22. November 2024

Vorsicht vor Rentenvorschlägen

Es ist noch nicht so lange her, daß die neue Regierung durch die Blume angekündigt hat, daß erneut am Rentensystem geschraubt werden soll. Rezent kamen nun neue Zahlen zur Lage der »working poor« im Land, also jenen Menschen, die trotz einer Vollzeit-Arbeit arm sind. Während die »Wettbewerbsfähigkeit« eine heilige Kuh ist, die nicht angetastet werden darf, weil sie als Gradmesser des gesellschaftlichen Wohlstandes hingestellt wird, was natürlich Unsinn ist, bekommen immer mehr Menschen im reichsten Land der EU die Enden von Lohn und Monat nicht mehr beieinander. Daß von der neuen konservativ-neoliberalen Regierungskoalition keine Sozialpolitik zu erwarten war, ist keine Überraschung. »Méi an der Täsch«, der CSV-Slogan zu den Parlamentswahlen im vergangenen Herbst, wirkt in diesem Zusammenhang geradezu bizarr.

OGBL-Präsidentin Nora Back hatte noch vor den EU-Wahlen darauf hingewiesen, daß ihre Gewerkschaft keinen akuten Handlungsbedarf bei den Renten sehe. Insofern seien eine Anhebung von Beiträgen oder des Rentenalters ein No-Go. Auch eine Entlastung der kleinen und mittleren Einkommen, beziehungsweise der Mindestlöhner kann helfen, die Lage zu entspannen. Klar ist, daß etwas geschehen muß, um den sozialen Frieden zu wahren. Zwar haben rechte und konservative Kräfte hierzulande nur moderat zugelegt, doch zeigt das Ausland, welches Potential Armut trotz Arbeit, Altersarmut und ständige Geldsorgen rechten Kräften in die Arme spülen kann.

Auch LCGB-Präsident Patrick Dury zog zuletzt in seiner Rede zum 1. Mai eine deutliche rote Linie in der Rentendebatte und forderte eine substantielle Anhebung der Mindestrente sowie Vorsicht bei patronalen Reformvorschlägen. Er fordert in schöner Regelmäßigkeit eine Tripartite. Doch ist dieses Mittel überhaupt noch probat? In der Vergangenheit mehrte sich durchaus Zweifel daran, auch wenn dies hierzulande nicht zu laut gesagt werden darf. Wesentlich praktikabler erscheint es da, durch massive Unterstützung der Gewerkschaften, diesen den Rücken so zu stärken, daß sie die Interessen der Lohnabhängigen und der Rentner wieder deutlicher von der Straße durchsetzen können.

Gerade in diesen Zeiten, wo EU-weit liberal-konservative bis rechte Parteien in politische Verantwortung gehievt werden und auf die Sozialsysteme schielen, gilt es, Abwehrmechanismen zu stärken. Die muß bei der politischen Bildung durch Gewerkschaftsarbeit in den Betrieben beginnen. Ein Protestpiquet hier, eine Brandrede da wird kein scharfes Schwert sein bei der Verteidigung sozialer und demokratischer Interessen. Allzu viele Menschen , die aus Protest und Enttäuschung über den fehlenden Willen bisheriger sozialliberaler Regierungen zu Verbesserungen den Rattenfängern ihre Stimmen überließen, werden erst merken, was sie angerichtet haben, wenn es zu spät ist und der Sozialstaat EU-weit geschleift wurde. Deshalb gilt es jetzt wachsam zu bleiben und sich zu organisieren.

Quelle: Zeitung vum Lëtzebuerger Vollek

ZLV