NATO-Beitritte von Finnland und Schweden werden nicht zu Frieden oder Sicherheit führen!
Übernommen von sdaj.org:
Am 4. April 2023 wurde Finnland das 31. Mitglied der NATO. Durch den Beitritt des direkt an Russland grenzenden Lands im Nordosten Europas verdoppelte sich die Länge der Grenze, die sich NATO-Staaten mit Russland teilen, auf rund 2.500 Kilometer. Finnland gab damit seine seit Jahrzehnten aufrechterhaltene militärische Neutralität auf. Die russische Regierung hatte im Vorfeld immer wieder aufs Schärfste vor diesem Schritt gewarnt und angekündigt, bei einem weiteren Heranrücken des NATO-Gebiets an die eigene Grenze „drastische Schritte“ einleiten zu müssen. Zwischen Antrag auf Beitritt und dem tatsächlichen Beitritt Finnlands lagen nur wenige Monate. Parallel wurde auch ein Aufnahmeantrag von Schweden in das Militärbündnis im Eiltempo behandelt und diesen Monat kam es schließlich zum Beitritt. Somit ist Schweden nun das 32. Mitglied der NATO. Was bedeutet das für die Sicherheit in Europa und der ganzen Welt?
Der Hintergrund des Konfliktes zwischen der NATO und Russland
Um die aktuelle Konfrontation verstehen zu können, braucht es einen Blick in die Vergangenheit und zu den Ursprüngen des Konfliktes. Denn solange die Gründe weiter schwelen, wird der Konflikt nicht gelöst werden können.
Nach der Auflösung der Sowjetunion und der Restaurierung des Kapitalismus in Russland waren die USA unangefochtene Weltmacht. Den US-amerikanischen Weltmachtanspruch sahen Strategen nur durch eine Zusammenarbeit Europas und Asiens (vor allem Russlands) gefährdet. Deswegen wurde der Vorschlag Russlands, selbst in die NATO einzutreten, direkt zurückgewiesen. Russland selbst war bestrebt, seinen Einfluss in Richtung Westen zu erweitern. Putin sprach unter Zuspruch vor dem Deutschen Bundestag für eine Zusammenarbeit Europas und Russlands. Unter Führung der USA führte die NATO (ein Bündnis, das zur Bekämpfung der Sowjetunion gegründet wurde) dann jedoch eine Osterweiterung durch: Mehr und mehr neutrale Staaten wurden in die NATO aufgenommen, bis direkt an die russische Grenze. In bilateralen Vereinbarungen wurde zugesichert, so eine Erweiterung nicht durchzuführen, da sie Russlands Sicherheitsinteressen beschneidet – doch diese Zusicherungen wurden gebrochen. Der deutsche Imperialismus fuhr seitdem eine Doppelstrategie. Zum einen setzten die Herrschenden auf Zusammenarbeit mit den USA in der NATO, um im Windschatten der USA zu neuer Weltmacht zu gelangen. Zum Anderen wollte man nicht auf die Rohstoffe und Märkte in Russland verzichten. Auch andere europäische Staaten wie Frankreich suchten die Zusammenarbeit mit Russland. So schwankte der deutsche Imperialismus zwischen Konfrontation und Kooperation mit Russland. Mit der Zeitenwende jedoch haben die Herrschenden die Weichen eindeutig auf Konfrontation gestellt.
Die strategische Bedeutung der Beitritte
Der NATO-Beitritt Finnlands ist strategisch nicht primär wegen der langen Landgrenze zu Russland bedeutsam. Aus militärischer Sicht sind andere Aspekte wesentlich wichtiger: Die Ostsee wird durch Beitritte von Finnland und Schweden de facto zu einem „NATO-Binnenmeer“, da sie dann vollständig durch NATO-Staaten eingerahmt ist. Zugangswege über die Ostsee in die russischen Gebiete Kaliningrad und St. Petersburg können nun von der NATO kontrolliert werden. Darüber hinaus ist die NATO durch die Erweiterung auf finnisches Territorium nun nah an die Stützpunkte der russischen Nordmeerflotte gerückt. Durch den Klimawandel und das Abschmelzen der arktischen Eismassen bleiben immer mehr Seestrecken im Nordmeer und der Barentssee länger eisfrei, wodurch mehr Möglichkeiten für die (militärische) Seefahrt vor der russischen Grenze entstehen. Laut der Stiftung Wissenschaft und Politik (deutsche regierungsnahe Denkfabrik) nimmt Russland in dieser Region eine defensive Haltung ein und ist bestrebt, die russische Nordküste gegen Angriffe zu schützen. Die russische Nordmeerflotte, die im Nordwesten Russlands stationiert ist, sichert für Russland etwa zwei Drittel der atomaren Zweitschlagfähigkeit und hat für Moskau daher eine besondere Bedeutung. Unter einem Zweitschlag versteht man die nukleare Reaktion einer Nation auf einen atomaren Angriff (Erstschlag) durch einen Feind, in diesem Beispiel also die Reaktion Russlands auf einen nuklearen Angriff der NATO.
Die zunehmende Bedrohung der russischen Nordmeerflotte und der Einkreisung der Ostsee nimmt Moskau daher ohne Zweifel als Bedrohung wahr. Alberne Zahlenspiele, wie etwa die auch in deutschen Qualitätsmedien vorgerechnete Tatsache, selbst nach dem Beitritt Finnlands sei die geteilte Landgrenze von NATO und Russland immer noch sehr klein im Vergleich zur gesamten Landgrenze Russlands, verfehlen das Thema also völlig und dienen nur der Ablenkung.
Auch die Bundeswehr mischt direkt bei der Konfrontation gegenüber Russland mit. Beispielsweise durch Beteiligung an Manövern wie dem derzeit offen gegen Russland ausgerichteten Steadfast-Defender-Manöver, bei dem der Krieg mit Russland und die Verlegung von Kriegsgerät (vor allem aus den USA) an die russische Grenze geübt wird. Die Bundeswehr, die die europäische Führungsrolle in der NATO anstrebt, gliedert daran noch ein eigenes Bundeswehr-Manöver an, bei dem die Verlegung von Bundeswehr-Truppen in ganz Osteuropa geprobt wird.
Die Situation in Europa
Aus NATO- und US-Sicht stellt der Beitritt einen großen strategischen Erfolg dar. Die Kontrolle über die Ostsee wird deutlich verbessert und die Fähigkeit zur Stationierung von Truppen und Material in unmittelbarer Nähe zum russischen Territorium ausgebaut. Ein Angriff auf die Atommacht Russland wäre aus russischer Sicht so wohl kaum zu verteidigen und steigert die Gefahr, dass Atomwaffen wieder eingesetzt werden könnten. So könnte Europa wieder zum Schauplatz eines Weltkrieges werden.
Für die europäischen Staaten sind Beitritte Finnlands oder Schwedens und auch die Stationierung von noch mehr BundeswehrsoldatInnen zur Frontstellung gegen Russland hingegen eine deutliche Verschlechterung der Sicherheitslage. Dadurch werden sich die Spannungen im Osten Europas langfristig noch vertiefen und die Gefahr, dass Europa zum Schauplatz eines weiteren Weltkrieges wird, steigt erneut an. Insbesondere weitere NATO-Beitritte sind eine weitere Drehung der Eskalationsspirale und wirken der Etablierung einer friedlichen Ordnung entgegen.
Und weltweit?
Zur Beurteilung der Weltkriegsgefahr ist neben der Konfrontation zwischen der NATO und Russland auch der Konflikt zwischen den USA und China sehr relevant. Das rasant aufsteigende China ist im Begriff, den Weltmachtanspruch der NATO, allen voran der USA, zunichte zu machen. Zum einen ist China Prognosen zufolge auf dem Weg, schon 2028 die USA als größte Volkswirtschaft abzulösen. Zum anderen stellen immer mehr Staaten, die Jahre und Jahrzehnte lang vom westlichen Imperialismus abhängig waren und unterdrückt wurden, die Vorherrschaft von USA und EU infrage und orientieren sich an Bündnissen und Kooperationen mit China und anderen nichtwestlichen Staaten. Für eine mögliche Aggression gegen China, den Versuch der Rettung des eigenen Weltmachtanspruchs, braucht der US-Imperialismus Ruhe in Europa. Das heißt, dass aus US-Sicht die europäischen NATO-Staaten die Aggression gegen Russland übernehmen sollen und sich Europa und Russland nicht wieder politisch annähern dürfen. Dafür sind nun mit den Beitritten Finnlands und Schwedens in die NATO alle Weichen gestellt. Und auch der deutsche Imperialismus verspricht sich davon mehr Einfluss, beispielsweise dadurch, dass man innerhalb der NATO die Führungsrolle in Europa übernimmt, und so generell die militärischen Fähigkeiten ausgebaut werden. Genau in diesem Kontext muss die aktuell massive Aufrüstungswelle betrachtet werden. „Deutschland“ soll wieder mehr (militärische) Verantwortung in der Welt übernehmen. Begleitet wird die Debatte durch Forderungen nach EU-Atomwaffen, der Wiedereinführung der Wehrpflicht, einem weiteren Sondervermögen für die Bundeswehr und Äußerungen, dass es einen offenen Krieg gegen Russland in fünf bis sieben Jahren geben könnte. Die Bevölkerung soll kriegstüchtig gemacht werden und sich hinter die Aufrüstungs- und Kriegspläne der Herrschenden stellen.
Für Frieden und Verhandlungen statt weiterer Konfrontation
Die Fortsetzung der NATO-Osterweiterung ist eine weitere Zuspitzung im Krieg gegen Russland. Dass eine direkte Grenze zwischen NATO und Russland enormes Eskalationspotenzial birgt, ist seit dem Kalten Krieg eigentlich jedem klar. Die NATO interessiert das herzlich wenig, und anstatt Konflikte mit Verhandlungen und Diplomatie zu lösen – dafür gab es Ansätze, die aber nicht wahrgenommen wurden – wird der Einflussbereich westlicher Vormachtstellung erweitert, und mit einer Bedrohung russischer Sicherheitsinteressen wird ein Weltkrieg riskiert. Es zeigt, dass die Herrschenden zurzeit kein ernsthaftes Interesse an einer Verhandlungslösung des Ukrainekrieges haben. Die Devise lautet weiterhin: Nur ein Siegfrieden nach der totalen Niederlage Russlands wird akzeptiert. Denn der Kapitalismus ist nicht friedensfähig. Im Zweifel müssen Einflusssphären, Rohstoffquellen oder Absatzmärkte mit militärischer Macht erobert werden.
Auf das Kriegsbündnis NATO ist in Sachen Frieden kein Verlass! Frieden kann langfristig nur dann gesichert werden, wenn abgerüstet wird und die legitimen Sicherheitsinteressen aller Seiten berücksichtigt werden. Also wenn die Politik nicht nach ökonomischen Interessen, sondern nach internationaler Kooperation ausgerichtet wird.
Wir wollen nicht, dass noch weitere zehntausende Ukrainer und Russen in diesem Krieg sterben müssen, und erst recht keine weitere Eskalation bis zum Weltkrieg. Wir stellen uns gegen jede weitere Provokation, Aggression, Waffenlieferung oder sonstige militärische Bedrohung! Ob gegen Russland oder gegen China: Nur durch Deeskalation und Verhandlungen können das Sterben und die Bedrohungslage beendet werden.
Wir fordern einen Waffenstillstand und die Aufnahme von Verhandlungen mit der ernsthaften Bereitschaft, auf die russische Seite einzugehen! Frieden mit Russland und China – Stopp der deutschen Beteiligung an der Aggression!
Der Beitrag NATO-Beitritte von Finnland und Schweden werden nicht zu Frieden oder Sicherheit führen! erschien zuerst auf SDAJ.