Max Zirngast: Gericht weist Anklageschrift zurück
Nach drei Monaten Untersuchungshaft ist in den letzten Tagen Bewegung in die Causa des in der Türkei inhaftierten österreichischen Journalisten Max Zirngast gekommen. Sein Anwalt Murat Yılmaz berichtet Vertreter*innen der Solidaritätskampagne #FreeMaxZirngast nun aus erster Hand von einer Anklageschrift des zuständigen Staatsanwalts, die dem Gericht am 29. November zur Prüfung vorgelegt wurde. Gestern, am 11. Dezember 2018 – genau drei Monate nach der Festnahme – wies das 26. Gericht für Schwerverbrechen in Ankara die Anklageschrift zurück. Die Frist für die Überprüfung wäre am kommenden Freitag abgelaufen, das Gericht entschied also noch vor deren Ablauf. In der Begründung der Richter wurden laut Yılmaz zwei Gründe für die Ablehnung vorgelegt.
Zum einen finde darin eine unzulässige Verfahrenszusammenführung statt: Der Staatsanwalt habe die Anklageschrift nicht nur auf Max Zirngast und die drei anderen am Morgen des 11. Septembers in Polizeigewahrsam genommenen Personen zugeschnitten. Sondern er habe weitere Personen mit in die Anklage aufgenommen, die aber bisher nicht festgenommen werden konnten. Die Richter lehnten die Zusammenführung dieser beiden Angeklagtenkreise mit der Begründung ab, dass Personen auf der Flucht nicht vor Gericht gebracht werden könnten.
Auch der zweite Grund hängt mit dem Sammelverfahren zusammen. Laut Yılmaz beanstanden die Richter, dass erst zu überprüfen sei, ob die Anschuldigungen gegen den Mitangeklagten Mithatcan Türetken – den Zellengenossen Zirngasts – mit einer früheren Anklage gegen ihn in der Provinz Hatay übereinstimmen. Wenn dem so sei, müsse das Verfahren von Türetken vom aktuellen Verfahren getrennt werden. Türetken und seine Anwälte hatten schon bei den ersten Vernehmungen am 20. September 2018 darauf hingewiesen, dass das aktuelle Verfahren das frühere verdopple. Dem Staatsanwalt sowie dem Haftrichter wurden damals die Anklageschrift des Verfahrens in Hatay vorgelegt, in dem Türetken ohne Haftbeschluss vor Gericht stand.
Weitere Details über den Inhalt der Anklageschrift und insbesondere über die Vorwürfe, die Zirngast darin zur Last gelegt werden, sind nicht bekannt, da die Akte immer noch unter Verschluss ist. Erst eine Annahme der Anklage durch das Gericht hätte Anwalt Yılmaz Akteneinsicht ermöglicht. Wie lange sich das Verfahren und die Untersuchungshaft nun weiter hinziehen, ist ebenfalls nicht bekannt.
Als Solidaritätskampagne #FreeMaxZirngast verurteilen wir Max Zirngasts Inhaftierung aufs Schärfste. Die aktuellen Entwicklungen machen deutlich, dass Max Zirngast im Hochsicherheitsgefängnis Ankara/Sincan 2 wie ein schon Verurteilter in Untersuchungshaft gehalten wird, obwohl die Anklage gegen ihn offensichtlich halbgar und nicht rechtskonform ist beziehungsweise von den prüfenden Richtern für unzureichend erachtet wird.
Zudem hat Max Zirngast trotz mehrerer Anträge seiner Freund*innen noch immer keine Besuche außer Familien- und Anwaltsbesuche genehmigt bekommen. Jede*r Inhaftierte in der Türkei hat ein Anrecht auf drei Besucher*innen, die zuvor einer staatlichen Prüfung unterzogen werden. Diese Umstände zeigen erneut die Ausmaße der politischen Willkürjustiz in der Türkei auf: Der letzte Antrag seiner Freund*innen wurde nun vor zwei Tagen, am 10. Dezember 2018, bisher ohne Begründung abgelehnt.
Diese Praktiken zielen augenscheinlich darauf ab, Max Zirngast zu zermürben. Wie man angesichts dieser Umstände auf ein „faires Verfahren“ hoffen kann, bleibt uns schleierhaft. Wir rufen die österreichische Bundesregierung dazu auf, alles in ihrer Macht Stehende für die umgehende Freilassung von Max Zirngast zu tun. Ebenfalls rufen wir die Zivilgesellschaft dazu auf, sich mit Max Zirngast solidarisch zu zeigen. Nur öffentlicher und politischer Druck wird das türkische Regime dazu bringen, Max Zirngast freizulassen.
Quelle: freemaxzirngast.org / RedGlobe