21. November 2024

Ahvaz und seine bezahlten Revolutionäre

Der Journalist Fehim Taştekin über die Verbindungen der US-Aggressionen gegen den Iran mit dem jüngsten Anschlag in der iranischen Stadt Ahvaz, 02.10.2018

Während die gegen den Iran gerichteten Eindämmungsversuche der Allianz Israels, der USA, Saudi-Arabiens und der Vereinigten Arabischen Emirate langsam an Fahrt aufnehmen, kam es nun vor Kurzem zu einem Anschlag in Ahvaz, der Hauptstadt der iranischen Provinz Huzistan. Bei Feierlichkeiten der Revolutionsgarden anlässlich des irakisch-iranisches Krieges von 1980-88 feuerten mehrere Angreifer in die Menge. 25 Menschen starben und 70 wurden verletzt. Die arabische Gruppe ‚Nationaler Widerstand für Ahvaz‘ bekannte sich zu dem Anschlag. Sie kämpft für die Unabhängigkeit der Provinz. Auch der Islamische Staat (IS) übernahm später die Verantwortung, doch die erst genannte Gruppe wird allgemein hin als Verantwortliche gehandelt.

Iranische Vertreter gaben der USA, Israel und deren Verbündeten in der Golfregion die Verantwortung für den Anschlag und warfen ihnen Terror-Unterstützung vor. Teheran protestierte zudem offiziell gegen die dänische, holländische, französische und britische ‚Unterstützung separatistischer Bewegungen‘. Ein iranischer Armee-Sprecher sprach davon, die Angreifer hätten Verbindungen zum israelischen Geheimdienst Mossad unterhalten und seien mithilfe zweier Golfstaaten ausgebildet worden. Der Angriff fand zeitgleich mit einer Sitzung des UN-Sicherheitsrates statt. Am nächsten Tag nutzte der iranische Präsident Hasan Ruhani in New York die Gelegenheit, den US-Präsidenten Donald Trump direkt als ‚Terrorunterstützer‘ zu beschuldigen. Der Anschlag bot zudem erneut einen Vorwand für das iranische Regime, innenpolitisch jegliche Forderungen nach Freiheit, Gleichheit, Gerechtigkeit, Recht und Arbeit zu unterdrücken.

Die Ereignisse in Ahvaz erscheinen zwangsläufig als Teil der Bestrebungen, den Iran zu destabilisieren. Zugleich könnte der Iran versucht sein seinen Kontrahenten am Golf eine entsprechende Antwort zu geben und damit in eine Kriegsfalle zu tappen. Derart bewertet auch der Gründer des Nationalen Iranisch-Amerikanischen Rates, Trita Parsi, die aktuellen Entwicklungen. Auch wenn hochrangige iranische Vertreter Rache schworen, geben die Worte Ali Şamhanis, Sekretär des Iranischen Nationalen Sicherheitsrates, einen angemesseneren Eindruck von der Art und Weise, wie innere Kreise des Systems den Anschlag bewerten: „Wir erachten es als grundlegend wichtig, den Dialog mit unseren Nachbarn zu stärken, um Versuchen entgegen zu wirken, Misstrauen und Zwietracht zwischen den Ländern der Region zu sähen.“

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Es gibt zahlreiche Gründe dafür, die in Ahvaz beheimateten Gruppen als Werkzeuge zu betrachten, die zum Zweck des Regime-Change eingesetzt werden. Die Zeichen stehen derzeit international erneut auf der Politik des Regime Change. Neben den landesweiten friedlichen Protesten im Iran und ihren rechtmäßigen Forderungen kam es in der jüngsten Vergangenheit auch zu einer geringen Zunahme des bewaffneten Widerstandes in den iranischen Provinzen Kurdistan und Huzistan. Viele Augen richten sich derzeit auch auf die Grenzregionen des Irans zu Pakistan und Afghanistan. Dort versuchten in den vergangenen Jahren sunnitische Gruppen, die sich auf die Taliban und Al-Kaida bezogen, immer wieder ihr Glück. Derzeit ist die Lage in den dortigen Gebieten ruhig. Mithilfe der Türkei wurde für gewisse Zeit auch versucht, von Aserbaidschan aus den Iran zu destabilisieren. Die Grenzen des Irans erinnern an eine Art ethnischen Gürtel. Je nach Stärke des Systems, sind die iranischen Grenzen mehr oder weniger offen für Interventionen von außen: Türkmenen, Paschtunen und Belutschen im Osten; Kurdistan im Westen; das arabisch bevölkerte Huzistan im Südwesten; das arabisch geprägte Hürmüzgan im Süden; im Südwesten und Süden Luristan und das von den Luren bewohnte Kohkiluye und Buyer Ahmed; Aserbaidschan im Nordwesten; Mazandaran, die turkmenische Heimstätte Gülistan und das kurdische Horasan im Norden. Dieser ethnische Gürtel bietet für das Regime ausreichend Anlass mit großer Vorsicht, wenn nicht sogar von Zeit zu Zeit fast paranoid auf Entwicklungen zu reagieren.

Als Trump den Iran zum Angriffsziel erklärte, wurde nicht daran gezweifelt, dass die arabischen US-Partner am Golf sehr bald Teil des Konfliktes werden würden. Im Mai 2017 erklärte der saudische Kronprinz Muhammed bin Selman in der Zeitschrift ‚The Atlantic‘, Hitler verblasse neben Hamaney und schloss sich damit den Forderungen nach einem Regime Change an. Im gleichen Interview drohte er damit, man werde den Krieg in die iranischen Städte tragen. Einen Monat später tötete eine Gruppe von Angreifern im iranischen Parlament und dem Imam-Homeini-Schrein 18 Menschen. Der IS bekannte sich damals zu dem Anschlag. Die Region Huzistan grenzt an den Golf und ist ein dementsprechend attraktiver Ort für saudi-arabische Interventionen. Auch wenn international und im Iran selbst die sogenannten Volksmudschaheddin bekannter sind, bieten sich Gruppen in Ahvaz an, um sie zu bewaffnen und anderweitig zu fördern.

Es ist nicht näher bekannt, welche Gruppen genau die Dachorganisation ‚Nationaler Widerstand für Ahvaz‘ umfasst. Doch die einzelnen bewaffneten Gruppen aus Ahvaz sind wohl bekannt. Führend unter den zahlreichen Gruppierungen ist die ‚Arabische Befreiungsbewegung Ahvaz‘. Gegründet wurde sie von Habib Nabgan, der in Dänemark lebt. Die Gruppe organisiert sich von Dänemark, Schweden und Holland aus. Seit 2005 verübte die Gruppe in Huzistan mindesten 13 Bombenanschläge gegen öffentliche Einrichtungen und Ölförderanlagen. Die Organisation wurde 1980 mit Unterstützung Saddam Husseins aufgebaut. Ali Mazra gründete die in Kanada beheimatete ‚Demokratische Front der Arabischen Völker in Ahvaz‘. Auch sie verübte zahlreiche Anschläge, u.a. auf die Abadan-Raffinerie. Hinzu kommen weitere Gruppen, die ziviler auftreten. Dazu zählen die von Adil Sovidi gegründete ‚Arabische Gruppe‘, deren Zentrum in Holland liegt. Der in Holland lebende Falih Abdullah el Mansuri gründete die ‚Ahvaz Befreiungsorganisation‘. Außerdem gibt es Organisationen wie die ‚Demokratische Solidaritätspartei Ahvaz‘ oder die ‚Nationale Befreiungsorganisation Ahvaz‘. All diese Organisationen haben ihre Hauptlager im Ausland. Daher auch der Rüffel des Iran in Richtung Westen. Der Geheimdienst Saudi-Arabiens verfügt über langjährige Beziehungen sowohl zu den Volksmudhschaheddin, als auch zu den zahlreichen Gruppierungen aus Ahvaz.

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Sobald es um eine Intervention im Iran geht, denken viele zu aller erst an die Volksmudschaheddin. Die USA sind derzeit bemüht, den Ruf der Organisation aufzupolieren. Am Tag des Anschlags in Ahvaz fand in New York eine Veranstaltung der Volksmudschaheddin mit dem Titel ‚Konferenz zum Iranischen Aufstand 2018‘ statt, an der auch Trumps Anwalt Rudy Giuliani teilnahm. Er brachte bei dieser Gelegenheit seine Unterstützung für einen Umbruch im Iran zum Ausdruck: „Es kann sich um ein paar Tage, Monate oder Jahre handeln. Sicher ist aber, dass es passieren wird. Sie werden ihre Macht verlieren. Das iranische Volk hat genug. Die Sanktionen wirken.“ Giuliani hatte im Mai diesen Jahres auch an einem Kongress der Volksmudschaheddin in Paris teilgenommen und die Gruppe als die Kraft gepriesen, die das Regime stürzen werde. Die kanadische Version der Bushs, der frühere Präsident Kanadas Stephen Harper, war damals auch anwesend.

Die Liste der Unterstützer dieser Gruppe in den USA wächst von Tag zu Tag. Dazu gehören mittlerweile Personen wie die ehemaligen CIA-Präsidenten James Woolsey und Porter Goss, der frühere FBI-Präsident Louis Freeh, ehemalige Minister wie Tom Ridge und Mohcael Mukasey und der frühere Nationale Sicherheitsberater James Jones. Die Volksmudschaheddin füllen die Kassen ihrer geladenen Gäste. Laut einem Bericht der New York Times erhielten die amerikanischen Sprecher auf der Pariser Konferenz Gagen in Höhe von 15.000 bis 30.000 Dollar. Auch der ehemalige Gouverneur von Pensylvannia, Edward G. Rendell, gehörte zu den Beschenkten. Rendell selbst sprach offen davon, er habe 150.000 – 160.000 Dollar erhalten. Auch Giuliani, der seit zehn Jahren Beziehungen zu der Organisation unterhält, erhielt einen nicht näher bekannten Geldbetrag.

Die Geldquelle ist durchaus vertraut: die Freunde am Golf. Der Finanzier der dreckigen Geschäfte der USA ist schon seit Langem Saudi Arabien. Auch wenn die Wahrhaftigkeit nicht vollends bewiesen ist, wurde in den Medien eine interessante Anekdote über die saudi-arabischen Finanzierungsaktivitäten veröffentlicht. Mesud Hudabandeh, ein ehemaliges hochrangiges Mitglied der Volksmudschaheddin, erzählte dem jordanischen Journalisten El Bevvabe von einer Hilfsoperation, an der er selbst beteiligt war: König Abdullah übergab 1989 in Mekka dem Führer der Volksmudschaheddin drei Tonnen reines Gold, vier prall gefüllte Taschen voll mit Rolex-Uhren und ein Stück Stoff der Bedeckung der Kaba. Mithilfe des saudischen Geheimdienstes wurde die Lieferung nach Bagdad gebracht. Von dort aus wurde alles an der geheimen Börse in Amman verkauft und das Geld auf Konten der Organisation transferiert. Der Wert dieser üppigen Hilfsleistung betrug 200 Millionen Dollar. Die Art und Weise, auf die der Organisation Hilfe geleistet wurde, scheint fragwürdig. Doch das ändert nichts an dem Fakt, dass die Volksmudschaheddin von außen finanziert werden. Der Chef des saudischen Geheimdienstes, Prinz Turki bin Faysal, ermöglichte die damalige Hilfsoperation und nahm auch an den Konferenzen der Organisation in den Jahren 2016 und 2017 teil.

Die Organisation, die von den Amerikanern gewissermaßen wieder entdeckt wurde, stand bis zum Jahr 2012 auf der US-Terrorliste. Das Eşref-Camp, damaliges Hauptlager der Gruppe, wurde nach der Besetzung des Iraks von Iran-nahen Gruppen bedroht, woraufhin die Amerikaner das Camp nach Tiran verlegten. Einige der Gruppenmitglieder erhielten im Zuge dessen die amerikanische Staatsbürgerschaft. Laut einem Bericht von Seymour Hersh, der 2012 im der Zeitschrift ‚The New Yorker‘ erschien, begannen die westlichen Geheimdienste nach der Irak-Besetzung die Volksmudschaheddin stärker in ihre eigenen Pläne mit einzubeziehen. Mitglieder der Gruppe erhielten zwischen 2005 und 2008 militärisches Training durch die Abteilung für Spezialoperationen in einer geheimen Trainingsstätte in der Nähe von Las Vegas. Laut Aussagen von zwei hochrangigen Regierungsvertretern Obamas wurde die Organisation vom Mossad finanziert. Die damals ausgebildeten Mitglieder spielten alle eine Rolle bei den Mordanschlägen auf iranische Wissenschaftler im Jahr 2007. Zu guter Letzt strich die USA die Organisation von der US-Terrorliste. Die zahlreichen Mord- und Bombenanschläge, die von der Gruppe ausgeführt worden waren, schienen dafür kein Hindernis darzustellen.

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Die USA erwarten von der ganzen Welt, einer Illusion zu verfallen, an die sie selbst nicht glauben. Chaos und lang anhaltende Instabilität folgten auf die Interventionen und Regime Changes in Afghanistan, Somalia, Jemen, Irak, Libyen und Syrien. Als Überbleibsel blieben menschenverachtende Gruppierungen zurück. Auf bezahlten Konferenzen bieten sie der Welt ununterbrochen eine Revolution zum Kauf an. Mit diesen Verkäufern lässt sich weder ein Regime entmachten, noch etwas Neues an seine Stelle setzen. Was also wollen sie? Chaos und Instabilität! Welche Rolle spielt die Zerschlagung dieser Brücke, die Asien, den Mittleren Osten und Europa miteinander verbindet, für das Ziel Trumps: ‚Make America great again!‘? Ganz genau wissen wir es nicht. Doch Eines ist sicher: Stabilität in der Region kommt vor allem China, Russland, dem Iran und der Türkei zugute. Die USA kann sich den Gebieten entlang der Seidenstraße nur solange aufdrängen, wie dort Spannungen und Krieg herrschen.

Im Original erschien der Artikel am 26.09.2018 unter dem Titel “Ahvaz tuzağı ve ‘ödenmiş’ devrimcilerauf der Homepage des Nachrichtenportals Gazete Duvar.

Quelle:

Civaka Azad – Kurdisches Zentrum für Öffentlichkeitsarbeit e.V.

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