19. November 2024

Hiobsbotschaft vor Tarifrunde

Übernommen von Unsere Zeit:

In der vergangenen Woche platzte die Bombe. Europas größter Autobauer hatte am Montag angekündigt, den Sparkurs bei VW noch einmal zu verschärfen und den seit drei Jahrzehnten geltenden und eigentlich noch bis 2029 laufenden Vertrag zur Beschäftigungssicherung zu kündigen. Betriebsbedingte Kündigungen sind damit nicht mehr ausgeschlossen. Als Grund nannte Konzernchef Oliver Blume die schwierige Lage auf dem europäischen Automarkt und eine verschlechterte Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Produktionsstandorte.

„In diesem Umfeld müssen wir als Unternehmen jetzt konsequent agieren“, so Blume in einer Mitteilung der Konzernleitung. Aus Sicht des Vorstands müssten die Marken innerhalb der Volkswagen AG umfassend restrukturiert werden. „Auch Werksschließungen von fahrzeugproduzierenden und Komponenten-Standorten können in der aktuellen Situation ohne ein schnelles Gegensteuern nicht mehr ausgeschlossen werden.“ Dass noch im Juni 4,5 Milliarden Euro Gewinn aus dem Jahr 2023 an die Aktionäre ausgeschüttet worden waren, fand in den Ausführungen aus der Vorstandsetage erwartungsgemäß keine Erwähnung.

Der VW-Betriebsrat kündigte nach dem Bekanntwerden der Pläne massiven Widerstand an. In Wolfsburg und anderen deutschen VW-Werken fanden Betriebsversammlungen statt. Betriebsratsvorsitzende Daniela Cavallo erklärte, nicht die Mitarbeiter seien schuld an der Krise des Konzerns, sondern dessen Führung. Werksschließungen dürfe es nicht geben, und die Jobgarantie dürfe nicht angetastet, sie müsse verlängert werden. Auch Einschnitten bei den Tariflöhnen wurde von Seiten des Betriebsrats eine klare Absage erteilt.

Die Krise bei VW ist nur die sprichwörtliche Spitze des Eisberges. Die gesamte deutsche Autoindustrie kämpft mit schwachen Verkaufszahlen. Der Absatz von neuen Autos brach im August im Vergleich zum Vorjahresmonat ein. Wie aus Daten des Kraftfahrt-Bundesamtes (KBA) hervorgeht, ging insbesondere die Nachfrage nach reinen Elektroautos zuletzt massiv zurück, Aber auch bei fast allen weiteren Antriebsarten war der Rückgang teils deutlich.

In der Folge steckt nicht nur die Automobil-, sondern auch die Zulieferindustrie tief in der Krise. So will ZF sich von bis zu 14.000 Mitarbeitern trennen. Das als Dübel-Lieferant bekannte Unternehmen Fischer hat gerade sein Geschäft mit Teilen für Autos an einen Private-Equity-Investor verkauft und Continental will sich von seiner kompletten Autosparte trennen.

Die Alternative der IG Metall zu dem von der Kapitalseite angekündigten oder bereits realisierten Kahlschlag lautet Arbeitszeitverkürzung. Für VW brachte die größte DGB-Gewerkschaft die Wiedereinführung der Viertagewoche ins Gespräch. „Wir sollten nichts unversucht lassen, um die Beschäftigung zu erhalten“, so IG-Metall-Chefin Christiane Benner in der vergangenen Woche. Entsprechend könne eine Arbeitszeitverkürzung eine der Optionen sein. Allerdings lehnte die Kapitalseite kürzere Arbeitszeiten zuletzt ab.

Die Viertagewoche wäre für den Konzern nichts Neues. Bereits 1994 waren verkürzte Arbeitszeiten als Reaktion auf eine Absatzkrise eingeführt worden – mit entsprechenden Lohneinbußen für die Beschäftigten. Damals ging es um den Erhalt von 30.000 Arbeitsplätzen. Im Jahr 2006 kehrte VW dann zur Fünftagewoche zurück.

Zugleich verteidigte die IG Metall die Lohnforderung von 7 Prozent mehr auch für die Beschäftigen bei VW. Die Lösung der Probleme könne nicht sein, dass der seit 20 Jahren gehegte Grundsatz, Tarifforderung und Abschluss bei VW in Gleichklang mit dem Rest der Branche zu machen, nun aufgekündigt werde, erklärte die Bezirksleitung in Hannover.

Wann die Verhandlungen bei dem Autobauer beginnen, ist noch unklar. In der Fläche starten die Verhandlungen zur Tarifrunde in der Metall- und Elektroindustrie in dieser Woche. Über den VW-Haustarif sollte eigentlich erst ab Mitte oder Ende Oktober verhandelt werden. Ob die Kolleginnen und Kollegen nach dem jüngsten Frontalangriff der Konzernleitung sich noch so lange vertrösten lassen, darf bezweifelt werden.

Quelle: Unsere Zeit

UZ - Unsere Zeit