Nebenwirkungen der Wohnungskrise
Seit rund 18 Jahren wohnt Marcel A. zur Miete in einem ansehnlichen Appartementhaus. Aus familiären Gründen ist vor vier Jahren die Tochter zugezogen, da sie auf dem freien Markt keine bezahlbare Bleibe finden konnte. Eigentlich nicht die schlechteste Ausgangslage, eine Krise zu überwinden, doch es hat wie so oft einen Haken…
Auch wenn es müßig ist, ständig auf den eklatanten Wohnungsmangel hinzuweisen, so trifft dies leider auch auf Klagen vieler Mieter zu. Man darf halt nicht wählerisch sein, wenn die Rente mickrig ausfällt. Doch ein Dach über dem Kopf kann zuweilen für Verdruss sorgen. Wie bei der Familie A. aus Esch/Alzette…
Alte Liebe rostet nicht, Wasserleitungen schon
In der Mietwohnung sieht alles auf den ersten Blick gut und gepflegt aus. Man mag es ordentlich. Es ist das Badezimmer, das der Tochter immer mehr Sorgenfalten auf die Stirn treibt. Baden fällt »seit geraumer Zeit« aus. Der Grund ist simpel: die Leitungen sind undicht, und es tropft in die darunterliegende Wohnung. »Der Vermieter weiß schon seit langem Bescheid, und war auch schon vor Ort, um sich ein Bild zu machen« berichtet Germaine A.
Es wurde also geprüft und es soll sogar Kostenvoranschläge für die Instandsetzung geben. Passiert ist derweil allerdings nichts. Somit wird die Körperpflege, auch mit Blick auf das Alter, zur Herausforderung.
Damit nicht genug. Die 2016 vorgenommene Installation eines Heizkessels und der damit verbundene Gas-Anschluss sind entsprechenden Unterlagen zufolge nicht konform. Südgaz hatte bereits im März 2020 festgestellt, dass 1. die Befestigung ungenügend ist, und 2. dass hier nicht-reguläres Material verarbeitet wurde. Schon hier hätte der Vermieter nachbessern müssen. Eigentlich ist dieser auch angehalten, Südgaz über den Abschluss der Arbeiten zu informieren.
Im Juni 2022 war dann die Firma Genista im Haus. Die hat die gleichen Mängel erneut im Abnahmeprotokoll über die Kontrolle der mit gasförmigem Brennstoff versorgten Verbrennungsanlagen vermerkt. Dem Vermieter sei auch ein Kostenvoranschlag gemacht worden sein. Alles in allem würde dann die Renovierung des Badezimmers rund 18.000 Euro kosten. Dies ist dem Besitzer zu teuer, weshalb er sich noch andere Angebote einholte, die aus seiner Sicht auch nicht zufriedenstellend waren. Da nun aber Vater und Tochter nicht locker ließen und auf eine zeitnahe Instandsetzung bestanden, kam vom Vermieter im April die Kündigung des Mietvertrages.
Behörden sind die Hände gebunden
Natürlich haben Germaine und Vater Marcel auch die zuständigen Instanzen bei der Gemeinde informiert. Die aber haben einen sehr eng bemessenen Spielraum. So wurde uns vertraulich mitgeteilt, dass man natürlich gegen die Zustände vorgehen könnte, was dann aber mit dem Umstand einhergehe, dass die Wohnung als nicht bewohnbar gelten würde. Wohin aber mit den Leuten? »Wir haben gar nicht die Mittel, den Betroffenen hier zu helfen, und ganz allgemein betrachtet sind wir für solche Mängel auch nicht zuständig«, so die kurze Antwort.
Vielleicht könnte die Gemeinde der Frau aber helfen, anderweitig eine Wohnung zu finden. Ihr Vater wäre bereit, in ein Altersheim zu gehen und gar so viel Platz braucht Germaine A. nicht. Doch auch dies scheint unmöglich angesichts des eklatanten Mangels an Wohnraum.
Nun ist es wichtig, darauf hinzuweisen, dass die Misere von Germaine und ihrem Vater kein Einzelfall ist. Sicher mag es im Detail Unterschiede geben, doch allen Fällen gemein ist die Tatsache, dass es derzeit kaum möglich ist, Lösungen zu finden. Eigentlich sollten die zuständigen Behörden dafür Sorge tragen, dass die Auflagen, insbesondere solche, die die Sicherheit der Bewohner betreffen, eingehalten werden. Wer ist verantwortlich, falls dann wirklich ein Unglück passiert?
Nur die Spitze des Eisbergs
In diesem Kontext muss auch vermerkt werden, dass die seinerzeit erhobenen Vorwürfe gegen Café-Besitzer, die »Zimmer« in fragwürdigem Zustand vermietet hatten, kaum noch wahrgenommen werden. Die Lage aber ist weitgehend die gleiche. Es wurde viel verschönert, sogar Feuerlöscher wurden angeschafft, und auch sonst war man bemüht, die Auflagen zu erfüllen.
Weit gekommen ist man damit nicht, denn es gab und gibt leider sehr wenig Kontrollen. Dies immer mit Blick auf die Wohnungskrise und die Feststellung, dass man nicht wüsste, wohin mit den Menschen, deren Wohnraum schon aus hygienischen Gründen geräumt werden müsste. Für Vater und Tochter ist dies kein Trost, und es wird ihnen wohl nur ein Anwalt helfen können. Der wiederum kostet Geld, und es kann Jahre dauern, bis die Klage vor Gericht behandelt wird.
Das ist nur die Spitze des Eisbergs. Dass es mal so kommen könnte und würde, war bereits vor 30 Jahren zumindest den politischen Entscheidungsträgern klar. Als man damals vom »Eine-Million-Einwohner-Land« sprach, war allen Akteuren bewusst, dass dies spätestens mit dem verfügbaren Wohnraum kompliziert wäre. Es gab wohl Konzepte und Geld, aber wo diese abgeblieben sind, weiß keiner…
Quelle: Zeitung vum Lëtzebuerger Vollek