Kriegsdienstverweigerer*innen aus der Ukraine brauchen Schutz
Connection e.V., die Deutsche Friedensgesellschaft – Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen (DFG-VK), der Bund für Soziale Verteidigung (BSV) und die Evangelische Arbeitsstelle für Kriegsdienstverweigerung und Frieden (EAK) wenden sich entschieden gegen eine drohende Ausweisung ukrainischer Männer, die keinen gültigen Pass mehr haben.
„Die Ukraine erkennt das Recht auf Kriegsdienstverweigerung nicht an“, so heute Rudi Friedrich von Connection e.V. „Am 2. Mai erst hatte der Oberste Gerichtshof der Ukraine das Urteil gegen den Kriegsdienstverweigerer Mykhailo Yavorsky bestätigt. Damit verstößt die Ukraine gegen die Menschenrechte. Es sind bereits mehrere Urteile zu mehrjährigen Haftstrafen gegen Kriegsdienstverweigerer bekannt geworden.“
„Die gestrige Erklärung des hessischen Innenministers, die Ukraine sei kein Unrechtsstaat, ist zumindest in Bezug auf Kriegsdienstverweigerung falsch, wie die aktuellen Urteile zeigen“, so Michael Schulze von Glaßer, politischer Geschäftsführer der DFG-VK: „Kriegsdienstverweigerer*innen brauchen Schutz und somit auch einen Passersatz, wenn ihr Reisepass nicht mehr gültig ist.“
„Kriegsdienstverweigerung ist ein Menschenrecht, auch im Falle eines Krieges“, ergänzt Rudi Friedrich von Connection e.V. „Das hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in einer Grundsatzentscheidung festgestellt. Die Ukraine hält sich nicht daran, schickt Verweiger*innen an die Front oder unterwirft sie langen Haftstrafen. Das ist nicht hinnehmbar.“
„Allen, die sich dem Krieg verweigern, muss Schutz gewährt werden – sowohl aus der Ukraine als auch aus Russland und Belarus“, so die Geschäftsführerin des BSV, Dr. Christine Schweitzer: „Deutschland darf keine Geflüchteten, denen Zwangsrekrutierung droht, abschieben.“
Gesetzesänderung und Konsequenzen
Mitte April hatte das ukrainische Parlament Gesetzesänderungen beschlossen, womit konsularische Dienste nur noch im Land selbst erfüllt werden. Damit müssen militärdienstpflichtige Männer, die keinen gültigen Pass mehr haben, in der Ukraine einen neuen Pass beantragen. Konsequenz davon ist, dass sie gemustert werden und einberufen werden können. Zudem ist ihnen die erneute Ausreise verwehrt, da die Ukraine seit Kriegsbeginn die Grenzen für Männer zwischen 18 und 60 Jahren sowie für Frauen mit medizinischer Ausbildung geschlossen hat. „Wenn ukrainische Kriegsdienstverweiger*innen in die Ukraine reisen müssten, wären sie ohne Zweifel der Rekrutierung, Verfolgung als Kriegsdienstverweiger*innen oder dem direkten Einsatz an der Front ausgeliefert“, so Rudi Friedrich.
Alle ukrainischen Staatsbürger, die seit Kriegsbeginn in die Europäische Union gereist sind, haben einen befristeten humanitären Aufenthalt nach der sogenannten Massenzustromrichtlinie der Europäischen Union erhalten. Voraussetzung dafür war, dass sie einen gültigen Reisepass vorlegen konnten und zum Februar 2022 in der Ukraine lebten. Wenn kein gültiger Pass mehr vorliegt, verlangen die deutschen Behörden in der Regel, dass ein neuer Pass beantragt und vorgelegt wird. Andernfalls würde der Aufenthalt beendet werden.
Nach Schätzungen von Connection e.V. befinden sich über 325.000 militärdienstpflichtige Ukrainer*innen in der Europäischen Union, davon etwa 100.000 Personen in Deutschland. „Aufgrund der neuen Situation wenden sich viele Ukrainer*innen an Connection e.V.,“ so Rudi Friedrich, „um zu erfahren, wie sie weiterhin einer Rekrutierung und Strafverfolgung entgehen können.“
„Niemand darf gezwungen werden“, mahnt Michael Schulze von Glaßer, „eine Waffe in die Hand zu nehmen und andere Menschen zu töten – und niemand darf gezwungen werden, sich den tödlichen Gefahren an der Front auszuliefern.“
Das Menschenrecht auf Kriegsdienstverweigerung, so die Friedensorganisationen, ist ein für alle Menschen gültiges und unveräußerliches Menschenrecht, das auch in Zeiten eines Krieges zu gelten hat. „Daran ist die Ukraine zu messen“, ergänzt Schweitzer: „Bestrebungen aus der deutschen Politik, der Ukraine militärdienstpflichtige Männer zuzuführen und damit gegen die Menschenrechte zu verstoßen, lehnen wir entschieden ab. Die morgige Innenministerkonferenz muss eine Entscheidung treffen, die Kriegsdienstverweiger*innen schützt. Angesichts der Lage der Kriegsdienstverweiger*innen aus der Ukraine ist es notwendig, ihnen dauerhaften Schutz zu gewähren.“
Pressemitteilung von Connection e.V., der Deutschen Friedensgesellschaft – Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen (DFG-VK), des Bunds für Soziale Verteidigung (BSV) und der Evangelisches Arbeitsstelle für Kriegsdienstverweigerung und Frieden (EAK), 6. Mai 2024.
Quelle: Deutsche Friedensgesellschaft – Vereinigte Kriegsdienstgegner’innen