Schreiberlinge gegen Papst Franziskus, weil er den Weg „unseres“ deutschen, 2013 zurückgetretenen Papstes Benedikt XVI. verlassen hat. Papst Franziskus ist Jesuit, kann unterscheiden und ist der Theologie der Befreiung verbunden. Diese hat Benedikt XVI. innerkirchlich scharf gemaßregelt und gedemütigt und von ihren Märtyrern weggeschaut. Die Wurzeln des Christentums mit seiner Option für die Armen sind in Europa schon längst in die Vergessenheit gedrängt. Was ist der Grund für die „Exkommunikation“ von Papst Franziskus durch die bürgerliche Presse, die von Humanisten allerdings auch als Auszeichnung gesehen werden kann?

Ganz allgemein gesprochen stößt bei den europäisch nordatlantischen Amtskirchen der von Papst Franziskus angestoßene synodale Weg der Weltkirche auf Widerstand, weil diese mit ihren rechthaberischen Strukturen und ihrer Dekadenz die Notwendigkeit des missionarischen Aufbruchs der Christenheit hin zu der von den Reichen erniedrigten, unterdrückten und armen Mehrheit der Menschen in der Welt nicht erkennen wollen. Ende September d. J. hat Papst Franziskus in Marseille die europäischen Staaten mit ihrem deutschen Zentrum aufgefordert, im Mittelmeer nicht die Menschenwürde zu begraben.[1] Darüber wurde hierzulande nichts berichtet, aber das neue, an alle „Menschen guten Willens“ adressierte Apostolische Schreiben „Laudate Deum“ über die globale Klimakrise vom 4. Oktober 2023 kann nicht totgeschwiegen werden. Deshalb wird es als Papier eines politischen Dilettanten denunziert. Was sagt der Papst, der seine Sympathien für die Klimaaktivisten ausgedrückt und in Rom eine Gruppe junger Klimaaktivisten empfangen hat? Sich ihre stets im Interesse der herrschenden Klasse ausgeübten Unterdrückungsfunktionen aufgreifend werden solche Klimaaktivisten von der Justiz im wieder Kriege führenden Deutschland vor Gericht gezerrt und vor wenigen Tagen in Heilbronn richtungsweisend zu unbedingten Haftstrafen verurteilt.

Unter anderem sagt Papst Franziskus:[2]

Es sind nun schon acht Jahre seit der Veröffentlichung der Enzyklika Laudato si‘ vergangen. Damals wollte ich mit euch allen, meinen Schwestern und Brüdern auf unserem leidenden Planeten, meine tiefe Besorgnis um den Erhalt unseres gemeinsamen Hauses teilen. Aber mit der Zeit wird mir klar, dass wir nicht genügend reagieren, während die Welt, die uns umgibt, zerbröckelt und vielleicht vor einem tiefen Einschnitt steht. Abgesehen von dieser Möglichkeit besteht kein Zweifel daran, dass die Auswirkungen des Klimawandels das Leben vieler Menschen und Familien zunehmend beeinträchtigen werden. Wir werden seine Folgen unter anderem in den Bereichen der Gesundheit, der Arbeitsplätze, des Zugangs zu den Ressourcen, des Wohnraums und der Zwangsemigration spüren.

Wenn wir über den Klimawandel sprechen, beziehen wir uns auf eine globale Wirklichkeit – mit ständigen lokalen Abweichungen -, die über mehrere Jahrzehnte anhält.

Aber die Wirklichkeit ist, dass ein kleiner Prozentsatz der Reichsten auf der Erde die Umwelt mehr verschmutzt als die ärmsten 50 Prozent der gesamten Weltbevölkerung und die Pro-Kopf-Emissionen der reichsten Länder um ein Vielfaches höher sind, die der ärmsten. Wie können wir vergessen, dass Afrika, wo mehr als die Hälfte der ärmsten Menschen der Welt leben, nur für einen winzigen Bruchteil der in der Geschichte angefallenen Emissionen verantwortlich ist?

Die natürlichen Ressourcen, die die Technologie benötigt, wie Lithium, Silizium und viele andere, sind gewiss nicht unbegrenzt, aber das größte Problem ist die Ideologie, der eine Besessenheit zugrunde liegt: Die menschliche Macht über alles Vorstellbare hinaus zu steigern, für die die nicht-menschliche Wirklichkeit nur eine Ressource zu ihren Diensten ist.

In welchen Händen liegt so viel Macht, und in welche Hände kann sie gelangen? Es ist überaus gefährlich, dass sie bei einem kleinen Teil der Menschheit liegt [Zitat aus Enzyklika Laudato si‘].

Der ethische Verfall der tatsächlichen Macht wird durch Marketing und falsche Informationen verschleiert, die nützliche Mechanismen in den Händen derer sind, die über größere Mittel verfügen, um durch diese die öffentliche Meinung zu beeinflussen.

Die Logik des maximalen Profits zu den niedrigsten Kosten, verschleiert als Rationalität, als Fortschritt und durch illusorische Versprechen, macht jede aufrichtige Sorge um das gemeinsame Haus und jede Sorge um die Förderung der Ausgestoßenen der Gesellschaft unmöglich.

Es ist eine Sache, eine gesündere Einstellung zum Wert der Anstrengung, zur Entwicklung der eigenen Fähigkeiten und zu einem lobenswerten Initiativgeist zu haben, wenn aber keine wirkliche Chancengleichheit angestrebt wird, wird dies leicht zu einer Projektionsfläche, die die Privilegien einiger weniger mit größerer Macht weiter festigt.

Die Forderung, die überall auf der Welt von unten kommen, wo sich engagierte Personen aus den unterschiedlichsten Ländern gegenseitig helfen und begleiten, können letztlich Druck auf die Machtverhältnisse ausüben. Es ist zu hoffen, dass dies im Hinblick auf die Klimakrise geschieht.

Es ist also festzustellen, dass es durchaus hilft, große Transformationsprozesse in Gang zu setzen, die aus der Tiefe der Gesellschaft heraus wirken, auch wenn dies quantitativ gesehen nicht unmittelbar zu sehr relevanten Auswirkungen führt.

Wenn wir bedenken, dass die Emissionen pro Person in den Vereinigten Staaten ungefähr doppelt so hoch sind wie die eines Einwohners von China und circa siebenmal so hoch wie der Durchschnitt der ärmeren Länder, dann können wir bekräftigen, dass eine umfassende Veränderung des unverantwortlichen Lebensstils, der mit dem westlichen Modell verbunden ist, eine bedeutende langfristige Wirkung hätte.


[1] Ansprache vom 22. September2023. L’Osservatore Romano vom 29. September 2023.

[2] „Laudate Deum“: Apostolisches Schreiben an alle Menschen guten Willens über die Klimakrise (4. Oktober 2023) | Franziskus (vatican.va)

Quelle: Zeitung der Arbeit

ÖsterreichVatikanZeitung der Arbeit