30. November 2024

Polizei marodiert

Am Mittwoch, den 20. Dezember sind um sechs Uhr früh in Berlin acht Objekte, darunter sechs Wohnungen, von 170 Polizisten durchsucht und verwüstet worden. Die Aktion richtete sich vordergründig gegen die feministische Organisation Zora. Der Vorwurf: „Solidarität mit Palästina“, genauer: „Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger und terroristischer Organisationen“ – der in Deutschland nicht verbotenen Volksfront für die Befreiung Palästinas (PFLP). Die Aktion reiht sich in eine ganze Serie der Repression ein.

70.000 bis 100.000 Palästinenser leben in Berlin, schätzt die Tageszeitung „nd“. Das ist die größte palästinensische Diaspora außerhalb des arabischen Raums. Offiziellen Angaben des Statistischen Bundesamtes zufolge sind es nur 645 Menschen. Eine erhebliche Diskrepanz, die die aktuelle Situation widerspiegelt.

Nach der Flächenbombardierung Gazas durch die israelischen Streitkräfte und Ausschreitungen radikaler Kolonialisten in der Westbank Anfang Oktober kam es in Berlin schnell zu großen Solidaritätsaktionen, die von der Staatsmacht mit massiver Repression und Gewalt unterbunden wurden. Cafés wurden gestürmt, Kufiyas als verboten erklärt, Parolen der palästinensischen Solidaritätsbewegung illegalisiert, Nord-Neukölln paramilitärisch durch die Polizei belagert, Jüdinnen und Palästinenser verhaftet. Wochenlang wurden sämtliche Demonstrationen verboten.

Der Versuch, so den Druck der Straße unsichtbar zu machen, konnte von der Berliner Polizei nicht lange durchgehalten werden. Zu viele Versammlungsanmeldungen gab es, zu viele Menschen wollten klar zeigen, dass die deutsche „Staatsräson“ nicht die ihre ist. Die Taktik wurde geändert: Versammlungen wurden mit Auflagen und Ortsverlegungen schikaniert, gegen Organisationen und Einzelpersonen wurde vermehrt versucht, mit den Paragraphen 86, 86a, 130 und 140 StGB vorzugehen. So auch am Mittwoch.

Zu den von den Hausdurchsuchungen betroffenen Objekten gehören das Kulturcafé Karanfil in Berlin-Neukölln und das InterBüro in Berlin-Wedding. Bei beiden brach die Polizei Türen auf und verwüstete die Räume. Im Kulturcafé beschädigte und zerstörte sie Musikinstrumente. Im InterBüro bohrte sie Spinde auf und beschlagnahmte Laptops und eine unbekannte Zahl von Gegenständen – ohne Rechtsanwalt Alexander Gorski ein Beschlagnahmungsprotokoll auszuhändigen. Der Betreiber des Kulturcafés wurde über die Durchsuchung informiert, meldete „junge Welt“. Der Trägerverein des InterBüros hingegen, Interbrigadas e. V., wurde bislang nicht von der Polizei informiert. Während der Durchsuchung war kein Vertreter des Vereins zugegen.

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Aufgebrochene Spinde im InterBüro (Foto: InterBüro

„Das InterBüro bietet seit der aktuellen Eskalation des Krieges einen Raum zur Begegnung im Wedding. Bei Tee und Gebäck wurde ein friedliches Diskussions- und Kulturangebot geschaffen“, erklärte Torben Müller, bündnispolitischer Sprecher der DKP Wedding, gegenüber UZ. „Doch auch dieser Veranstaltungen standen sichtbar unter Beobachtung von Zivilpolizisten. Die jetzige Razzia ist ein weiterer Versuch, den Ort und seine Besucher zu kriminalisieren und einzuschüchtern.“

Einschüchtern wolle man sich nicht lassen, stellt Hussein Jebabli vom InterBüro klar. Man werde sich weiter für Frieden im Nahen Osten einsetzen. Gerade das offene Palästina-Café sei zu einem Anlaufpunkt für die Nachbarschaft geworden. Auch Weihnachten werde es fortgesetzt.

Während Antideutsche ihr „Nie wieder Deutschland“ gegen ein „Für Deutschland“ eingetauscht haben und ungestraft im Beisein der Polizei den Genozid am palästinensischen Volk fordern dürfen, wird auf der anderen Seite ein Instagram-Post als Anlass für Hausdurchsuchungen genommen. Zora hatte am 12. Dezember unter dem Titel „Keine Befreiung der Frau ohne die Befreiung Palästinas“ in dem sozialen Netzwerk geschrieben, man wisse, dass die Hamas kein Interesse daran habe, das Patriarchat zu zerschlagen, gerade deshalb sei es so wichtig, Kräfte wie die PFLP als „Teil des palästinensischen Widerstands zu stärken“. Das Ziel der Repressionsmaßnahmen ist den Betroffenen klar: Einschüchterung junger Linken und Behinderung der Solidaritätsarbeit für Palästina.

Im Rahmen der deutschen Suche nach dem „Platz an der Sonne“ gehören Durchführung, Rechtfertigung oder Unterstützung von Völkermord fast schon zur Tradition. Was sind schon Menschenrechte und Völkerrecht, wenn man sich auf „feministische Außenpolitik“ beruft.

Die finanzielle, militärische, politische und moralische Unterstützung Israels, die Aufstellung der NATO-Ostfront gegen Russland, die exorbitante Aufrüstung Deutschlands und der EU sollen ohne Widerstand aus der Bevölkerung stattfinden. Zur Finanzierung dieser Großmachtbestrebungen wird in den nächsten Jahren massiv in sozialen Bereichen gekürzt. Wer gegen die Kriegstüchtigkeit Deutschlands arbeitet, wer sich mit Entrechteten solidarisiert, erfährt zunehmend Repression.

Quelle: Unsere Zeit

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