Ein Handel statt Gerechtigkeit – Kommentar zur Entlassung von Julian Assange aus britischer Haft
Seine jahrelange Gefangenschaft hinter den Mauern der ecuadorianischen Botschaft und anschließend im Londoner Hochsicherheitsgefängnis Belmarsh war ein einziger Skandal. Die nun erfolgte Entlassung von Julian Assange ist eine gute Nachricht, doch handelt es sich dabei weder um einen Akt der Gnade noch um einen Triumph von Recht und Gerechtigkeit.
Umso mehr ist die Freiheit für den Wikileaks-Gründer ein Sieg der ausdauernden und weltweiten Solidarität mit dem Australier. Durch sie blieb sein Schicksal in der Öffentlichkeit präsent. Für Assange, dem Justiz und Geheimdienste der Weltmacht Nummer eins im Nacken saßen, war diese Unterstützung buchstäblich lebensrettend. Der Fall zeigt, was politischer Druck in Verbindung mit Diplomatie zwischen verfeindeten Seiten bewegen kann. Der Bundesregierung, die sich wegduckte, während an Assange ein Exempel statuiert wurde, ist dabei kein Kompliment zu machen.
Für seine Freiheit zahlt Assange einen Preis. In einem Punkt der aufgeblasenen Spionageanklage soll er sich schuldig bekennen. So verlieren seine Verfolger nicht ganz das Gesicht und können der Welt eine humanitäre Lösung vorgaukeln. Und Präsident Joe Biden bekommt rechtzeitig vor den Präsidentschaftswahlen ein Thema, das viele unbequeme Fragen aufwirft, vom Tisch.
Zugleich macht der Deal deutlich, dass der Ausgang des Assange-Dramas vorrangig keine juristische, sondern stets vor allem eine Frage des politischen Willens war. Egal, ob man in Assange einen Journalisten, Whistleblower oder Aktivisten sieht: Die Enthüllung von Komplotten und Staatsverbrechen durch Wikileaks war ein legitimer Dienst an der demokratischen Öffentlichkeit. Kein abgesprochener Schuldspruch eines US-Gerichts kann dem etwas anhaben.