Kriminalisierung und Verfolgung der Palästina-Solidarität
Übernommen von Zeitung der Arbeit:
Israel hat vor einigen Tagen den Waffenstillstand mit der Hamas im Gazastreifen beendet. In den letzten 24 Stunden sind bei israelischen Angriffen mehr als 700 Menschen ermordet worden. In Österreich wird unterdessen ein zunehmendes Klima der Kriminalisierung und Verfolgung gegen Solidarität mit dem palästinensischen Volk geschaffen. Neuestes Ziel der Angriffe ist der Wiener Verein Dar Al-Janub.
Wien. Die Dokumentationsstelle politischer Islam hat einen Bericht mit dem Titel „Politischer Islam von links? Der Verein Dar al Janub (arabisch für „Haus des Südens“) als Bindeglied zwischen Islamismus und radikaler Linken“ veröffentlicht. Wie der Titel des Berichts schon zeigt, geht es einmal mehr darum, jede Solidarität mit Palästina zu diffamieren und zu kriminalisieren.
Schon in der Einleitung des Berichts wird klar, was sein Sinn und Zweck ist. Es soll eine Zusammenarbeit und inhaltliche Überschneidung zwischen dem politischen Islam, religiösem Fundamentalismus und der politischen Linken konstruiert werden. Schon zu Beginn werden dafür Begriffe wie „Woke-Islamism“ aufgeworfen und genutzt. Wer den Begriff googelt wird bspw. bei der CDU-nahen Konrad Adenauer Stiftung fündig. Dort wird der Terminus genutzt, um linke Sozialdemokraten wie Jeremy Corbyn zu diffamieren und eine Zusammenarbeit von Corbyn mit Islamisten zu unterstellen.
Vorwürfe gegen Dar al Janub
Kritisiert wird die Zusammenarbeit von Dar al Janub mit verschiedenen linken Initiativen und Organisationen. Namentlich genannt werden im Bericht die Antiimperialistische Koordination, die Kommunistische Jugend und das Antifaschistische Aktion – Infoblatt.
Im Mittelpunkt der Angriffe gegen Dar al Janub stehen allerdings nicht die linken Kooperationspartner für verschiedene Veranstaltungen, sondern der Vorwurf, Terrororganisationen zu unterstützen. Dieser soll einerseits dadurch belegt werden, dass man mit der Solidaritätsorganisation für palästinensische politische Gefangene Samidoun kooperiert. Die Organisation wurde in Deutschland verboten, weil sie sich weigerte, ihre Solidarität mit politischen Gefangenen in Israel einzuschränken. Konkret wurde der Organisation vorgeworfen, auch gefangene Hamas-Mitglieder zu unterstützen.
Andererseits wird kritisiert, dass Dar Al Janub auch mit Führungspersönlichkeiten der Hamas und der Hisbollah gesprochen hat. Der Angriff folgt der westlichen Logik, politische Organisationen, die den eigenen politischen Zielen im Ausland im Weg stehen, mit dem Vorwurf eine Terrororganisation zu unterstützen, zu delegitimieren. Eine Methode, die sich in der Vergangenheit nicht nur gegen Organisationen des politischen Islam richtete, sondern wahlweise auch gegen verschiedene fortschrittliche, antiimperialistische und kommunistische Organisationen verwendet wurde, wenn diese gezwungen waren, bewaffnet zu kämpfen.
Antisemitismusvorwurf und BDS-Bewegung
Schon seit längerem wird in Österreich versucht die Bewegung Boycott, Divestment, Sanctions (auf Deutsch: Boykott, Desinvestition, Sanktionen) als antisemitisch zu diffamieren. BDS fordert nach dem Vorbild einer Kampagne gegen das Apartheidregime in Südafrika ein Ende der Zusammenarbeit mit Israel, solange es das palästinensische Volk weiter unterdrückt. Immer wieder wird Kampagne mit der antisemitischen Kampagne des deutschen Faschismus „Kauft nicht bei Juden!“ in den 1930er Jahren verglichen. Ignoriert wird dabei die Unterstützung für BDS durch zahlreiche israelische und jüdische Intellektuelle, wie Ilan Pappe. Israel wird dabei einmal mehr in völlig unzulässiger Weise mit dem Judentum gleichgesetzt, jüdische Kritik am Zionismus soll unsichtbar gemacht werden.
Zum dünnen Vorwurf der Zusammenarbeit mit Organisationen des politischen Islam – konkret der Hamas, dem Islamischen Jihad und der Hisbollah – gesellt sich ein Antisemitismusvorwurf. Dieser soll durch personelle Überschneidungen zwischen Dar al Janub und BDS Österreich untermauert werden.
DPI als politischer Think-Tank
Der Österreichische Fonds zur Dokumentation von religiös motiviertem politischen Extremismus – kurz Dokumentationsstelle des politischen Islam – soll den Eindruck einer unabhängigen, wissenschaftlich arbeitenden Institution erwecken. Gegründet wurde der Fonds im Jahr 2020 auf Initiative von Familien- und Integrationsministerin Susanne Raab (ÖVP) von der ÖVP-Grünen-Regierung. Dem vorangegangen war die Aufnahme des „Kampfes gegen den politischen Islam“ in das ÖVP-FPÖ Regierungsprogramm von 2019.
Yannick Shetty, Nationalratsabgeordneter der NEOS, kritisierte im Oktober 2020 in einer Sitzung des Nationalrates die Gründung der Einrichtung als fragwürdig. Er wies einerseits darauf hin, dass für viele Angehörige des Islams in Österreich der Eindruck bestehe, unter Generalverdacht gestellt zu werden, da es für keine andere religiöse Strömung in Österreich etwas Vergleichbares gibt. Andererseits erklärte er, dass sich bereits beim Österreichischen Integrationsfonds die sehr eingeschränkte politische Kontrolle durch den Nationalrat gezeigt habe und dieser mit „Haus- und Hofexperten“ als politischer Stichwortgeber für die ÖVP agiere.
Bei der Dokumentationsstelle des politischen Islams handelt es sich also mitnichten um eine unabhängige, wissenschaftliche Einrichtung. Vielmehr produziert sie Ideologie, um die österreichische Unterstützung für das Besatzungs‑, Siedlungs- und Vertreibungsregime Israels zu rechtfertigen und Kritik zu delegitimieren, nicht zuletzt als Stichwortgeber für eine mögliche Kriminalisierung von Organisationen. Untermauert wird das auch durch die Einsetzung von Lisa Fellhofer als Direktorin des Fonds. Fellhofer war zuvor Leiterin für Wissensmanagement und Internationales im Österreichischen Integrationsfonds.
Gegen Diffamierungen und Kriminalisierung
Die Veröffentlichung des Berichts durch die Dokumentationsstelle löste sogleich auch einen politischen Schlagabtausch aus. Die FPÖ fordert von Innenminister Karner (ÖVP) ein sofortiges Verbot des Vereins Dar al Janub. Außerdem attackiert die Partei die SPÖ und wirft ihr die Tolerierung oder sogar Förderung von islamistischen Vereinen vor, weil Dar al Janub seinen Vereinssitz in einem Wiener Gemeindebau hat. Eine ähnliche Attacke kam von der Integrationssprecherin der Wiener ÖVP, Caroline Hungerländer. Sie forderte eine Prüfung und kündigte an, eine Sachverhaltsdarstellung bei der Staatsanwaltschaft einbringen zu wollen.
Safak Akcay, SPÖ-Gemeinderätin und Integrationssprecherin, konterte auf die Angriffe damit, dass der zweite Schritt nicht vor dem ersten erfolgen könne. Gefordert wurde, dass Innenminister Karner und der Verfassungsschutz tätige werden müssen.
Dar al Janub weist die Vorwürfe und Angriffe zurück. In einer Aussendung schreibt der Verein: „Unsere klare Haltung gegen (Neo)Kolonialismus und antimuslimischen Rassismus wird dabei als ‚radikal‘ diffamiert. Dar al Janub betont, dass wir uns von diesen Begriffen nicht distanzieren, sondern sie als integralen Bestandteil unseres Engagements für Frieden und Gerechtigkeit weltweit verstehen.“ Weiteres wird angekündigt, „juristische Schritte gegen diese medialen Diffamierungen und Bestrebungen einer behördlichen Auflösung“ zu prüfen. Abschließend erklärt sich der Verein „offen für Gespräche und Diskussionen, um Missverständnisse auszuräumen und Lösungen für Frieden und Gerechtigkeit zu finden“.
Nicht der erste Angriff
Der Angriff auf Dar al Janub ist nicht der erste Versuch, die Solidarität mit den Opfern des israelischen Krieges in Gaza und des Besatzungs- und Siedlungsregime im Westjordanland zu unterdrücken. In mehreren Städten wurden Solidaritäts- und Friedensdemonstrationen verboten.
Mit Unterstützung durch den Vorsitzenden der israelitischen Kultusgemeinde Oskar Deutsch wird versucht, den Slogan „From the river tot he sea – Palestine will be free“ (auf Deutsch: Vom Fluss bis zum Meer – Palästina wird frei sein) zu kriminalisieren. Behauptet wird, dass dieser Vernichtungsfantasien gegen Jüdinnen und Juden zum Ausdruck bringen würde. Tatsächlich geht er aber auf die Forderung der Fatah in den 1970er Jahren nach einem gemeinsamen, demokratischen, säkularen Staat von allen Menschen, die in Palästina leben, zurück.
In Linz wurde vor einer Woche sogar der Slogan „From the river tot he sea – all people will be free“ (auf Deutscht: Vom Fluss bis zum Meer – alle Menschen werden frei sein) versucht zu kriminalisieren. Eine Person wurde wegen eines entsprechenden Transparents von der Polizei angezeigt.
Quelle: DPI/OTS/ORF/Nationalrat/KAS/ZdA/ZdA
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