25. September 2024

Gegen den flüchtlingsfeindlichen Zeitgeist: Verleihung des Menschenrechtspreises der Stiftung PRO ASYL an Neil Falzon und aditus foundation aus Malta

Übernommen von Presse­mitteilungen | PRO ASYL:

Nach der Preisverleihung (von links nach rechts): Preisträger*innen Katarzyna De Wilde, Neil Falzon und Kirsten Gatt sowie Doris Peschke und Beate Wagner vom Stiftungsrat. Foto: PRO ASYL/Jonas Bickmann

Die Stiftung PRO ASYL hat am heutigen Samstag, 7. September,  in Frankfurt am Main ihren Menschenrechtspreis an den maltesischen Anwalt Neil Falzon und die von ihm gegründete aditus foundation (Malta) verliehen. In ihrer Laudatio beklagte die Bundestagsabgeordnete Awet Tesfaiesus, Geflüchtete würden in den aktuellen Debatten als „Ursache allen Übels“ angesehen. Sie rief dazu auf, in dieser aufgeheizten Stimmung Mitmenschlichkeit und Empathie zu bewahren.

Die Preisträger bezeichnete Awet Tesfaiesus als „Hüter unserer Menschlichkeit in der Gesellschaft“, „Leuchtturm der Hoffnung und als unermüdliche Kraft im Kampf für die Rechte von Geflüchteten und Migranten“.Sie betonte weiter: „In einer Zeit, in der die Herausforderungen im Bereich Asyl und Migration in Europa immer komplexer werden, setzt sich aditus mit bemerkenswerter Entschlossenheit und Expertise für diejenigen ein, die selbst oft keine wahrnehmbare Stimme haben.“

Mit Mut, juristischer Expertise und Hartnäckigkeit

Mit der Auswahl des diesjährigen Preisträgers positioniere PRO ASYL sich eindeutig, so die Laudatorin weiter: „Wenn man sich entscheiden muss zwischen dem Zeitgeist und dem Geist der Aufklärung, des Humanismus, wird niemand zweifeln, wo PRO ASYL stand und steht. Unerschrocken und standhaft erinnert uns PRO ASYL daran, wo man stehen sollte.“

Zusammen mit Vertreter*innen der aditus foundation nahm Neil Falzon die Auszeichnung entgegen – samt Skulptur und Urkunde, in der die Ehrung begründet wird: „Mit ihrem herausragenden Einsatz zeigen Neil Falzon und seine Mitstreiter*innen großen Mut, juristische Expertise und Hartnäckigkeit, basierend auf der unerschütterlichen Überzeugung, dass in einer Gesellschaft JEDER Mensch Zugang (lat. aditus) zu seinen grundlegenden Rechten haben muss“, heißt es in der Urkunde.

Verweigerung von Solidarität in der EU

Preisträger Neil Falzon bedankte sich für den Preis, der ein Schlaglicht auf die Situation der Flüchtlinge in Malta werfe. Das EU-Mitglied Malta fahre mit Haftlagern und rechtswidrigen Zurückweisungen (Pushbacks) einen äußerst restriktiven und brutalen Kurs gegen Flüchtlinge. Obwohl mehrere Klagen gegen den maltesischen Staat vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte erfolgreich gewesen seien, bleibt ein „Großteil der rmaltesischen Haftbedingungen illegal und menschenunwürdig“, sagte er.

Falzon beklagte, dass die Verweigerung von Solidarität innerhalb der EU deren Werte zerstöre: „Traurigerweise sind wir damit vertraut, wie die abnehmende Bereitschaft, Solidarität zu zeigen und danach zu handeln, langsam die Seele und das Herz der EU tötet, wenn es um den Schutz von Flüchtlingen geht.“ Das führe nicht nur zu einer Krise im Flüchtlingsscgutz, sondern auch zu „einer viel umfassenderen Krise: einer Krise, die seit langem etablierte Normen und Standards des Regierens bedroht“.

Solidarität zwischen denen, die sich für die Rechte von Geflüchteten einsetzten

So würden zum Beispiel die Unabhängigkeit der Justiz gefährdet und Organisationen der Zivilgesellschaft „mit rechtlichen, finanziellen und anderen administrativen Waffen“ angegriffen. „Wir müssen uns auf sehr harte Zeiten einstellen, die nicht nur den Flüchtlingen schaden werden, sondern auch unseren Organisationen, unseren Mitarbeitern und denen, die an unsere Arbeit glauben“, sagte Falzon. Umso wichtiger sei die Solidarität zwischen denen, die sich für die Rechte von Geflüchteten einsetzten:  „Wir müssen bereit sein, uns gegenseitig zu unterstützen und füreinander einzustehen“, sagte Neil Falzon.

Die Mitarbeiter*innen der 2011 gegründeten aditus foundation, überwiegend Anwält*innen, vertreten Schutzsuchende in Malta rechtlich, auch vor nationalen und internationalen Gerichten. Sie recherchieren zur Situation der Flüchtlinge auf der Insel und im Mittelmeer, machen Menschenrechtsverstöße öffentlich und setzen sich für ein menschenwürdiges Aufnahmesystem in Malta ein. Trotz erheblicher staatlicher Einschränkungen besuchen sie inhaftierte Schutzsuchende und kämpfen gegen deren willkürliche Inhaftierung.

Pionierarbeit gegen Menschenrechtsverletzungen

Laudatorin Awet Tesfaiesus hob die bemerkenswerte Entschlossenheit, den Sachverstand und den Mut von Neil Falzon und dessen Team hervor und betonte: „Sie stellen sich den Verletzungen der Menschenrechte in Europa mit aller Kraft entgegen. Durch ihre juristische Expertise und den persönlichen Beistand für Überlebende von Bootskatastrophen und Opfer von Menschenrechtsverletzungen in Haftlagern leisten sie Pionierarbeit.“ Dieses Engagement wirke auch weit über die Grenzen Maltas hinaus und sei „zu einem Vorbild für ähnliche Organisationen in ganz Europa geworden“, sagte Awet Tesfaiesus, die selbst Rechtsanwältin ist.

Sie kennt Neil Falzon und das aditus-Team persönlich, weil sie als parlamentarische Beobachterin beim Prozess gegen die als „El Hiblu 3“ bekannt gewordenen jungen Flüchtlinge war. Neil Falzon ist Mitglied im Answaltsteam, das zwei der drei Angeklagten verteidigt. Die drei hatten sich 2019 friedlich gegen einen Zurückschiebungsversuch von mehr als 100 Menschen auf dem Mittelmeer nach Libyen zur Wehr gesetzt und wurden dafür vom maltesischen Staat angeklagt.

Hintergrund:

Malta: Zur Situation der Schutzsuchenden
„Wer nicht ertrinkt, wird eingesperrt.“ Das beschreibt die zynische Politik der maltesischen Regierung. Malta ignoriert systematisch Notrufe von Bootsflüchtlingen und weigert sich, Rettungseinsätze zu koordinieren. Die maltesische Regierung hält Handelsschiffe aktiv davon ab, Flüchtlinge zu retten, und lehnt es ab, mit Seenotretter*innen zu kooperieren und gerettete Menschen anlanden zu lassen. Zudem drängt sie Menschen in Seenot vor der maltesischen Küste dazu, weiter Richtung Italien zu fahren. In der Folge sinken die Flüchtlingszahlen: 2023 kamen nur noch 380 Menschen auf der kleinen Insel an. Aber nicht, weil weniger Menschen über das Mittelmeer flohen, sondern weil Malta seit Jahren den Zugang zu Asylverfahren für schutzsuchende Menschen de facto blockiert und dabei systematisch internationales Recht verletzt.

Daneben verfolgt Malta eine Strategie der Auslagerung der Verantwortung und arbeitet eng mit der sogenannten Küstenwache Libyens zusammen. Diejenigen, die es dennoch in maltesische Gewässer schaffen, werden von libyschen Milizen in rechtswidrigen „Pullbacks“ zurück in das Bürgerkriegsland gebracht. Im Jahr 2022 sind laut aditus foundation mehr als 24.600 Menschen zwangsweise nach Libyen zurückgeschleppt worden, und 2023 ging es weiter mit den rechtswidrigen „Pullbacks“ in ein Land, in dem Schutzsuchende gefoltert und versklavt werden – ein tausendfacher Verstoß gegen das Völkerrecht und den Grundsatz der Nichtzurückweisung.

Mehr Informationen über die flüchtlingsrechtliche Situation in Malta und die Arbeit der Preisträger*innen liefert der Text von PRO ASYL „Malta: Wer nicht ertrinkt, wird eingesperrt“

Der Preisträger Dr. Neil Falzon
Dr. Neil Falzon ist Gründer und Direktor der aditus foundation. Er lehrt als Dozent für Menschenrechtsfragen an der Universität von Malta und koordiniert den Flüchtlingsrat von Malta. Zuvor leitete er das maltesische Büro des UNHCR.

Der Preis
Den Menschenrechtspreis verleiht die Stiftung PRO ASYL seit 2006 jährlich an Personen, die sich in herausragender Weise für die Achtung der Menschenrechte und den Schutz von Flüchtlingen in Deutschland und Europa einsetzen. Der Preis ist mit 5.000 Euro und einer Skulptur des Künstlers Ariel Auslender, Professor an der Technischen Universität Darmstadt, dotiert.

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Quelle: Presse­mitteilungen | PRO ASYL

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