22. Dezember 2024

Vor 180 Jahren: Beginn des Aufstands der schlesischen Weber

Heute vor 180 Jahren, am 4. Juni 1844, begann der Aufstand der schlesischen Weber.

»Heute machen wir Rebellion!« rief der junge Weber Johannes Fischer am 4. Juni 1844 seiner Mutter zu. Er konnte nicht wissen, welche weitreichenden Folgen sein Ausruf oder vielmehr die damit verbundene Tat haben und welche Bedeutung man ihr auch noch Jahrzehnte später beimessen würde. Gegen wen sie sich zu richten hatte, wusste er dagegen sehr wohl.

Fischer war, wie Tausende andere zu jener Zeit auch, ein Heimarbeiter in den »Fabrikdörfern« am Fuße des Eulengebirges in der damals preußischen Provinz Schlesien. In diesen Dörfern lebten dicht zusammengedrängt Weber und Spinner, deren Zahl rasant wuchs. Binnen weniger Jahrzehnte hatte sich die Einwohnerzahl der Ortschaften Peterswaldau und Langenbielau, den Zentren der schlesischen Baumwollindustrie, verdoppelt. Große Textilunternehmen hatten hier Fuß gefasst und rekrutierten Weber aus den benachbarten Kreisen und Gemeinden.

Eine Absatzkrise 1843/44 veranlasste die um ihren Profit besorgten schlesischen »Fabrikherren«, den Arbeitslohn weiter zu senken. Schon seit Monaten hatten sich unter den Webern des Eulengebirges Wut und Erbitterung gestaut. Besonders verhasst war das Handlungshaus Ernst Friedrich Zwanziger und Söhne, das in Peterswaldau 5.321 Heimarbeiter beschäftigte. Der Textilkaufmann hatte als erster die Löhne gedrückt und stellte zugleich seinen Reichtum schamlos zur Schau. Im »Blutgericht«, einem eigens gedichteten Lied, hieß es: »Die Herren Zwanziger, die Henker sind / Die Diener ihre Schergen / Davon ein jeder tapfer schind’t / Anstatt was zu verbergen. – / Ihr Schurken all, ihr Satansbrut / Ihr höllischen Kujone / Ihr fresst der Armen Hab und Gut / Und Fluch wird euch zum Lohne.«

Dieses Lied trugen Weberburschen vor der Villa der Fabrikantenfamilie am Abend des 3. Juni vor. Die besungenen Schergen jagten sie davon, ergriffen einen der Sänger, den Weber Wilhelm Mäder, und lieferten ihn der Ortspolizei aus, die ihn misshandelte. Die Rebellion hatte einen Anlass.

Am Folgetag, einem Dienstag, marschierte eine Schar mehrerer hundert Männer, unter ihnen der erwähnte Johannes Fischer, in militärischer Ordnung erneut vor die Fabrikantenvilla und forderten Mäders Freilassung sowie eine Erhöhung des Lohns. Sie waren unbewaffnet. Als aus dem Haus Ziegelsteine auf die Versammelten geworfen wurden, entlud sich der Zorn. Die Weber rissen Latten vom Zaun vor dem Gebäude, drangen in die Geschäftsräume und das Warenlager ein, zerrissen Geschäftsbücher, plünderten die Kasse und zerschnitten die Garne. Erst danach wurde das Interieur der Villa verwüstet.

Quelle: junge Welt

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