23. November 2024

Rechte Partys auf Sylt

Übernommen von Yeni Hayat – Neues Leben:

Alev Bahadır

Sylt ist der Ferienort für die Reichen in Deutschland. Die Nordseeinsel wurde nicht zufällig von Christian Lindner für seine medial stark begleitete und protzige Hochzeit ausgewählt. Gleichzeitig machte sich der Bürgermeister von Sylt Sorgen darüber, dass die mit dem damaligen 9-Euro-Ticket angelockten Punks das Bild von Sylt zerstören würden. Ja, in Sylt weiß man genau, wen man da haben will und wen nicht. Eigentlich dürfte es dann nicht wundern, dass ausgerechnet auf Sylt ein Video entstanden ist, das viral gegangen ist und einen Aufschrei ausgelöst hat.

Das besagte Video zeigt mehrere junge Menschen. Sie feiern in der „Pony“-Bar auf Sylt, der Kleidung und der Location nach gehören die jungen Erwachsenen der Oberschicht an. Im Hintergrund läuft der Gigi D’Agostino Song „L’amour toujours“. Nur singen die Beteiligten etwas ganz anderes. Auf dem Video sind sehr deutlich die Gesichter einer Frau und zweier Männer zu erkennen, die singen „Deutschland den Deutschen! Ausländer raus!“. Um sie herum tanzen die Menschen mit. Der zweite Mann steht so weit entfernt von der filmenden Frau, dass auch die Menschen um sie herum mindestens gehört haben müssen, was dort gegrölt wird. Was nicht zu übersehen war, ist der Hitlergruß, den der zweite Mann zeigt. Die „Pony“-Bar hat sich von ihren Gästen distanziert und erklärt, Strafanzeige zu erstatten. Der Staatsschutz ermittelt wegen Volksverhetzung. Der Aufschrei durch die Politik sehr groß. Aber ehrlich gesagt: warum eigentlich?

Dass sich normale, arbeitende Erwachsene und Jugendliche aufregen, ist vollkommen normal. Die Dreistigkeit, mit der die reichen Kids auf Sylt feiern und ohne Scham rassistische Slogans schreien, während der Hitlergruß gezeigt wird, ist kaum zu übertreffen. Wut über Rassismus und deren Dreistigkeit ist die eine Sache, aber warum der „Schock“? Sind wir schockiert, dass Rassismus, nicht wie so oft behauptet, nur in Fabriken oder sozial-schwachen Stadtteilen vorkommt? Dass es die sogenannte „Mitte der Gesellschaft“, für die diese jungen Menschen übrigens keinesfalls stehen, „erreicht“ hat? Rassismus ist ein Spaltungsinstrument zwischen unten und oben. Die „unteren“ nehmen Schaden davon, die „oberen“ profitieren. Die rechten, aber auch die etablierten Parteien, machen eine Politik für Reiche. Also wen wundert es, wenn Menschen, die sich in ihre eigene Gesellschaft abschotten, Rassisten sind?

Olaf Scholz findet das Video „eklig“, vor wenigen Monaten sagte er selbst noch, man müsse im großen Stil abschieben. Nancy Faeser spricht von einer „Schande für Deutschland“, hat aber selbst maßgeblich die GEAS-Reform vorangetrieben, die Abschiebungen an den europäischen Außengrenzen vereinfacht und Europa weiter abschottet. Der CDU Vorsitzende Friedrich Merz sagte: „Was geht eigentlich in den Köpfen dieser Leute vor, das ist doch auch mit Alkoholkonsum nicht mehr zu erklären?“. Was wohl in seinem Kopf vorgeht, wenn er eine rassistische Äußerung nach der nächsten tätigt? Dreistigkeit der Schnösel auf Sylt auf der einen Seite, Scheinheiligkeit der Politik auf der anderen. Ja, wir haben ein Problem mit Rechts in diesem Land. Dass immer mehr Leute, allen voran Reiche und Bürgerliche sich trauen, rassistische Slogans auf Volksfesten und Partys zu rufen, ist ein kleiner Ausdruck davon. Ermöglicht und ermutigt wurden sie von eben jenen Parteien, die sich jetzt empören und Rechtsradikalen, wie der AfD.

Quelle: Yeni Hayat / Neues Leben

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