Die Farce des Salon-Antifaschismus
Übernommen von Zeitung der Arbeit:
Ein Kommentar von Otto Bruckner, stellvertretender Vorsitzender der Partei der Arbeit Österreichs (PdA).
Zehntausende Menschen protestierten Freitagabend in mehreren Städten Österreichs gegen Rechtsextremismus. Die Kundgebungen und Demonstrationen fanden unter dem Motto „Demokratie verteidigen“ statt. Inspieriert von den Protesten gegen die AfD in Deutschland, richtete sich der Protest in Österreich vor allem gegen die FPÖ und gegen rassistische Hetze im Allgemeinen.
Es gibt allerdings, wie die Kundgebung in Wien zeigte, gute und schlechte Rechtsextremisten. Eine Gruppe von Menschen, die mit Palästina-Fahnen erschienen waren und auf den gerade stattfindenden Genozid im Gazastreifen aufmerksam machen wollten, wurde vertrieben.
„Am entgegengesetzten Ende der Kundgebung nahe des Burgtheaters umstellte die Polizei eine Gruppe von mehreren Dutzend Menschen mit Palästina-Fahnen und Spruchbändern wie ‚Zionism is Fascism‘ oder ‚From the river to the sea Freiheit und Demokratie‘, die versuchten, die Kundgebung zu stören, aber rasch von anderen Demonstranten abgedrängt wurden“ berichtet Der Standard. Moderatorin Katharina Stemberger habe extra darauf hingewiesen, dass palästinensische Flaggen unerwünscht seien und die Leute, die sich mit Palästina solidarisieren wollten, mit einem „Schleichts euch“ bedacht.
In ihrer Selbstgerechtigkeit fällt den notorischen „Gutmenschen“ wohl gar nicht einmal auf, wie doppelbödig sie sich verhalten. Denn ein Herbert Kickl ist ein harmloser Krakeler im Vergleich zu den Rechtsextremen, die in Israel regieren. Offen faschistisch gesinnte Minister sind dort Teil der Regierung. Sie betreiben vor den Augen der Welt einen Genozid an der palästinensischen Bevölkerung.
Südafrika hat Israel beim Internationalen Gerichtshof wegen Völkermord angeklagt: Zu den Vorwürfen gehören laut einer Zusammenfassung der Wiener Zeitung wahllose Gewalt, die Vertreibung der Bevölkerung sowie der Entzug von Nahrung, Kleidung, Wasser, humanitärer Hilfe und sicheren Zufluchtsstätten. Die Anklage führt aus, dass Israel im Gazastreifen Palästinenser:innen in großer Zahl tötet, ihnen schwere körperliche und psychische Schäden zufügt und Maßnahmen unternimmt, um Geburten palästinensischer Kinder zu verhindern. Südafrika führt dabei Aussagen israelischer Politiker an, etwa eine des israelischen Verteidigungsministers Yoav Gallant: „Wir werden eine absolute Blockade um die Stadt Gaza legen. Kein Strom, keine Nahrung, kein Wasser, kein Treibstoff. Alles wird abgeriegelt sein. Wir kämpfen gegen menschliche Tiere und handeln entsprechend.“ Südafrika setzt auch auf die Aussage des israelischen Landwirtschaftsministers Avi Dichter, der in einem Interview auf die Frage, ob es sich beim Vorgehen Israels gegen die Hamas um die „Gaza Nakba“ handle, antwortete: „Gaza Nakba 2023 – das ist es, womit es enden wird.“ Israels Finanzminister Bezalel Smotrich hat in eine ähnliche Kerbe geschlagen, als er meinte, Israel solle die „freiwillige Ausreise“ von Palästinenser:innen aus dem Gazastreifen unterstützen.
Auch gegen die in der Ukraine zum nationalen Selbstverständnis gewordene Berufung auf die faschistischen Führer der Vergangenheit, allen voran Stepan Bandera, hat man nichts einzuwenden. Sogar die Grazer KPÖ-Bürgermeisterin spendet Geld an den Lwiwer Bürgermeister und Bandera-Verehrer unter dem Titel einer „Projektpartnerschaft“.
Oder wurde irgendwo bei diesen Kundgebungen auch gegen die faschistischen Ergüsse, die nur 700 km von Wien entfernt tagtäglich von Regierenden und Medien verbreitet werden, protestiert? Zumindest haben wir nichts davon gehört.
Gegen den hiesigen Rechtsextremismus zu sein, ist eine gute Sache. Dieser Protest ist wohlfeil und billig und ermöglicht es sogar, dass die Grünen gegen die unmenschliche Asylpolitik ihrer eigenen Regierung protestieren können. Dazu kommt, dass die politische Praxis im Asyl- und Fremdenrecht, die von ÖVP‑, aber auch früheren SPÖ-Innenministern angewandt wurde, keinen Unterschied zu dem macht, was Kickl in seiner kurzen Zeit im Innenministerium veranstaltete. Erinnern wir uns an Schlögl und Löschnak (SPÖ), Sobotka und Mikl-Leitner (beide ÖVP). Auch der aktuelle Innenminister und der Bundeskanzler der ÖVP verwenden nur eine etwas „vornehmere“ Variante der Kicklschen Abschieberhetorik.
Wenn Palästinenser, die auf den Genozid an ihrem Volk hinweisen wollen, auf einer antifaschistischen kundgebung mit „Schleichts Euch“ bedacht werden, ist das zynisch, doppelbödig und unglaubwürdig. Der Salon-Antifaschismus der „Gutmenschen“-Promis hört dort auf, wo wirkliche Faschisten an der Macht oder in hohen Ämtern sind. Denn der Mainstream billigt Israel das Recht auf jedes Verbrechen zu, und die ukrainischen Bandera-Verehrer kämpfen selbstverständlich für die „Demokratie“. Was für eine Farce!
Quelle: Zeitung der Arbeit