Zerstörte Kaufkraft fördert Sonntagsarbeit
Übernommen von Zeitung vum Lëtzebuerger Vollek:
Mit der Ankündigung einer weiteren Aufweichung des Sonntagsschutzes hat Arbeits- und Sportminister Georges Mischo (CSV) die Diskussion um den vormalig christlichen Ruhetag erneut angefacht. Warum er die Beibehaltung des Sonntag als relativ synchronen Ruhetag für Mensch und Schöpfung ad acta legen möchte, hat mehr mit seinen neoliberalen Vorlieben als der christlicher Nächstenliebe zu tun.
Es ist allerdings wichtig, darauf hinzuweisen, dass er nicht der einzige Urheber dieser abstrusen Entscheidung ist. So muss daran erinnert werden, dass sein politischer Ziehvater und aktueller Premier von Luxemburg, Luc Frieden (CSV), als Vorsitzender der Handelskammer verkünden ließ: »Anstatt den Grundsatz des Verbots von Sonntagsarbeit beizubehalten und die Liste der Ausnahmen auf elf Sektoren auszuweiten, sollte Sonntagsarbeit grundsätzlich erlaubt werden.«
Zur aktuellen Lage
Bis zur Umsetzung der erweiterten Sonntagsarbeit von vier auf acht Stunden lohnt sich ein Blick auf die aktuelle Reglementierung. So dürfen der Einzelhandel und das Kunsthandwerk derzeit ihre Geschäfte von 6 bis 13 Uhr öffnen. Und ja, es gibt hier eine ganze Menge an Ausnahmeregelungen, dies obwohl das Arbeitsrecht die Sonntagsarbeit auf vier Stunden beschränkt.
Letzte Woche bestätigte Georges Mischo sein Vorhaben in der Kommissionssitzung und verwies mit Nachdruck darauf hin, dass die Umstellung auf acht Arbeitsstunden am Sonntag so im Koalitionsabkommen mit der DP, geregelt sei. Von der Oppositionsbank gibt es Widerworte, und auch die Gewerkschaft OGBL hat eine klare Meinung. So heißt es: »Diese Maßnahme könnte die Verhandlungen bei künftigen Tarifverträgen schwächen.«
Bedürfnis oder Notwendigkeit?
Interessant sind in diesem Kontext sowohl die politischen als eben auch die mediengestützten Aussagen, die uns glauben lassen wollen, dass hier mitnichten ein Wunsch des Patronats, sondern vielmehr die Bedürfnisse der Lohnabhängigen berücksichtigt werden. Die Werktätigen wurden allerdings nicht befragt und wenn, wusste man die Gesprächspartner dem Narrativ entsprechend auszuwählen.
So nachzulesen am Beispiel eines Tankstellenbetreibers, der betont, dass es insbesondere die jüngeren Arbeitskräfte sind, die an der angebotenen Sonntagsarbeit interessiert seien. Er liefert zugleich den Grund hierfür: »Es ist vor allem das finanzielle Interesse, das die Antragsteller motiviert (…).« Natürlich kann die Sonntagsarbeit nicht erzwungen werden, das geht nur auf freiwilliger Basis. Darüber hinaus muss den Lohnabhängigen mindestens ein freies Wochenende im Monat gewährt werden, und auch die Wochenarbeitszeit darf vierzig Stunden nicht überschreiten.
Aus der Handelskammer kommt dann folgendes Argument, mit welchem die vermeintlichen Vorzüge der Sonntagsarbeit gestützt werden: »Für Geschäfte ist die Sonntagsöffnung von nicht zu unterschätzender Bedeutung. Die Sonntagsöffnung ist für viele Unternehmen von großer Bedeutung, da sie nicht ortsansässige Touristen anzieht, die in Restaurants und Bars gehen, was den Umsatz der Geschäfte steigert. (…) Es gilt als erwiesen, dass die Sonntagsöffnungen den neuen Verbrauchergewohnheiten entsprechen«, so die Handelskammer.
Dass es tatsächlich seitens der Beschäftigten eine »Nachfrage« gibt, darf nicht unbeachtet bleiben. Es ist aber ersichtlich, dass es erneut mehrheitlich die Grenzgänger sind, insbesondere solche, die nicht gewerkschaftlich organisiert sind, die sich für die Sonntagsarbeit begeistern lassen. Dass sie damit ihre Seele verkaufen und gleichzeitig all jene, die den Sonntag für die Familie aufbewahren wollen, unter Druck setzen, ist die eigentliche schande.
Ganz nebenbei muss auch noch darauf verwiesen werden, dass dank politischem Fehlverhalten den Werktätigen immer mehr Kaufkraft genommen wird. Der gesellschaftlich organisierte Konsumzwang erzwingt die Resilienz, insbesondere bei den Lohnabhängigen, die mit Hungerlöhnen für ihre Dienste entlohnt werden. Vergessen wir dann auch nicht, dass der Vorstoß des Arbeitsministers in Sachen Sonntagsarbeit nur ein Vorspiel darauf ist, dass der Sonntag zum »normalen Arbeitstag« werden soll und dann auch keine Zulagen mehr bezahlt werden müssen.
Quelle: Zeitung vum Lëtzebuerger Vollek