3. Dezember 2024

Über »Demokratie« und Demokratie

Es ist absolut nichts Neues, aber man kann sich immer wieder begeistern an der Art, wie in der Europäischen Union »Demokratie« definiert wird. Spätestens bei den Volksabstimmungen in Frankreich, den Niederlanden und in Luxemburg zur sogenannten EU-Verfassung haben wir gelernt, daß die Bestimmenden in der EU ein völlig anderes Verständnis über den Sinn und Inhalt des Begriffes Demokratie haben als die alten Griechen, bei denen es ganz einfach »Volksherrschaft« bedeutete. Aber das ist ja nun auch schon ein paar Jährchen her…

In der Europäischen Union hat der Begriff einen bedeutenden Wandel durchgemacht, und »bedeutend« ist hier wörtlich gemeint. Während wohl die meisten Menschen immer noch der – offenbar irrigen – Meinung anhängen, daß Demokratie etwas mit einer Entscheidung durch eine Mehrheit zu tun hat, wird das in Brüssel und offenbar in den anderen Hauptstädten der EU-Länder wesentlich fortschrittlicher interpretiert. Sinngemäß nämlich so: Demokratie ist, wenn »wir« etwas durchsetzen wollen, das Projekt zur Abstimmung vorlegen, die Leute zu einer Wahlurne gehen und per Kreuzchen ihre Meinung kundtun – und »wir« dann entscheiden, ob das Ergebnis unseren eigentlichen Absichten entspricht. Sollte das nicht der Fall sein, dann wird entweder das Ergebnis der Abstimmung für falsch erklärt und das gemeine Volk nochmal an die Urnen gerufen, oder es wird kurzerhand neu interpretiert, natürlich in dem Sinne, den »wir« für richtig halten.

Wie das funktioniert, wird gegenwärtig in Südosteuropa vorgeführt. Da waren nach der erfolgreichen Zerschlagung der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien – mit tatkräftiger Unterstützung durch NATO und EU – mehrere neue Staaten formiert worden. Nicht alles ist dabei gelungen, wobei das Kosovo wohl das krasseste Beispiel sein dürfte. Aber auch mit dem früheren jugoslawischen Bundesland Makedonien (man kann auch Mazedonien sagen) hat man sich ein Langzeitproblem an den Hals geholt. Denn sobald der Name Makedonien als Name eines souveränen Staates auftauchte, läuteten im benachbarten Griechenland etliche Alarmglocken. Dort lernt nämlich jedes Kind in der Schule, daß »Makedonia« und dessen großer König Alexander ein fester und wichtiger Teil der griechischen Geschichte und Kultur sind.

Seitdem muß das neue Staatsgebilde offiziell mit dem sperrigen Namen »Frühere Jugoslawische Republik Mazedonien« zurechtkommen, und alle griechischen Regierungen weigerten sich bisher, den Beitritt der FYROM in die NATO und die EU gutzuheißen. Bis der »linke« Regierungschef Alexis Tsipras sich gemeinsam mit seinem Kollegen in Skopje den Namen »Nord-Mazedonien« ausdachte, auf daß die Erweiterung der NATO – und später auch der EU – auf dem Balkan endlich vorankommen sollte. Daß diese »kluge« Idee bei den meisten Menschen in beiden Ländern nicht gut ankam, ficht die Herren nicht an. Und die Bestimmenden in Brüssel sind davon überzeugt, daß »die Menschen« die Zukunft ihres Landes unbedingt in der NATO und der EU sehen.

Und dennoch kam es, daß nur knapp 37 Prozent der Wahlberechtigten am Referendum zur Bestätigung der neuen Staatsbezeichnung teilnahmen, von denen rund 91,5 Prozent dafür stimmten. Vorerst ist der Beitritt der FYROM zur NATO also ausgebremst worden, und wir warten nun gespannt auf die Vorführung des Zaubertricks, wie man rund 35 Prozent zu einer Mehrheit deklariert. Mindestens zwei Kommissare der EU lassen bereits daran arbeiten.

Uli Brockmeyer

Quelle:

Zeitung vum Lëtzebuerger Vollek

Mazedonien