9. November 2024

Marktkonforme Wärmewende

Übernommen von Unsere Zeit:

Im September des vergangenen Jahres passierte das Gebäudeenergiegesetz (GEG), besser bekannt als „Heizungsgesetz“, den Bundestag. Mit einer Mischung aus Unfähigkeit, autoritärem Durchsetzungswillen und grotesk schlechter Kommunikation hatte Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) zuvor den Zorn der Bevölkerung auf sich gezogen. Dass er es nicht sein lassen kann, stellte Habeck im Mai dieses Jahres unter Beweis. Bei einem „Bürgerdialog“ plauderte der Minister aus dem Nähkästchen. „Die Debatte um das Gebäudeenergiegesetz, also wie heizen wir in Zukunft, war ja ehrlicherweise auch ein Test, wie weit die Gesellschaft bereit ist, Klimaschutz – wenn er konkret wird – zu tragen“, erzählte er und setzte sich damit erneut in die Nesseln.

Das am Ende beschlossene Heizungsgesetz ist eine abgespeckte Version des ursprünglichen Vorhabens. Es legt fest, dass nur noch Heizungen verbaut und betrieben werden dürfen, die zu mindestens 65 Prozent aus erneuerbaren Energien gespeist werden. Allerdings wurden die Fristen dafür angepasst und von dem Vorhandensein einer kommunalen Wärmeplanung abhängig gemacht. Damit liegt der Ball zunächst bei den Kommunen: Große Städte mit mehr als 100.000 Einwohnern müssen ihre Wärmeplanung bis zur Jahresmitte 2026 abgeschlossen haben. Kleinere Gemeinden sollen bis zum 30. Juni 2028 folgen.

In diesen Plänen wird die Fernwärmeversorgung eine Schlüsselrolle spielen. Das Ziel: 100.000 neue Anschlüsse pro Jahr. Um den geforderten Ausbau der Fernwärme stemmen zu können, fordert der Deutsche Städte- und Gemeindebund drei Milliarden Euro vom Bund – und zwar jährlich bis mindestens 2035. Die Ampel-Regierung stellt bislang lediglich drei Milliarden Euro bis zum Jahr 2026 in Aussicht. Die Unterfinanzierung durch den Bund und die prekäre finanzielle Lage der Kommunen werden absehbar dazu führen, dass die Stadtwerke sich den Netzausbau von ihren Kunden bezahlen lassen werden. Dadurch werden die Kosten der Wärmewende erneut auf die Bevölkerung abgewälzt – wenn auch nicht mehr vollständig durch den Zwang zum Heizungstausch.

Die Möglichkeiten zur Gegenwehr sind beschränkt: Fernwärmeanbieter beherrschen ein lokales Monopol. Ein Anbieterwechsel oder der Vergleich von unterschiedlichen Tarifen ist nicht möglich. Zudem gelten in vielen Gebieten mit einem Fernwärmenetz von der Gemeinde erlassene Anschluss- und Benutzungszwänge. Die Heizkosten der betroffenen Haushalte hängen also vollständig von der Preispolitik des örtlichen Anbieters ab.

Diese Gemengelage widerspricht einer gemeinwohlorientierten Fernwärmeversorgung als Teil der öffentlichen Daseinsvorsorge, wie sie zum Beispiel in der DDR existierte. Diese müsste zunächst auskömmlich finanziert sein. Auch die Preise müssten kontrolliert und bezahlbar ausgestaltet werden. Im kürzlich vorgelegten Entwurf der neuen Fernwärmeverordnung findet sich allerdings nichts davon – zur Freude der Versorger. Kerstin Andreae vom „Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft“ bezeichnete das Fehlen eines Preisdeckels in der Verordnung als „gut“, wie die „Zeitung für kommunale Wirtschaft“ berichtete. Auch der „Verband kommunaler Unternehmen“ setzt auf Marktmechanismen statt öffentliche Kontrolle. „Eine Regulierung der Verbraucherpreise wäre bürokratisch aufwendig und insbesondere bei kleinen Fernwärmenetzen unverhältnismäßig“, heißt es in einer aktuellen Erklärung.

Anders sieht das der Bundesverband der Verbraucherzentralen. Eine endgültige Stellungnahme zum Gesetz wird der Verband erst in den kommenden Wochen abgeben. Auf Anfrage von UZ stellte der Verband jedoch schon eine erste Einschätzung des Energieexperten Thomas Engelke zur Verfügung. Zwar gebe es „einige Fortschritte für private Haushalte“, wie beispielsweise neue Transparenzpflichten. „Ein zentraler Punkt fehlt dagegen im Verordnungsentwurf komplett: Die bundesweite Preisaufsicht. Der Fernwärmemarkt stellt im Energiesektor das stärkste Monopol dar“, so Engelke. Verbraucher müssten „wirkungsvoll vor schwarzen Schafen geschützt werden“.

Quelle: Unsere Zeit

UZ - Unsere Zeit