„Ein Zeichen der Hoffnung“ : Peter Mertens zu den PVDA-PTB Wahlergebnisse
Übernommen von der Partei der Arbeit Belgiens:
Zwei Wochen nach der Wahl: Welches Gefühl herrscht heute bei Ihnen vor?
Peter: Vor allem Zufriedenheit, weil wir uns weiterentwickelt haben. „Die Marxisten haben sich einen Platz in unserem Land erobert“, schrieb eine gewisse Zeitung. Eine andere hat nachgelegt: „Wir dachten, dass die PVDA-PTB nach fünf Jahren im Parlament verschwinden würde.“ Nun, das ist nicht der Fall. Wir sind von 38 auf 50 gewählte Abgeordnete in allen Parlamenten gestiegen Auf Bundesebene steigen wir von 12 auf 15 Abgeordnete und im Europäischen Parlament von einem auf zwei gewählte Abgeordnete.
Dieses Ergebnis war nur dank des großartigen PTB-PVDA-Teams möglich. In unserer Partei gibt es ein sehr starkes „Wir“-Gefühl. Mehr als 20 000 Menschen – Mitglieder und Sympathisanten – haben für unsere Kampagne gearbeitet. Darauf bin ich sehr stolz. Überall hat dieses Team Dynamik, Optimismus und Enthusiasmus bewiesen Am Samstag vor der Wahl sagten mir einige Leute sogar, dass sie es bedauerten, dass der Wahlkampf vorbei sei. [lacht]
Was sind die wichtigsten Schlussfolgerungen, die wir aus den Ergebnissen unserer Partei ziehen können?
Peter: Da ist zunächst einmal der landesweite Zuwachs der Partei. Wir sind nun die viertgrößte Partei im Parlament. Wir erhalten 763 340 Stimmen. Ein Zuwachs von mindestens 200 000 Stimmen seit 2019. Einer von zehn Belgiern stimmt für uns.
Diese neuen Wähler stammen hauptsächlich aus den Industriegebieten des Landes. Dies war bereits um Charleroi und Lüttich der Fall, und wir sind dort mit Ergebnissen von über 20 % weiterhin sehr stark. Dies war auch im Industriegebiet von Gent in Zelzate der Fall, und wir haben uns dort weiter verstärkt. Einige industrielle Schwerpunkte sind hinzugekommen: die Achse der limburgischen Arbeitergemeinden um Genk und Maasmechelen, wo wir ein starkes Wachstum verzeichnen.
Aber auch die gesamte historische Achse Antwerpen-Brüssel, die traditionell eine rote Hochburg ist. Und sie färbt sich dank der PVDA-PTB wieder ein wenig rot, mit Ergebnissen von bis zu 18 % in Boom. Von dort aus zieht die rote Welle weiter nach Mechelen, Vilvoorde, Machelen und schließlich nach Brüssel. In Gemeinden, in denen überwiegend Arbeiter und Arbeiterinnen leben, erzielen wir sehr gute Ergebnisse. Vergleichen Sie dies zum Beispiel mit dem Fortschritt von Vooruit, der flämischen sozialistischen Partei. Auch in Flandern nimmt sie zu, erzielt aber vor allem in den reicheren Gemeinden bessere Ergebnisse.
Wir sind die Partei der breiten Arbeiterklasse, und das zeigt sich mit diesen Stimmen und mit den Abgeordneten aus der Arbeiterklasse, die wir in die Parlamente des Landes entsenden. Unter den 50 gewählten Vertretern der PVDA-PTB sind 18 Arbeiter.
Es ist uns auch gelungen, die Stimme der Jugendlichen zu erobern. Wie war das möglich?
Peter: Ja, das ist ein zweites Element. Der Politologe Dave Sinardet wies an einer Stelle darauf hin: „Die-PVDA-PTB weiß sehr gut, wie sie junge Menschen ansprechen kann.“ Und das zeigt sich auch an der Jugend, die wir in die Parlamente schicken. Zwölf PVDA-PTB-Abgeordnete sind jünger als 35 Jahre, sieben Abgeordnete sind jünger als 30 Jahre. Dieses Ergebnis haben wir mit Themen erzielt, die für junge Menschen wichtig sind, wie zum Beispiel der öffentliche Nahverkehr. Die meisten anderen Parteien haben sich zu diesem Thema sehr still verhalten, aber das war einer der Punkte, die Jos D’Haese, unser Fraktionsvorsitzender im flämischen Parlament und der beliebteste Politiker auf TikTok, auf unglaubliche Weise in Flandern übersetzen konnte.
Wir hatten also Themen und Persönlichkeiten, die junge Menschen ansprachen, und mit RedFox und Comac auch sehr aktive Jugendbewegungen. All das hat dazu geführt, dass wir bei den Jugendlichen sehr gute Ergebnisse erzielen konnten. In Brüssel sind wir wirklich die Partei der Jugend. Eine Studie der ULB zeigt, dass wir bei den jungen Leuten, die zum ersten Mal in der Hauptstadt gewählt haben, weit vorne liegen: 29 % gegenüber 9,7 % für die MR (liberale Partei).
Laut einer Analyse der Zeitung De Tijd erhalten wir übrigens die meisten unserer neuen Stimmen in den Gemeinden mit der jüngsten Bevölkerung. Und das ist sowohl in Flandern als auch in Wallonien und Brüssel der Fall. Der MR und Les Engagés (Die Engagierten, Mitte-Rechts Partei) erhalten die meisten ihrer neuen Stimmen in den Gemeinden, in denen die Bevölkerung am ältesten ist.
Was halten Sie vom allgemeinen Wahlergebnis fest?
Peter: Das erste, was ich festhalte, ist, dass überall die Regierungen hart bestraft wurden. Niemand hält sich viel damit auf, aber die Bundesregierung verlor 12 Sitze und die flämische Regierung sogar 14. Dies zeigt, dass es im ganzen Land einen großen Wunsch nach Veränderung gibt. Und dieser drückt sich auf unterschiedliche Weise aus. Bis zu einem gewissen Grad geht sie in Flandern und Brüssel in unsere Richtung, aber auf der wallonischen Seite geht sie auch in die Richtung von zentristischen Parteien wie Les Engagés oder einer radikal-liberalen Partei wie der MR.
Viele befürchteten, dass der Vlaams Belang (rechtsextreme Partei) die größte Partei im Norden des Landes werden würde, aber das ist nicht passiert.
Peter: Wir nehmen dem Vlaams Belang Stimmen ab, vor allem in den städtischen Gebieten, wo wir immer mehr Arbeiter und junge Leute gewinnen. Es ist unser Verdienst, dass der Vlaams Belang in diesen Regionen nicht besser abgeschnitten hat, und nicht der Verdienst der N-VA. Also ja, ich bin froh, dass es zum Teil unser Verdienst ist, dass der Vlaams Belang nicht zur größten Partei geworden ist.
Wir gehören eindeutig zu den Gewinnern der Wahlen in Flandern.
Peter: Auf jeden Fall. Im flämischen Parlament steigen wir von vier auf neun Sitze. Das ist mehr als das Doppelte. Zum ersten Mal in unserer Geschichte gewinnen wir übrigens auch Abgeordnete in Flämisch-Brabant und Westflandern. Wir haben nun Abgeordnete aus allen niederländischsprachigen Provinzen. Und wissen Sie, wir haben damit die Linke gestärkt. In Flandern erreichte die Linke insgesamt mit 29,5 Prozent ihr höchstes Ergebnis seit dreißig Jahren. Dies ist dem Aufstieg der PVDA-PTB zu verdanken, die wirklich die Lokomotive der Linken war, indem sie es schaffte, linke Themen wie die Millionärssteuer in den Mittelpunkt des Wahlkampfs zu stellen, und verhinderte, dass die Rechte und die extreme Rechte nur ihre Themen durchsetzten.
Lassen Sie uns nun über Antwerpen sprechen. Jeder, egal auf welcher Seite er stand, war erstaunt über unsere guten Ergebnisse. Sie auch?
Peter: Ja, 22,9 % in der Stadt Antwerpen zu erreichen, ist offensichtlich historisch. Wir sind dort die zweitstärkste Partei. Ich war auch überrascht, dass der Abstand zwischen uns und der größten Partei, der N-VA, so gering war. Sie sinken auf 25,4 Prozent. So erleidet Bart De Wever in der Stadt, in der er Bürgermeister ist, seine zweitgrößte Niederlage.
Es gibt wirklich eine große Welle von Menschen, die zur PVDA-PTB gekommen sind. Wir erzielen in allen Bezirken gute Ergebnisse. Wir wussten bereits, dass wir bei jungen Leuten beliebt sind, aber auch bei älteren Menschen erzielen wir hervorragende Ergebnisse. Und zwar in allen Altersgruppen. Man kann wirklich von einer breiten Welle zu unseren Gunsten sprechen.
Und wir lassen auch den Vlaams Belang hinter uns.
Peter: Ja, wir haben den Vlaams Belang wirklich stark überholt. Er erreicht noch 15,8 Prozent und wir 22,9 Prozent. In den letzten Tagen haben wir viele Nachrichten zu diesem Thema erhalten. Die Tatsache, dass wir den Vlaams Belang so deutlich überholt haben, ist ein Zeichen der Hoffnung für die Zukunft. Denn Antwerpen war schon immer ein politisches Laboratorium. Es ist die Stadt, in der der Vlaams Belang – damals noch Vlaams Blok – und auch die Grünen entstanden sind.
Heute lässt sich feststellen, dass die PVDA-PTB über ein enormes Wachstumspotenzial verfügt. Dies gilt für das ganze Land. Wir zeigen, dass eine offensive Linke, die sich der Sorgen der Menschen annimmt und mit einem starken Sozialprogramm kommt, die Herzen der Arbeiterklasse und der Jugend gewinnen und die Rechte und die extreme Rechte zurückdrängen kann.
Und vielleicht nach den Kommunalwahlen im Oktober die Stadt regieren?
Peter: Ich glaube, dass mit den drei linken Parteien in Antwerpen (PVDA-PTB, Vooruit und Grünen) etwas möglich ist. Das Ergebnis gibt uns nun insgesamt 46 Prozent der Stimmen. Und die Antwerpener sehnen sich nach Veränderungen. Die Stadt befindet sich in einer enormen sozialen Krise. Man muss sich nur die Wohnungskrise ansehen, aber auch die öffentlichen Verkehrsmittel, die überall Probleme bereiten.
Wir erhalten auch Signale aus dem gemeinnützigen Umfeld, wo man etwas anderes als die asoziale Politik von Bart De Wever will. In Antwerpen gibt es also in weiten Teilen der Bevölkerung eine enorme Sehnsucht nach Veränderung. Nicht nur in der Arbeiterklasse und unter Jugendlichen, sondern auch in der Mittelschicht und bei den Freiberuflern.
Ein weiterer Ort, an dem wir sehr gute Ergebnisse erzielt haben, ist Brüssel. In der europäischen Hauptstadt erhielt die PVDA-PTB 20,9%. Das ist im Vergleich zum restlichen Europa überraschend.
Peter: In der Tat. Ausländische Journalisten beginnen sich zu fragen, was in der Hauptstadt Europas vor sich geht. Stellen Sie sich vor, Marxisten würden in Washington 20,9 Prozent erreichen. Jeder würde sich fragen: „Was ist los?“ Wir steigen von 11 auf 16 gewählte Abgeordnete im Brüsseler Parlament und werden zur drittstärksten Partei in der Hauptstadt.
Dabei handelt es sich jedoch nicht um eine Geschichte ausschließlich in Brüssel. Das ist die Geschichte der DNA unserer Partei : es sind unsere Sektionen in den verschiedenen Brüsseler Gemeinden, die in den letzten Jahren hart gearbeitet haben. Dort haben wir fantastische neue Gruppen gebildet und überall Sektionen mit unglaublich dynamischen Menschen gegründet: Jugendliche, Frauen, Arbeiter, Taxifahrer, Busfahrer usw. Und was für eine Kampagne sie geführt haben!
In Brüssel verlief die Kampagne jedoch etwas anders als in den anderen Städten.
Peter: Wir haben Insbesondere in Brüssel gewonnen, weil wir die Dinge beim Namen genannt haben. Einerseits mit Brüsseler Stolz: eine Haltung, die der der verbitterten separatistischen Parteien, die nur auf Brüssel herabschauen, diametral entgegengesetzt ist. Andererseits haben wir auch unverblümt über die soziale Krise gesprochen. In Brüssel herrscht die größte Wohnungskrise des ganzen Landes. Die Region Brüssel ist eine unterfinanzierte Region, die aufgrund politischer Spielchen auf anderen Ebenen finanziell fast ausgeblutet ist.
Unsere Kampagne konzentrierte sich auf den Bruch mit der aktuellen Politik. „Die Wahl des Bruchs“ – so lautete unser Slogan. Es ist die Entscheidung für eine radikale Veränderung. Einer von fünf Brüsselern hat für uns gestimmt, und diese Stimme ist die Stimme der Hoffnung auf einen echten Wandel in Brüssel. Ich bin sehr froh, dass wir diese Hoffnung repräsentieren.
Hat ein Thema wie der Krieg in Gaza nicht eine wichtige Rolle gespielt?
Peter: Die Partei war seit ihrer Gründung vor 40 oder 50 Jahren in der Palästinafrage aktiv. Und das ist sie auch heute noch. Ich denke, die Menschen respektieren das. Aber ich glaube nicht, dass dies einer der Hauptgründe ist, warum sie für uns gestimmt haben. Ich glaube, sie betrachten die PVDA-PTB als die Partei, die systematisch auf ihrer Seite steht, selbst wenn es um Palästina geht.
Aber erst seit März 2023 zeigen die Umfragen den starken Anstieg der PVDA-PTB in Brüssel. Also lange vor dem Krieg in Gaza.
Wir haben während der gesamten Kampagne unsere eigenen sozialen Themen in den Vordergrund gestellt, wie überall im Land. Man hat gesehen, dass die Frage der Kaufkraft und der Steuergerechtigkeit für alle eine Priorität ist. Es herrscht allgemeine Wut über die Kultur der Privilegien in der Politik. Überall wollen die Menschen soziale Lösungen für das Klima und für einen guten und bezahlbaren öffentlichen Verkehr. In Brüssel, Wallonien und Flandern war es das Gleiche.
Ich denke, dass viele Menschen in den Arbeitervierteln – auch diejenigen mit Migrationshintergrund – vor allem über die Wohnungskrise, Mobilitätsprobleme, die Frage des Rentenalters usw. besorgt sind und Lösungen wollen. Sie haben für uns gestimmt, weil sie Arbeiter oder Jugendliche sind, und wir uns ihrer Probleme annehmen.
In einigen Stadtteilen in Brüssel ist die PVDA-PTB sogar die stärkste Partei.
Peter: Genau! Dies ist insbesondere in Anderlecht, Molenbeek und Saint-Gilles der Fall. In nicht wenigen anderen Gemeinden stehen wir an zweiter Stelle. Dies wird also auch dazu führen, dass wir nach den Kommunalwahlen im Oktober dieses Jahres wichtige Aufgaben übernehmen werden. Es ist klar, dass Brüssel für die Hoffnung, für einen radikalen Wandel gestimmt hat. Und dieses Signal muss gehört werden.
Die Partei verzeichnet in Flandern und Brüssel ein starkes Wachstum, auf der wallonischen Seite jedoch einen leichten Rückgang. Was hat nicht funktioniert?
Peter: In Wallonien gab es einen starken Vorstoß in Richtung Zentrum und Rechte. Wir sahen eine Art Doppelwelle: die der Engagierten, der ehemaligen Christdemokraten, und die der Rechtsliberalen mit dem MR und seinem Vorsitzenden Georges-Louis Bouchez.
Beide Parteien haben jeweils 10 % zugelegt, und man sieht, dass alle anderen Parteien in Wallonien im Niedergang begriffen sind. Ecolo wurde mit einem Verlust von 7,5 % besonders hart getroffen. Die PS verlor 3 %.
Wir sind die linke Partei, die sich am besten hält. Insgesamt verloren wir in der wallonischen Region 1,6 %. In ländlichen Gebieten haben wir etwas mehr verloren, aber in den eher industriellen Gemeinden halten wir uns mit Werten zwischen 15 und 20 Prozent relativ gut. Dies ist zu begrüßen. In Großstädten und bei Jugendlichen erzielen wir immer sehr gute Ergebnisse.
Wie kommt es, dass der MR und Les Engagés so gute Ergebnisse erzielt haben?
Peter: Les Engagés stellte sich als neue Partei vor. Viele Menschen glaubten daran. Sie bezeichnen sich selbst als eine Partei, die „weder links noch rechts“ ist. Ähnlich wie das, was Macron in Frankreich getan hat. Es funktionierte. Andererseits sieht man, dass Georges-Louis Bouchez‘ extrem unverfrorener Stil ihm Stimmen eingebracht hat. Er führte eine sehr aggressive Kampagne, indem er nach unten trat: über Arbeitssuchende, Langzeitkranke usw.
Hat die französischsprachige belgische Linke darauf keine Antwort gefunden?
Peter: Zunächst einmal saßen sowohl die PS als auch Ecolo in der föderalen Regierung und verteidigten weiterhin ihre Bilanz. Und im Süden des Landes – mehr noch als in Flandern – waren viele Menschen unzufrieden. Die Regierung hielt an dem Gesetz über die Lohnsperre fest. Sie behielt das Renteneintrittsalter von 67 Jahren bei. Sie führte keine Vermögenssteuer ein. All dies sind Punkte, zu denen die regierenden linken Parteien in den vergangenen Wahlkämpfen große Versprechungen gemacht haben, von denen jedoch nichts umgesetzt wurde. Die Regierung war zu Recht Gegenstand großer Unzufriedenheit.
Darüber hinaus führte die PS eine sehr harte Kampagne gegen die PVDA-PTB. Sie haben fast 20 Videos in sozialen Netzwerken gegen die PVDA-PTB sponsern lassen, doppelt so viele wie gegen die MR, während sie kein einziges Video gegen Les Engagés gemacht haben.
Sie stellten wichtige Kämpfe der Linken – wie die Rückkehr des Rentenalters auf 65 Jahre und die Revision des Gesetzes über die Lohnsperre – als unrealistische oder unmögliche Ziele dar. Sie haben Fatalismus gesät und verhindert, dass Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer daran glauben, dass ein Projekt des sozialen Bruchs möglich sei. Schließlich öffneten sie die Tür für Les Engagés, indem sie erklärten, dass sie die besten Partner für eine fortschrittliche Koalition wären.
Was hätten wir besser machen können?
Peter: Wir müssen ehrlich sein: wir haben es auch nicht ausreichend geschafft, den Wunsch der Menschen nach Veränderung auf unserer Seite zu gewinnen. Das lag zum Teil daran, dass sie uns nicht als DIE Stimme betrachtet haben, die für Veränderungen notwendig ist. Während des Wahlkampfs stellten uns die anderen Parteien so dar, als ob unsere Partei nicht an die Regierung kommen will, also eine vergeudete Stimme. Das hat sich gegen uns gerichtet. Wir müssen prüfen, wie wir dafür sorgen können, dass das Streben nach Veränderung zu uns zurückkehrt und nicht zu den Engagierten.
Die MR erschien auch als dynamische Kraft angesichts der Unbeweglichkeit der PS, sogar unter einigen Leuten, die beim letzten Mal für uns gestimmt hatten. Es ist uns nicht gelungen, den unsozialen Charakter des MR aufzuzeigen. Bouchez stellt sich als eine Art belgischer Sarkozy der Erneuerung dar, doch seine Partei ist seit 25 Jahren ununterbrochen an der Macht. Sie haben das Renteneintrittsalter auf 67 Jahre hinausgeschoben, im Gesundheitswesen gekürzt und versucht, zu privatisieren, wo immer sie konnten. Sie haben im Wahlkampf behauptet, sie würden die Löhne der Arbeitnehmer verteidigen und die Steuern senken wollen, aber sie waren es, die in der Vergangenheit unsere Löhne eingefroren, einen Indexsprung durchgesetzt und die Mehrwertsteuer für Energie auf 21 Prozent erhöht haben.
Schließlich konnte uns der MR als Teil der traditionellen Linken darstellen. Wir haben PS und Ecolo die Hand gereicht, und die MR hat die Gelegenheit genutzt, um sich als einzige Kraft des Wandels zu präsentieren. So seltsam es auch klingen mag, haben wir also einen Teil unseres Anti-Establishment-Charakters an den MR verloren.
Die PVDA-PTB könnte es in Wallonien also besser machen.
Peter: Ja, trotz der schwierigen Umstände – der doppelten MR/Engagierten-Welle – geht es uns gut, dank unserer Basis in den Industriegebieten, in den Großstädten und unter den Jugendlichen, und indem wir an einigen Orten wachsen. Dies trägt auch zum Gesamtaufstieg der PVDA-PTB im ganzen Land bei.
Und das ist immer noch bemerkenswert, während eine rechte Welle über Europa schwappt. Der Erfolg der PVDA-PTB steht im Gegensatz zu diesem Trend.
Peter: Das stimmt. In Frankreich waren die Europawahlen von einem Aufschwung der extremen Rechten geprägt. Sie hat die Partei von Präsident Macron fast von der Landkarte getilgt, der in Panik zu Neuwahlen aufrief. Die Abneigung der Franzosen gegen diese liberale Politik ist total. Das beweist einmal mehr, dass man mit einer rechten Sparpolitik der extremen Rechten Tür und Tor öffnet. Das ist eine wichtige Lektion für alle künftigen Wahlen.
In Deutschland ist ungefähr das Gleiche passiert. Die Koalition aus Sozialdemokraten, Grünen und Liberalen hat ebenfalls schwere Schläge einstecken müssen. Die Stimmen der Grünen gingen dort um die Hälfte zurück und die rechtsextreme AfD gewann.
Zwischen Deutschland und Frankreich liegt Belgien, wo dieser Wunsch nach Veränderung auf vielfältigere Weise zum Ausdruck kam. Die extreme Rechte hat auch hier zugelegt, ebenso wie der Hardcore-Liberalismus des MR und die zentristische Ausrichtung der Engagierten. Was jedoch spezifisch für Belgien ist, ist das Wachstum der authentischen Linken. Und das ist, denke ich, ein Zeichen der Hoffnung und Inspiration, um die Linke in ganz Europa wieder aufzurichten.
Wie kommt es, dass wir Erfolg haben, wo Parteien der radikalen Linken anderswo in Europa scheitern?
Peter: Wir haben immer gesagt, dass wir eine authentische Partei aufbauen wollen, die mit beiden Beinen auf dem Boden steht. Wir wollen nicht zu einer Partei der Schönredner werden, sondern eine Partei bleiben, die in den Arbeitervierteln verankert ist. Das ist unsere DNA .
Es klingt einfach, ist es aber nicht. In vielen europäischen Ländern hat sich die klassische Sozialdemokratie von den Arbeitervierteln entfernt. Die Volkshäuser wurden geschlossen, die Musikkapellen aufgelöst, das gesamte soziokulturelle Leben des politischen Flügels der Gewerkschaftsbewegung wurde in den letzten 30 bis 40 Jahren schrittweise unterdrückt.
All dies wieder aufzubauen, wird eine langwierige Aufgabe sein. Wir arbeiten seit unserem Erneuerungskongress 2008 daran. Wir haben entschieden, unser Rückgrat zu behalten: wir bleiben eine marxistische Partei, deren Kompass auf eine sozialistische Gesellschaft ausgerichtet ist.
Wir verfolgen den notwendigen Traum von einer Gesellschaft ohne Ausbeutung von Menschen und Plünderung der Natur. Wir glauben an die Macht und die Dynamik der Menschen, Dinge zu verändern, nicht anstelle des Volkes, sondern mit dem Volk. Deshalb gehen wir weiterhin jeden Tag auf die Straße, und trotz aller Hindernisse machen wir Fortschritte.
Es gibt also keine magische Lösung…
Peter: Die magische Lösung sind all unsere Sektionen vor Ort, die mit eigenen Händen die Drecksarbeit machen und jeden Tag hart schuften. Die keine Angst davor haben, die Ärmel hochzukrempeln, und mit einem soliden sozialen Kompass ausgestattet sind, der auf den Sozialismus ausgerichtet ist. Mit unglaublicher Anstrengung und Engagement und mit viel Hoffnung. Wir sind eine Partei der Hoffnung. Das zeigt sich auch daran, dass viele junge Menschen an unserer Kampagne teilgenommen haben. Wir strahlen etwas Positives aus. Für mich gibt es keinen Zaubertrank mit Sofortwirkung. Nur durch langfristige Arbeit kann man etwas bewegen, und das hat das gesamte Team der PVDA-PTB mit all diesen fantastischen Aktivisten getan. Ich möchte nicht Generalsekretär einer anderen Partei als der PVDA-PTB sein.
Die Rolle des Erneuerungskongresses von 2008Peter: Dieses Ergebnis ist ein weiterer Schritt in dem Prozess, den wir 2008 mit dem Erneuerungskongress der PVDA-PTB begonnen haben. Wir arbeiten bereits seit über fünfzehn Jahren daran. Einen ersten Durchbruch erzielten wir bei den Kommunalwahlen 2012 in den Städten Antwerpen, Lüttich und Brüssel. In den Jahren 2014 und 2019 haben wir auch auf Bundes- und Landesebene den Durchbruch geschafft. Heute erleben wir nicht nur eine Konsolidierung dieses Fortschritts, sondern auch weitere Fortschritte. Während unseres Erneuerungsprozesses hatten wir einen Zeitplan für die Entwicklung der Partei ausgearbeitet. Wir kamen von weit her und wollten etwas Solides von unten, aus der Arbeit vor Ort, aufbauen. In einigen linken Kreisen der damaligen Zeit gehörte es zum guten Ton, alles von einer Persönlichkeit abhängig zu machen, um in den Arbeitervierteln und an den Arbeitsplätzen keine Organisationen aufzubauen. Und doch haben wir genau das erreicht. Wir haben ein solides Steinhaus gebaut. Manche bauen ein Strohhaus, andere ein Holzhaus, wie im Märchen von den drei kleinen Schweinchen, aber beim ersten Sturm stürzt alles ein. Wir wollten ein Haus aus Ziegelsteinen. Und zugegeben, es dauerte etwas länger, so etwas zu bauen, aber dadurch konnten wir den Turbulenzen, die über uns hereinbrachen, besser standhalten. Und die wird es natürlich immer geben. Vor uns liegen zahlreiche Herausforderungen in sozialer, demokratischer und ökologischer Hinsicht. |
Quelle: Partei der Arbeit Belgiens