Streumunition: Bombenregen aus der BRD
Übernommen von Schweizerische Friedensbewegung:
Gemäss UN-Institut für Abrüstungsforschung verstösst Deutschland mutmasslich gegen die internationale Streubombenkonvention, weil die Lieferung von Streumunition in die Ukraine erlaubt wird. Litauen wird als erster Staat aus dem Übereinkommen austreten, um die «Ostflanke» zu stärken.
Von Arnold Schölzel
Unweit von Ramstein in Rheinland-Pfalz unterhalten die USA in Miesau an der Autobahn 6 das grösste Munitionsdepot ausserhalb ihrer Grenzen. Am 25. Juli machte ein «Panorama»-Beitrag in der ARD öffentlich, dass von dort auf Strassen Streumunition in die Ukraine geliefert wird. Die hatte US-Präsident Joseph Biden im Juli 2023 zugesagt. Die durch Deutschland ungehinderte Lieferung werfe «ernste Fragen» auf, erklärte bei der Vorstellung des «Streumunitionsmonitors 2024», der vom UN-Institut für Abrüstungsforschung (UNIDIR) jährlich vorgelegt wird, dessen Redakteurin Mary Wareham am Montag in Genf. Genauer: Die Bundesrepublik verstösst gegen die von ihr unterzeichnete sogenannte Streubombenkonvention (CCM) von 2010. Der Vertrag verbietet Entwicklung, Produktion, Lagerung und den Transport von Streumunition. Die 112 CCM-Unterzeichnerstaaten verpflichten sich laut Artikel 21 des Übereinkommens zudem, «sich nach besten Kräften» zu bemühen, «Staaten, die nicht Vertragsparteien dieses Übereinkommens sind, vom Einsatz von Streumunition abzubringen». Das ist ausreichend schwammig, so dass etwa Aussenministerin Annalena Baerbock (Bündnis 90/Die Grünen) zu Bidens Lieferversprechen im Juli 2023 lediglich sagte, für die Bundesrepublik gelte das CCM. Regelbasiert heisst, sich nicht mehr an völkerrechtliche Verträge zu halten.
Das fällt Berlin besonders leicht, weil weder die USA noch die Ukraine der CCM beigetreten sind. Nichtmitglieder sind u. a. auch Russland, China, Saudi-Arabien, der Iran, Brasilien und Argentinien. Aus der EU sind Finnland, Rumänien, Griechenland, Polen, Lettland und Estland nicht dabei. Die Zahl der Verweigerer erhöht sich nun: Am 25. Juli unterzeichnete der litauische Präsident Gitanas Nausėda den Parlamentsbeschluss, die Konvention zu verlassen. Damit begann eine sechsmonatige Frist bis zum endgültigen Austritt. Litauen, das demnächst dauerhaft eine Bundeswehrbrigade beherbergen wird, ist der erste Staat, der sich aus dem CCM zurückzieht. Zur Begründung sagte Verteidigungsminister Laurynas Kasčiūnas völkerrechtlich Interessantes: «Selbst, wenn Verbündete dieses Werkzeug auf unserem Territorium einsetzen wollten, könnten sie es nicht tun, nicht einmal, um es durch Litauen zu transportieren.» Bedenken solcher Art sind in Berlin offenbar kein Problem. Kasčiūnas meinte, die Zugehörigkeit zur Konvention bringe «die gesamte Ostflanke völlig aus dem Gleichgewicht und muss zweifellos behandelt werden».
In der Ukraine zählt der UN-Bericht insgesamt rund 1.000 Tote durch Streumunition seit 2022. 2023 seien es etwa 220 gewesen. Dieser Munitionstyp sei im Krieg von beiden Seiten eingesetzt worden. Myanmar und Syrien – beide auch keine CCM-Unterzeichner – waren die einzigen anderen Länder, für die 2023 Angriffe mit Streumunition registriert wurden.
Auf Nachfrage beteuerten die Autoren des Berichts, es gebe keine Belege, dass Israel in Gaza Streumunition einsetze. Nachgewiesen ist, dass Israel 2006 allein im Südlibanon etwa vier Millionen sogenannter Bomblets abwarf, von denen eine Million nicht explodierten. Die würden in naher Zukunft beseitigt, hiess es am Montag in Genf. Die am stärksten munitionsverseuchten Staaten bleiben Laos, Kambodscha und Vietnam. Allein auf Laos liessen die USA zwischen 1965 und 1973 insgesamt 260 Millionen Streumunitionexemplare regnen, von denen etwa 30 Prozent nicht explodierten.
Quelle: junge Welt
Quelle: Schweizerische Friedensbewegung