23. Dezember 2024

Mehr Geld gibt es nur für Kapitalisten, nicht für Erwerbstätige

Übernommen von Yeni Hayat / Neues Leben:

Mustafa Yalçıner

Vor Juli 2023 betrug der Nettomindestlohn in der Türkei 8.506 TL. Seit Januar 2024 liegt er bei 17.002 TL (= 448 Euro, am 26. August entsprachen 100 Lira ca. 2,60 Euro). Im Juli 2024 gab es weder eine Erhöhung des Mindestlohns noch die für die Türkei üblichen Juli-Lohnerhöhungen, um die Löhne an die Inflation anzupassen, außer in einigen wenigen Arbeitsstätten. Aber die Entlassungen, die im letzten Jahr landesweit begonnen haben, haben zugenommen und werden angesichts der Rezession zwangsläufig nicht aufhören.

Die Inflation ist zwischen letztem und diesem Jahr um nicht weniger als 100 Prozent gestiegen. Offiziell liegt sie bei 73 Prozent. Die Türkei zählt weltweit zu den Top 5 Ländern mit der höchsten Inflation. Es gibt keinen Preis für grundlegende Konsumgüter, die sich nicht mindestens vervielfacht hätten. Auf der anderen Seite wies der Haushalt allein im Juli ein Defizit von rund 100 Milliarden TL auf.

Doch was war die absurde Begründung dafür, den Mindestlohn nicht anzuheben? Neben der Standardfloskel „Es ist kein Geld da!“ wurde erklärt, eine Erhöhung des Mindestlohns würde die Inflation steigern. Auf der anderen Seite fällt eine enorme Verschwendung von Ressourcen auf. Mit Luxusautos und Auslandshotelausgaben zum Beispiel hält sich das Präsidium für religiöse Angelegenheiten nicht hinterm Berg. Und es ist bekannt, dass Präsident Erdoğan an seinem Status und Prestige stark festhält. Während allein diesen Sommer etliche Waldbrände „aus Mangel an Einsatzflugzeugen“ nicht verhindert werden konnten, verfügt der Präsident über 13 Flugzeuge in seinem eigenen Dienst. Zum letzten NATO-Treffen in Washington reisten er und seine Gefolgschaft mit 5 Flugzeugen an. Ein Flugzeug transportierte nur die Autos, die er während seines Aufenthaltes benutzen wollte.

Die Höhe des Budgets des Palastes für das Jahr 2024 beläuft sich auf mindestens 12,3 Milliarden TL, mit einer Option, bei Überschreitung des Budgets ohne Aufwand zu erhöhen. Bisher nahm Präsident Erdoğan diese Option jedes Jahr wahr. Außerdem steigen die Ausgaben des Palastes jedes Jahr nicht nur in der Höhe, sondern auch im Verhältnis.

Im Jahr 2014 beliefen sich die Ausgaben des Palastes beispielsweise auf 244.631.000 TL, was damals ungefähr dem Gesamtlohn von 290.000 Mindestlohnarbeitern entsprach. Im Jahr 2024 stiegen sie auf etwa 12,3 Mrd. TL und entsprechen diesmal dem Gesamtlohn von 723.000 Mindestlohnempfängern. Teelöffel für Lohnempfänger, Kessel für Erdoğan!

Die Ergebnisse des Vergleichs der Palastausgaben mit den Renten sind noch gravierender. Im Jahr 2014 entsprachen die Ausgaben des Palastes den Beiträgen von etwa 250.000 Rentnern, während diese Zahl im Jahr 2024 die Beiträge von 1 Million Rentnern erreichte. Dabei war es Erdoğan höchstpersönlich, der erklärte, „wenn wir die Gehälter der Rentner erhöhen, werden wir nicht einmal Geld für Investitionen auftreiben“. Aber er fand genug Geld für Palastausgaben! Es ist genug Geld da, um die Steuerschulden der Kapitalisten abzuschreiben!

Wenn man nur auf die Palastausgaben schaut, wäre man zu sehr eingeschränkt auf die Person des Präsidenten. Natürlich regiert Erdoğan im Auftrag des Monopolkapitals, aber da sind -nicht außer Acht zu lassen- auch die riesigen Gewinne der Monopole.

Ende letzten Jahres war der Arbeiter dazu verdonnert, von 11.402 TL Mindestlohn und der Rentner von 5.163 TL als niedrigstem Monatslohn zu leben, während hingegen die Gewinne der Monopole außergewöhnlich hoch waren.

Während die Einnahmen der Rentner und Lohnempfänger immer weiter schrumpfte, erreichten die Aktiva der zehn größten türkischen Banken Ende letzten Jahres 19,4 Billionen Lira. Das ist ein Anstieg von 65,8 Prozent im Vergleich zu Ende 2022. Weder der Mindestlohn noch die Renten sind so stark gestiegen! Ganz zu schweigen von der Zeit der Parlamentswahlen, in der der Anstieg nicht einmal halb so hoch war.

Die Ziraat Bank hat mit 3,8 Billionen TL das größte Vermögen und machte im vergangenen Jahr einen Gewinn von 90 Milliarden TL. Das ist ein Anstieg von 119 Prozent. Bei der Rentabilität rangiert Garanti BBVA mit 87,3 Mrd. TL an zweiter Stelle, Türkiye İş Bankası mit 72,3 Mrd. TL an dritter Stelle, Yapı Kredi mit 68 Mrd. TL an vierter Stelle und Akbank mit 66,5 Mrd. TL an fünfter Stelle.

Der Nettogewinn der 500 größten türkischen Unternehmen im Jahr 2023 stieg im Vergleich zum Vorjahr um 77,2 Prozent und erreichte 1 Billion TL. Und natürlich zahlt ein extrem großer Teil dieser Unternehmen überhaupt keine bis kaum Steuern, während ein großer Teil sogar von Steuererstattungen und -ermäßigungen und Subventionen profitiert.

Während Betriebsmittel wie Saatgut, Düngemittel und Dieselkraftstoff für die Kleinbauern nicht gefördert werden, die Mehrwertsteuer nicht einmal abgeschafft wird, keine Grundpreise festgelegt werden und Kleinerzeuger der Gnade von Händlern und Monopolen ausgeliefert sind, die Preise unter den Produktionskosten durchsetzen, was Landwirtschaft und Viehzucht unmöglich macht, ist auch Geld für Importe vorhanden, die unvermeidlich geworden sind.

Selbst bei Weizen und Gerste waren die Einfuhren im letzten Jahr mindestens zehnmal so hoch wie die Ausfuhren. Das Defizit bei Weizen beträgt mehr als 4 Millionen Tonnen. Wir importieren ständig Mais, Reis, rote und grüne Linsen und Sonnenblumen. Seit 2010 sind die Einfuhren von Schlachttieren und Fleisch kontinuierlich gestiegen. Die Preise sinken nicht, aber die Bauern und Züchter verschwinden.

Es gab Proteste gegen diese Politik: die Verbrennung von Tonnen von Tee in Rize, Straßenblockaden in Kınık, die öffentliche Vernichtung von Tomaten in Karacabey und Pistazienpreisproteste in Nizip, aber alle blieben lokal begrenzt. Eine Bewegung wurde daraus leider nicht.

Doch die Lösung liegt hier genau auf der Hand: In Nigeria zum Beispiel ist der Mindestlohn immer noch niedrig, aber er wurde nach Streiks, die von zwei großen Gewerkschaftsbünden unterstützt wurden, mehr als verdoppelt. Diesen Weg muss auch die Arbeiterklasse in der Türkei einschlagen.

Quelle: Yeni Hayat / Neues Leben

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