Stellungnahme der VKG zu den Anti-AfD-Protesten und wie dagegen kämpfen
Übernommen von: VKG – Vernetzung für kämpferische Gewerkschaften
Seit einigen Wochen erleben wir eine bisher ungekannte Massenmobilisierung gegen die AfD, nachdem bekannt wurde, dass zum Teil führende Personen der AfD mit Neo-Nazis, Mitgliedern der rechtskonservativen Werteunion, anderen rechten Gruppierungen und Unternehmern in Potsdam über das Vorhaben einer Remigration berieten. Remigration steht für eine Strategie der„Rückführung“ bzw. erzwungenen Ausweisung von Millionen von Menschen mit Migrationshintergrund in ihre „Herkunftsländer“. Darüber hinaus wurde in diesem faschistischen Kreis nahegelegt, dass Menschen, die „anders“ sind, anders denken oder gar Gegner der AfD sind, doch gleich mit den ausgewiesenen „Nichtdeutschen“! verschwinden sollten.
Millionen von Menschen empören sich – berechtigter- und erfreulicherweise – gegen dieses offen nazistische Ansinnen. Sie gehen deshalb, vorwiegend unter dem Motto „für die Demokratie“ gegen die AfD auf die Straße. Auch in kleineren Städten oder größeren Dörfern gehen die Menschen auf die Straße! Besonders erfreulich ist es, dass auch im Osten der Republik an sehr vielen Orten plötzlich (zum Teil erst wieder seit Langem!) gegen Rassismus, die AfD und Neonazis demonstriert wird.
Die schiere Zahl von 2 ½ bis 3 Millionen demonstrierender Menschen innerhalb von 3 1/2 Wochen (zur Zeit dieser Niederschrift) ist völlig unerwartet und deshalb zusätzlich beeindruckend. Das Besondere an dieser Bewegung ist, dass sie bis in viele kleine Städte und Dörfer reicht.
Gleichzeitig können und dürfen wir die in dieser Bewegung auch vorhandenen inhaltlichen Schwächen und Lücken nicht verschweigen.
Wie kam es zu dieser unerwarteten Entwicklung?
Wir leben in einer Zeit der mehrfachen Krisen, die das herrschende kapitalistische System hervorbringt, die sich zu einer Krise für das Überleben der gesamten Menschheit auswachsen können. Wir gehen hier auf diese Krisen nicht en Detail ein, einige seien hier lediglich kurz genannt: die Klima- und Umweltkrise, die eng verschränkt ist mit der kapitalistischen Wirtschaftsweise und deren Krisen; Hunger- und „Flüchtlingskrise“; Wiederaufflammen „regionaler“ Kriege (Gaza) mit dem „Potential“ sich bis zu einem dritten Weltkrieg (Russland-Ukraine) entwickeln zu können. Es geht dabei um die Neuaufteilung der Welt und der Ressourcen, die in diesem Krieg zwischen USA-Nato auf der einen und China–Russland auf der anderen Seite ausgetragen wird. Letztlich die Austragung der Konkurrenz auf militärischer Ebene.
Das erzeugt, verständlicherweise, weltweit große Zukunftsängste. Daran knüpfen Neonazis und die AfD mit ihren „einfachen“ Losungen und Lösungen an und geben ihre nationalistischen und völkischen „Antworten“. Sie können dabei an die in Krisenzeiten schnell wachsende Unzufriedenheit mit den zahllos vorhandenen Widersprüchen und Missständen in der bürgerlich-kapitalistischen Gesellschaft anknüpfen. In solchen zugespitzten Zeiten können die klassisch bürgerlichen Parteien keine für alle gesellschaftlichen Klassen befriedigende Antwort auf die Krise geben, weil sie als Träger:innen und Profiteur:innen des Systems selber Teil des Problems sind.
Lange Zeit haben sich augenscheinlich Millionen Menschen mit der oben genannten Entwicklung nicht befasst und die Zunahme des Zuspruchs der AfD bei einem großen Teil der Bevölkerung als nicht so gefährlich bewertet. Sie selber schienen ja davon nicht betroffen, sondern „nur“ die Flüchtlinge.
Aber auch wir Linken haben zu diesem nicht vorhanden Bewusstsein beigetragen. Es gab zwar immer wieder Initiativen gegen Pegida oder andere rechte Bewegungen, aber wir haben die Massenorganisationen – allen voran die Gewerkschaften – zu wenig herausgefordert, um eine Antwort auf die zunehmende Verschlechterungen der Lebens- und Arbeitsbedingungen breiter Bevölkerungsschichten zu geben. Die Gewerkschaftsführungen konnten ihren Kurs der immer engeren Zusammenarbeit mit der Regierung und der Unterordnung unter Kapitalinteressen – sei es in ihrer Position zum Ukrainekrieg oder bei den letzten Tarifrunden, in denen nirgends ein Inflationsausgleich durchgesetzt wurde trotz großer Mobilisierungen – sogar noch ausbauen. Sie haben dadurch mit zu der Rechtswende (ob gewollt oder nicht) – auch unter ihrer eigenen Mitgliedschaft – in der Gesellschaft beigetragen.
Inhaltliche Stärken und Mängel der Bewegung gegen die AfD
Die Bewegung gegen Rechts ist politisch nicht homogen. Je nach politischer Zusammensetzung der die Demos und Kundgebungen initiierenden Kräfte sind sie mal mehr oder weniger regierungs- oder kapitalismuskritisch ausgerichtet, wie z. B. in München am 21. Januar oder in Stuttgart am 20. Januar und 24. Februar oder auf mehreren Kundgebungen in Berlin. Aber bei vielen Demonstrationen und Kundgebungen ist die inhaltliche Ausrichtung auf die Verteidigung der „Demokratie“ eingeschränkt. Natürlich ist es wichtig und treten auch wir Linken für die Verteidigung demokratischer Rechte – wie Presse-, Rede-, Versammlungs-, Koalitionsfreiheit etc. – ohne Wenn und Aber ein! Aber das Ziel, das die bürgerlichen Kräfte in diesen Bündnissen (Vertreter:innen der Parteien der Ampelkoalition, Unternehmerverbänden etc.) mit dieser Einschränkung verfolgen ist es, möglichst breite Bündnisse zu schmieden, um von ihrer eigenen Mitverantwortung für den Rechtsrutsch abzulenken und um von den eigentlichen Verursachern der Krise abzulenken.
Was wir aber brauchen, um das noch weitere Ausscheren nach rechts bis hinein in die organisierte Arbeiter:innenbewegung zu stoppen, sind Bündnisse, die nicht Flüchtlinge, Migrant:innen oder andere Schichten in der Gesellschaft für die nicht gelösten sozialen Probleme verantwortlich machen, sondern die wirklich Verantwortlichen der Krise benennen, die dazu auch noch von ihr profitieren – nämlich die großen Banken und international agierenden Großkonzerne und nicht zuletzt die Rüstungsindustrie!
Was wir brauchen sind Bündnisse, die die Kolleg:innen aus den Betrieben und Dienststellen, Arbeitslosen, Jugendlichen, Rentner:innen, Frauen, Migrant:innen und Flüchtlinge gegen die kriegstreiberische und unsoziale Politik vereinen und zu Massenmobilisierungen führen bis hin zu politischen Streiks. In Regionen, in denen tatsächlich ein Wahlsieg der Rechten droht, kann letztlich nur ein Generalstreik aller Branchen die Machtübernahme verhindern – das sind die Lehren aus der Geschichte!
Dafür muss aber auch der Zusammenhang zwischen der in Krisenzeiten zugespitzten unsozialen Politik der bürgerlichen Parteien und vor allem deren Abdeckung durch die Politik der Gewerkschaftsspitzen aufgezeigt werden. Diese verstärkte Zusammenarbeit äußert sich heute z.B. in den Lohnabschlüssen, der vergangenen Jahre, die allesamt unter der Inflationsrate liegen (Reallohnabbbau!). Damit stärken auch sie (sicherlich nicht gewollt, aber dennoch) den Aufstieg der AfD und den Rechtsrutsch, da sie keine konsequent kämpferische Antwort auf die sozialen Verwerfungen geben. Und noch schlimmer, damit wird letztendlich der Aufbau einer wirkungsvollen Widerstandsfront der Lohnabhängigen, Jugendlichen, Rentner:innen etc. blockiert! Denn die soziale Scheinpolitik der AfD, die den Migrant:innen die Schuld für die zunehmende soziale Schieflage in der Gesellschaft zuschiebt, schürt zum einen die Konkurrenz zwischen Einheimischen und Zugezogenen und fischt zum andern bei unzufriedenen Teilen der Arbeiter*innenklasse nach neuen Wähler und Unterstützer*innen.
Diese politische Ausrichtung fehlt bisher auf allen Demos und Kundgebungen.
Es geht also heute darum, an dieser Bewegung anzusetzen und ihr eine politische Stoßrichtung gegen die Politik der Herrschenden und der Abwälzung der Krisenlasten auf die breite Massen der Beschäftigten, Arbeitslosen, Rentner:innen etc. zu geben.
Der gerade beschlossene Sparhaushalt der Regierung mit dem die ganze Aufrüstung der Bundeswehr finanziert werden soll, stellt zum einen einen Angriff auf die Arbeiter*innenklasse, die für die fehlenden Milliarden aufkommen sollen, dar und ist gleichzeitig Ausdruck, der wortwörtlichen Umrüstung der deutschen Politik und Außenpolitik: Letztlich geht es dabei um den Kampf um die Neuaufteilung der Welt: genauer gesagt um die Absatzmärkte und Ressourcen, in dem der deutsche Imperialismus nicht noch weiter ins Hintertreffen kommen will gegenüber seinen Konkurrenten.
Die Abwälzung der Krisenlasten auf unseren Rücken muss verhindert werden, dafür brauchen wir aber auch unbedingt die Initiative unserer Gewerkschaften, der politischen Parteien – vor allem der Linkspartei -, die sich auf unsere Interessen berufen! Dafür muss aber auch Schluss sein mit der ständigen Unterordnung unserer Gewerkschaftsführungen unter die Politik der Regierung und Kapitalinteressen.
Wann, wenn nicht jetzt, brauchen wir einen konsequenten Kampf unserer Gewerkschaften gegen Hochrüstung und Sozialabbau! Die großen Mobilisierungen gegen die AfD und Rechts müssen von unseren Gewerkschaftsführungen entsprechend dafür genutzt werden.
Wir dürfen aber nicht abwarten bis unsere Gewerkschaften aktiv werden, wir müssen uns selbst für unsere Interessen organisieren und Kampfstrukturen aufbauen, um unseren Kampf zu diskutieren und zu bestimmen gegen jeden faulen Kompromiss und Ausverkauf durch die Gewerkschaftsführungen!
Wir müssen dies aber auch gegenüber den Gewerkschaftsverantwortlichen einfordern und diese nicht aus der Pflicht lassen!
Gestützt auf die Mobilisierungen gegen die AfD, gegen Rassismus und gegen Rechts können die Gewerkschaften anfangen, eine bundesweite Demonstration gegen Sozialabbau und Hochrüstung – wie vom ver.di-Bezirksvorstand München gefordert – zu organisieren. Diese kann auch durch regionale oder lokale Demonstrationen vorbereitet werden, verbunden mit einer Kampagne gegen den beschlossenen Kürzungshaushalt.
Zentrale Forderungen der Demonstration und Kampagne sollen u.a. sein:
- Nein zu Aufrüstung und Kriegstreiberei! Nein zu jeglichen Sozialkürzungen und Verschlechterungen von Rechten der abhängig Beschäftigten!
- Nein zu Kürzungen bei Rente und Leistungsbezügen wie Bürger- und Wohngeld!
- Für eine massive Erhöhung der Steuern auf Gewinne und Vermögen der Banken, Konzerne und Superreichen!
- Für die Aufhebung der Schuldenbremse!
- Nein zum Ausbluten der kommunalen Haushalte und kommunalen Kürzungen, die Kinder, Jugendliche, Frauen, Familien, Migrant*innen, alte Menschen, Menschen mit Behinderung betreffen!
- Für Milliardeninvestitionen in Bildung, Gesundheit, Klima und Soziales!
- Für Rekommunalisierung und Ausbau von Krankenhäusern, ÖPNV, Wohnungsbaugesellschaften unter demokratischer Kontrolle!
- Für Verstaatlichung des Energiesektors unter demokratischer Kontrolle und Verwaltung, um die Preissteigerungen für die Masse der Bevölkerung zu stoppen und eine ökologische Energiewende ohne Verlust von Arbeitsplätzen demokratisch geplant durchzuführen!
Zur Durchführung der Demonstration und Kampagne sollen u.a.:
- Betriebsversammlungen und gewerkschaftliche Veranstaltungen durchgeführt werden
- Lokale Bündnisse mit Sozialverbänden, sozialen Bewegungen und Parteien, die die Forderungen der Kampagne unterstützen und selbst nicht an Sozialkürzungen beteiligt sind, gebildet werden
- eine bundesweite Aktionskonferenz, um eine Strategie für erfolgreiche Gegenwehr zu diskutieren, die auch die Durchführung politischer Streiks beinhaltet und als ersten Schritt eine bundesweite Großdemonstration diskutiert.
Mit einer solchen Kampagne zu verbinden ist die Aufklärung darüber, dass die Politik der AfD gegen die Interessen der arbeitenden Bevölkerung gerichtet ist und jegliche Spaltung wie Rassismus und rechte Ideologien den gemeinsamen Kampf unterläuft.