Produktivität ist nicht das Problem
Übernommen von Unsere Zeit:
VW produziert gerade mehr Fahrzeuge, als verkauft werden. Die kapitalistische Lösung ist so modern wie altertümlich. Die Ausgebeuteten sollen zum Aderlass. Olaf Scholz (SPD) spricht von „Scheinheiligkeit“ des Managements, sagte aber im September: „Da mischt sich die Bundesregierung nicht ein.“ Bürgerlicher Klassenkampf, getragen von Sozialdemokraten. Das entspricht ihrer scheinheiligen Rolle in der Geschichte der Klassenkämpfe.
Mit Gift und Galle schreibt der „Stern“-Journalist Leon Brent, mit Ausblick auf die Hamburger Elbphilharmonie, die VW-Arbeiter hätten „zu lange wie Maden im Speck gelebt.“ Bürgerlicher Klassenhass in Reinform. Wer bist du, meine Leute so hinzustellen, während du für deine Lügen von denen bezahlt wirst, die meiner Klasse Mehrwert aus den Körpern und Muskeln schlagen?
Erst kündigen die VW-Bosse die tarifvertragliche Beschäftigungssicherung bis 2029. Dann teilen sie mit, dass 40.000 Arbeitsplätze gestrichen werden. Nun wird bekannt, dass mindestens drei Standorte geschlossen werden sollen. Auch auf der Streichliste: Produkte, Stückzahlen, Schichten, Montagelinien, Lohnkürzungen, das Auslagern von Verwaltungsbereichen, Nullrunden und Fremdvergabe. Nicht nur die VW-Werke mit rund 120.000 Arbeiterinnen und Arbeitern sind betroffen, sondern ebenso hunderttausende Arbeiter und mehr von am Maschinenbau hängenden Industrien und Dienstleistungen. Das ist ein Angriff auf die arbeitende Klasse.
Der VW-Chefmanager mit Millionengehalt, Thomas Schäfer, erklärt, man sei zu unproduktiv und verfehle das Ziel, bis 2026 die Rendite auf 6,5 Prozent zu steigern. 2023 wurden allerdings noch 18 Milliarden Euro Gewinn aus der Belegschaft gepresst. Davon gingen 4,5 Milliarden Euro an die Aktionäre. 2022 lag der Gewinn noch bei 15,8 Milliarden Euro. Zwischen dem Jahr 2000 bis 2023 verbuchte der nach dem Umsatz weltweit größte Automobilhersteller einen Rekordumsatz nach dem anderen. Der Konzernumsatz betrug 2023 sagenhafte 322,3 Milliarden Euro. Produktivität ist nicht das Problem. Es geht um die Verschärfung der kapitalistischen Ausbeutung.
Politik, Medien, Gewerkschaften, selbst Kultur, alle faseln parallel zu den unsäglichen Haushaltsdebatten der Ampel-Regierung vom Kürzertreten und vom Sparzwang. Bei VW wird auf die erhöhten Material- und Personalkosten sowie die Konkurrenz insbesondere aus China verwiesen. Das ist eine Farce. Während alle bei der Verteilung der Budgetposten schreien, nicht ausreichend berücksichtigt zu werden, schweigen dieselben über die historische und materielle Basis der „schwierigen Finanzlage“, die den Gürtel enger schnallt. Mit der Politik der „Zeitenwende“ vom 27. Februar 2022 hat sich ein Stellungswechsel des deutschen Imperialismus in die Offensive vollzogen. Gelder „fehlen“, weil die Rüstungsindustrie und die Kriegspläne sie absorbieren.
Spiegelbildlich zur „Krise“ bei VW steht die Erfolgsgeschichte von Rheinmetall. Mit jeder Panzerkanone in der Ukraine, jeder abgefeuerten Patrone in Palästina, jeder Wurfbombe im Südlibanon, jedem NATO-Aufrüstungsprogramm in Afrika, Asien und im Pazifik steigt die Aktie des Rüstungskonzerns rapide. Zuletzt kaufte Rheinmetall den US-Rüstungszulieferer Loc Performance und den Vertrieb von SAR-Satellitentechnologie aus Finnland. Die Regierung ebnet den Weg zum Rüstungsmonopol von Rheinmetall, der Märkte im Ausland für das deutsche Kapital öffnen und sichern soll. Hört also auf zu schreien. Wenn ihr es ernst meint, schließt die Reihen gegen Krieg und Militarismus. Im Übrigen werden Panzer mit Produktionstechniken analog zur Autoindustrie gebaut. Das Kapital fließt dorthin, wo Profit sprudelt. Die Metallarbeiter sollen folgen.
VW will mit dem Sparprogramm Überschüsse für Investitionen schaffen – im Klartext: für die Umstellung auf Elektromobilität. Wer wissen will, was das unter kapitalistischen Bedingungen bedeutet, findet das prototypische Vorbild in Brandenburg. Für Teslas E-Auto-Fabrik in Grünheide wurden 300 Hektar Land umgegraben. Die bürgerlichen Politiker machten dem Hanswurst Elon Musk, der im US-Wahlkampf mit Millionen-Schecks auf Wählerjagd für Donald Trump geht, nicht einmal einen Tarifvertrag zur Bedingung. Die Horrorberichte über Arbeitsunfälle, Union-Busting, Umwelthavarien in Grünheide gehören inzwischen zum Alltag. Der Sparkurs der VW-Kapitalisten zielt genau auf solche Zustände.
Bei VW tickt die Uhr. Überkapazität ist heute ein anderes Wort für Überproduktionskrise, sie könnte Grundlage für Arbeitszeitverkürzung, Enteignung und mehr sein. Dieser Tag wird kommen, diese Stunde wird zuschlagen.
Quelle: Unsere Zeit