Die Watschen an den Absender zurückgeben
Übernommen von Zeitung der Arbeit:
Ein Kommentar von Tobia Carfora, Spitzenkandidat der Kommunistischen Liste bei den Arbeiterkammer-Wahlen in Tirol.
Die Verhandlungen über den Kollektivvertrag im Handel laufen seit Ende Oktober und waren von Betriebsversammlungen, emotionalen Kundgebungen und Warnstreiks während der Weihnachtssaison begleitet. Die Gewerkschaft forderte zunächst eine Gehaltserhöhung von elf Prozent, während die sogenannten Arbeitgeber ihr Eröffnungsangebot erst in der dritten Verhandlungsrunde mit einem Plus von fünf Prozent und einer Einmalzahlung von 800 Euro unterbreiteten.
Dies und die vielbesprochenen KV-Verhandlungen der Metallerinnen und Metaller haben hier in Österreich zum bekannten und auch passenden Ausspruch „mit den Einmalzahlungen können’s scheißen gehen!“ geführt. Denn während Boni, sogenannte Teuerungsprämien und eben Einmalzahlungen von massiven Steuererleichterungen für die Unternehmen begleitet sind, bringen sie den Werktätigen nur eine kurze Erleichterung, die sich auf ein bis zwei Monate ihres Lebens positiv auswirken.
Auf lange Sicht bedeuten sie aber geringere Lohnabschlüsse, denn sie fehlen bei der Berechnungsgrundlage für eine Lohnerhöhung im kommenden Jahr. Sie sind eben ein Schlummertrunk, um die Angestellten im rechten Moment einschlafen zu lassen und beim nüchternen Erwachen wieder auf sich selbst gestellt zu belassen. Denn die Menschen werden auch weiterhin mit einer gnadenlosen Inflation zu kämpfen haben, die alle Ersparnisse auffressen und ein normales Leben verunmöglichen wird. Dass die Einmalzahlungen ein Tropfen auf dem heißen Stein bedeuten, ist den meisten Werktätigen und den Gewerkschaften auch bewusstgeworden. Sie nützen dem sogenannten Arbeitgeber letztendlich mehr, als dem Arbeitnehmer.
So manche Begriffe, die sich im bürgerlichen Jargon verfestigt haben, sind dabei mit Vorsicht zu behandeln. Denn Arbeitgeber sind in Wirklichkeit die arbeitenden Menschen selbst: Sie geben ihre Arbeitskraft für einen meist geringen Lohn her. Die Unternehmer dagegen nehmen diese Arbeitskraft weg und sind Arbeitnehmer in der Hinsicht, dass sie von der Arbeit anderer profitieren.
Auch nach der sechsten Verhandlungsrunde für den Handelsangestellten-Kollektivvertrag, die etwa neun Stunden dauerte, wurde kein Ergebnis zwischen Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite erzielt. Der von der Gewerkschaft angebotene „letzte Preis“ wäre ein sozial gestaffelter Gehaltsabschluss zwischen 8,58 und 9,38 Prozent gewesen, der im Schnitt ein Plus von 8,96 Prozent bedeutet hätte. Dem hat die Wirtschaftskammer einen Riegel vorgeschoben. Dies liegt mitunter daran, dass die Warnstreiks, auf die die Gewerkschaftsführung stark gesetzt hatte, nicht den erwünschten Erfolg gebracht haben – gemeinsame branchenübergreifende Initiativen etwa im Kontext der Metaller-KV-Verhandlungen oder den KV-Verhandlungen in der österreichischen Sozialwirtschaft (SWÖ), die der Bewegung Aufwind und mehr Schlagkraft verliehen hätten, kamen ebenso nicht zustande. Stattdessen schlägt die Wirtschaftskammer allen Ernstes den Mitgliedsunternehmen vor, die kollektivvertraglichen Mindestgehälter auf freiwilliger Basis um acht Prozent zu erhöhen.
Der Handels-KV nun betrifft die Gehälter von 430.000 Angestellten und 15.000 Lehrlingen, was ihn zum größten Branchenkollektivvertrag in Österreich macht. Es darf nicht unausgesprochen bleiben, dass fast zwei Drittel der Angestellten Frauen sind, wobei der Frauenanteil im Einzelhandel noch etwas höher liegt. Etwa 60 Prozent der Frauen im Handel arbeiten in Teilzeit, im Gegensatz dazu liegt die Teilzeitquote bei Männern nur bei etwa 13 Prozent.
Hier wird ersichtlich, wie wenig Wertschätzung Frauen in der österreichischen Gesellschaft tatsächlich entgegengebracht wird. Man kann sich nicht auf der einen Seite mit Erfolgen einer fortschrittlichen und aufgeklärten Gesellschaft brüsten und zugleich aber andererseits eine riesengroße Sparte in der Arbeit gänzlich vernachlässigen, die eindeutig weiblich dominiert ist. Es zeigt sich auch hier, dass ohne die Angestellten, ohne diese Frauen und Männer, die tagtäglich hinter der Kassa stehen, Regale einräumen, die Kundinnen und Kunden zufriedenstellen und das Geschäft buchstäblich am Laufen halten, die Gesellschaft wie wir sie kennen zusammenbrechen würde. Es zeigt aber auch den Grundtenor des Kapitalismus: Es ist recht und billig, wenn einige wenige Frauen in Vorstandsetagen sitzen, CEO-Posten übernehmen oder hohe Ämter in der Politik bekleiden – Hauptsache, eine große Mehrheit arbeitender Frauen unter ihnen wird weiterhin unterdrückt, unter einem würdevollen Lebensniveau verbleibend, aber doch arbeitsfähig und profitbringend.
Die Stärke der Gegnerseite ist gerade die Schwäche der Gewerkschaft, die mit einer viel zu niedrigen Ausgangsforderung in die Verhandlungen eingestiegen ist und nun vor der immer gleichlautenden Antwort der Wirtschaftskammer stehenbleibt: Für die Betriebe „nicht leistbar“. Kraft und Stärke der Lohnabhängigen, die ihre Arbeitskraft verkaufen müssen, um zu überleben (weil sie nichts anders haben), ist die Organisation. An dieser Stelle und in einer Jahreszeit, wo gerade diese Arbeitskraft noch mehr gebraucht wird als sonst, sind Kampfmaßnahmen an der Tagesordnung, um die Interessen der im Handel arbeitenden Menschen zu untermauern. Gespräche auf „höherer Ebene“ zwischen ÖGB-Chef Wolfgang Katzian und Wirtschaftskammer-Präsident Harald Mahrer, wie sie vonseiten der Gewerkschaft gefordert werden, können nicht anders als in sozialpartnerschaftlicher Packelei enden und wer weiß, wie lange sich die Angestellten das noch bieten lassen und nicht am Ende sagen: „mit dieser Sozialpartnerschaft können’s scheißen gehen!“ und die Sache selbst in die Hand nehmen.
Vielmehr ist es an der Zeit, die Kämpfe, ausgehend von den bisher absolvierten Warnstreiks und Kundgebungen, auszuweiten und in eine andere Gangart zu wechseln. Dieses noch unausgeschöpfte, aber vielerorts durch vernünftige und effektive Gewerkschaftsarbeit an der Basis aktivierte Potential, sollte genau jetzt genutzt werden, ehe es wieder einsackt. Es ist an der Zeit, die von der Wirtschaftskammer ausgeteilte Watschen mit vereinter Kraft an den Absender zurückzuschicken, vom Warnstreik zum Streik und vom Streik zum Generalstreik.
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Quelle: Zeitung der Arbeit