Regierungslager mit Les Républicains gegen Nouveau Front populaire
Übernommen von der Zeitung vum Lëtzebuerger Vollek:
Bei der Wahl des Präsidenten der französischen Nationalversammlung am Donnerstagabend wurde Yaël Braun-Pivet, die bisherige Inhaberin dieses dritthöchsten Amtes der Republik, wiedergewählt. Sie schlug in der dritten Abstimmungsrunde mit 13 Stimmen Vorsprung knapp den Gegenkandidaten des Nouveau Front populaire, den Kommunisten André Chassaigne. Für sie wurden 220 Stimmen abgegeben, für ihn 207. Der Kandidat des rechtsextremen Rassemblement National erhielt 141 Stimmen.
Braun-Pivet kam zugute, daß dank einer Absprache des Regierungslagers mit der rechten Oppositionspartei der Republikaner (LR) deren Fraktion geschlossen für sie gestimmt hat. Der LR-Fraktionsvorsitzende Laurent Wauquiez betonte jedoch im Anschluß an die Abstimmung, daß dieses Zusammengehen mit den »Macronisten« kein Vorgriff auf eine eventuelle Allianz sei, um dem Regierungslager zu einer Abstimmungsmehrheit im Parlament zu verhelfen, sondern in diesem speziellen Falle »ein gemeinsames Bollwerk gegen die vereinte Linke«.
Auf die Abstimmung hatte auch die Entscheidung von Präsident Emmanuel Macron Einfluß, am vergangenen Dienstag und damit gerade noch rechtzeitig, den Rücktritt der Regierung anzunehmen. So konnten die 17 Minister, die bei der vorgezogenen Parlamentswahl vom 30. Juni und 7. Juli einen Sitz errungen hatten, am Donnerstag bereits an der Abstimmung über den Parlamentsvorsitz teilnehmen. »Diese 17 zusätzlichen Stimmen machen mehr als die 13 Stimmen Vorsprung bei der Abstimmung aus«, betonte im Anschluß André Chassaigne. »Damit ist das Votum des Volkes durch eine widernatürliche Allianz gestohlen worden.«
Yaël Braun-Pivet erklärte nach der Abstimmung, sie wolle an der Spitze der Nationalversammlung »weiter an Innovationen arbeiten« und sie versicherte: »Ich werde unverzüglich die Fraktionsvorsitzenden zusammenrufen, um gemeinsam zu beraten, durch welche neuen Methoden die Arbeit des Parlaments verbessert werden kann.« Vor allem gelte es, anstelle von Konfrontation »mehr den Dialog zu üben und Kompromisse einzugehen«. Politische Gegner werfen ihr vor, sie betone jetzt, sie sei zu Kompromissen bereit und dazu in der Lage, während sie es in ihrer bisherigen Amtszeit gerade daran fehlen ließ. Davon zeugte in der Legislaturperiode 2022-2024 ihre Unterstützung für die Taktik der Regierung, wegen der mangelnden Mehrheit im Parlament umstrittene Gesetze wie das über die »Rentenreform« mit Hilfe des Ausnahme-Paragraphen 49.3 durchzudrücken.
Yaël Braun-Pivet wurde 1970 in Nancy geboren. Ihre Großeltern waren in den 1930er Jahren vor den Pogromen in Polen nach Frankreich geflüchtet, wo ihr Großvater während des Krieges in der Résistance gekämpft hat. Sie hat in Nancy Jura studiert und dann als Anwältin gearbeitet. Gleichzeitig war sie für Bürgervereinigungen ehrenamtlich als juristische Beraterin tätig. Sie war kurze Zeit Mitglied der Sozialistischen Partei, bevor sie 2016 zu der von Emmanuel Macron gegründeten Bewegung En marche überwechselte.
Nachdem Macron 2017 zum Präsidenten gewählt worden war, kandidierte sie bei der anschließenden Parlamentswahl, wurde zur Abgeordneten gewählt und stieg im Parlament ins Amt der Präsidentin der einflußreichen Gesetzes-Kommission auf. Bei den Parlamentswahlen 2022 und 2024 wurde sie als Abgeordnete wiedergewählt. Im Mai/Juni 2022 war sie kurzzeitig Ministerin für die Überseegebiete, bevor sie Ende Juni 2022 zur Präsidentin der Assemblée nationale gewählt wurde.
Quelle: Zeitung vum Lëtzebuerger Vollek