10. Januar 2025

Lasst uns die Industrie des 21. Jahrhunderts nach neuen Rezepten aufbauen

Übernommen von Internationale Website der PTB – PVDA:

Als Reaktion auf die Demonstration für unsere Industrie, bei der im September mehr als 10.000 Menschen in Brüssel zusammenkamen, stellte Pieter Timmermans, Leiter des FEB (Verband der belgischen Unternehmen), seine Vision zur Wiederbelebung der belgischen Industrie vor. Eine Wiederbelebung, die für ihn über Lohnkürzungen und die Abschaffung bezahlter Überstunden führt… Das mögen Vorschläge aus der zukünftigen Arizona-Regierungskoalition sein (Bezeichnung der Koalition nach den Farben der fünf beteiligten Parteien). Verhängnisvolle Maßnahmen, die sich bereits als unwirksam erwiesen haben.

Während andere Länder massiv in Forschung, Infrastruktur und Technologie investieren, um einen strategischen Vorsprung in Schlüsselbereichen wie Elektromobilität und Batterien zu erlangen, schlägt Pieter Timmermans uns den Rückschritt vor, mit „Maßnahmen, die im übrigen Europa seit 80 Jahren gelten“. Als ob die drohende Deindustrialisierung ein belgisches und kein europäisches Problem wäre…

Pieter Timmermans schlug vor, „drastische Maßnahmen“ zu ergreifen, um die „Lohnbenachteiligung“ zu bekämpfen, die er als Hauptursache für die derzeitigen Schwierigkeiten der Industrie ansieht. In einer ähnlichen Linie argumentiert Stefaan Michielsen, Redakteur der Finanzzeitung De Tijd, dass die Krise der Industrie „auf den Anstieg der Lohnkosten zurückzuführen sei, der durch die automatische Indexierung der Löhne verursacht wird“. Parteien wie die N-VA (flämische Nationalisten), CD&V (Christdemokraten), MR (neoliberal) und sogar Vlaams Belang (faschistisch) stimmen in diesen Refrain ein und wiederholen, dass die „Lohnkosten“ für die Industriekrise verantwortlich seien. Der Vlaams Belang geht sogar so weit zu erklären, dass „der entscheidende Punkt nach wie vor die Lohnkosten und die Wettbewerbsfähigkeit unserer Unternehmen gegenüber dem Ausland sind. Davor darf man die Augen nicht verschließen“.

Das Problem der Industrie in Europa und Belgien lässt sich nicht, wie Timmermanns unterstellt, in der Wettbewerbsfähigkeit der Löhne zusammenfassen. Deutschland, wo die Reallöhne seit 2020 um 4 % gesunken sind, steht übrigens am Rande einer Rezession und sieht sich mit dem Absturz der Industrieproduktion konfrontiert. Geert Bruyneel, ehemaliger CEO von Volvo Cars in Gent, erinnert daran: „In Schweden sind die Lohnkosten ebenfalls hoch. Doch in der Endmontage machen die Lohnkosten nur 10 % aus“.

Die eigentliche industrielle Herausforderung Europas liegt woanders. Wie der ehemalige EZB-Präsident Mario Draghi in seinem Bericht betonte, stehen wir vor einer „existenziellen Herausforderung“ für unsere europäische Industrie, was sowohl Energie als auch Technologie betrifft. Unsere zu hohen Energiepreise bremsen unsere industriellen Kapazitäten, und wir hinken bei den Investitionen in Forschung und Entwicklung hinterher. Der Schlüssel zur Wiederbelebung der Industrie in Europa liegt in massiven ebenso öffentlichen wie privaten Investitionen und nicht in veralteten Lösungen.

 

Paradigmenwechsel, um die Herausforderung auf dem Energiesektor zu bewältigen

Hohe und schwankende Energiepreise sind eine der größten Bedrohungen für die Industrie in Europa und Belgien. Die Auslastung der Produktionskapazitäten in energieintensiven Branchen wie der Chemie befindet sich auf einem historischen Tiefstand. Die tiefer liegende Ursache für diese hohen Preise ist die liberale Natur des Energiemarktes. Obwohl es nie eine echte Knappheit gab, waren die Energiepreise Gegenstand erheblicher Spekulationen, die durch Versorgungsprobleme und geopolitische Instabilität angeheizt wurden. Das billigere russische Gas wurde durch das teurere Schiefergas aus den USA ersetzt. Wie Mario Draghi betonte, sind die Gaspreise in Europa auch heute noch vier- bis fünfmal so hoch wie in den USA und die Strompreise zwei- bis dreimal so hoch.

Europa muss sich dringend befreien von dieser Energieabhängigkeit und von Marktmechanismen, die Spekulationen begünstigen. Wenn es um die Erzeugung erneuerbarer Energien in Europa geht, ist die Nordsee unser größter Trumpf. Die notwendigen Investitionen hinken jedoch hinterher, und es gibt keine Garantie dafür, dass die aktuellen Pläne tatsächlich umgesetzt werden. Inflation, Versorgungsproblemeund steigende Zinssätze machen Investitionen viel teurer und schrecken private Investoren ab. Die Gewinnaussichten sind nicht sicher und hoch genug, um multinationale Unternehmen davon zu überzeugen, bedarfsorientierte Investitionen zu tätigen.

 

Massiv investieren, um den technologischen Rückstand aufzuholen

Technologisch gesehen tut sich Europa schwer, mit China und den USA gleichzuziehen, und Timmermans schlägt keine Lösungen vor, um dies zu ändern. Wie Koen Schoors, Wirtschaftsprofessor an der Universität Gent, betont, hat Europa in Bezug auf die Automobilbranche den Übergang zu Elektroautos zu lange hinausgezögert und damit China einen technologischen Vorsprung von 10 bis 15 Jahren überlassen. Es (China) ist seitdem nicht nur bei der Herstellung von Elektroautos überlegen, sondern dominiert ebenso den Batteriesektor, einen Schlüsselbereich der Elektrifizierung. Angesichts der raschen Entwicklung Chinas starteten die USA ein umfangreiches Subventionsprogramm, den Inflation Reduction Act.

Auf diese Weise wollen sie in der Lage sein, Investitionen in zukunftsträchtige Industriezweige wie Batterien, Windkraftanlagen und andere Zukunftstechnologien anzuziehen. Washington zögert übrigens nicht, unsere Industrie direkt zu kontaktieren, um sie auf die andere Seite des Atlantiks zu locken. Und währenddessen schüttet der Volkswagenkonzern 11 Milliarden Euro an Dividenden an seine Aktionäre aus, anstatt diese Mittel in Zukunftsindustrie und den Nachholbedarf beim Technologierückstand zu reinvestieren.
Für einen ehrgeizigen Plan

Die Wiederbelebung unserer Industrie erfolgt nicht durch Lohnkürzungen oder die Lockerung von Arbeitsnormen, wie es Timmermans befürwortet. Der Boss der Bosse sollte mehr Respekt vor denjenigen haben, die die Industrie am Laufen halten. Was wir brauchen, ist:

1. einen echten Energieplan, der reichlich vorhandene, billige und mit den Klimazielen übereinstimmende Energie garantiert. Wir können es uns nicht leisten, bei der Entwicklung auf dem Sektor der erneuerbaren Energien wegen der Unwägbarkeiten auf dem freien Markt in Verzug zu geraten. Wenn wir Industrie und Arbeitsplätze in Europa verankern wollen, brauchen wir öffentliche Investitionen und eine öffentliche Kontrolle über unsere Energie. Ein echter Energieplan muss auch einen Mechanismus zur Preiskontrolle beinhalten, um spekulative Auswüchse zu verhindern.

2. ehrgeizige Investitionen in Forschung und Entwicklung. Wir müssen massiv in Forschung und Entwicklung investieren, auf der Basis einer Vision für die Zukunft. Genauso muss die Industrie ihre Gewinne in Innovationen reinvestieren, anstatt riesige Dividenden auszuschütten. So können wir die Industrie auf den Technologien von morgen aufbauen statt auf den veralteten Rezepten aus der Vergangenheit.

Die Zukunft der belgischen und europäischen Industrie hängt in erster Linie von der Energiewende und von massiven Investitionen in Forschung und Entwicklung ab. Die von Pieter Timmermans vorgeschlagenen Lösungen gehören einer vergangenen Epoche an. Um die Industrie des 21. Jahrhunderts aufzubauen, brauchen wir innovative Lösungen, öffentliche und private Investitionen und eine Politik, die entschlossen in die Zukunft blickt.

 

 
Historische Gewinne bei Audi und VW erzielt

In den letzten beiden Jahren hat der Audi-Konzern dank der harten Arbeit seiner Beschäftigten 2022 und 2023 die größten Gewinne seiner Geschichte erzielt. Im Jahr 1998 blieb der Gewinn aus dem operativen Geschäft unter der Marke von einer Milliarde Euro, und dann erreichte er 6,3 Milliarden Euro im Jahr 2023 und 7,6 Milliarden Euro in 2022.

Dies veranlasste die Finanzzeitung LʼEcho zu der Aussage, dass Audi „eine melkende Kuh des Volkswagenkonzerns ist“. Der Volkswagen-Konzern, der größte europäische Automobilhersteller, zu dem auch die Marke Audi gehört, schüttete seinerseits 2023 fast 12 Milliarden an Dividenden an seine Aktionäre aus. Ein historisches Jahr für die Aktionäre der Gruppe, die sich in den letzten 25 Jahren exponentiell zunehmend bereichert haben. Dass sie vorhaben, das Werk in Forest nächsten Februar zu schließen, liegt also nicht daran, dass Audi oder Volkswagen in finanziellen Schwierigkeiten stecken. Sie haben strategische Fehler gemacht. Und die bedrohen heute die Arbeitsplätze von 4.500 Arbeitnehmern und das Überleben eines industriellen Flaggschiffs.

Die belgische Regierung und die europäischen Regierungen sind ihrerseits verantwortlich für das völlige Fehlen einer Industriestrategie, um den technologischen und ökologischen Wandel abzusichern. Mit den Folgen eines großen Rückstands des europäischen Herstellers gegenüber seinen Konkurrenten und einer stark verlangsamten Nachfrage nach Elektroautos.

Der Volkswagenkonzern hat durchaus die Mittel, um dem Standort Forest eine industrielle Zukunft zu sichern. Sie können beschließen, die Arbeitsplätze, das technologische Juwel der Fabrik in Forest und das bemerkenswerte Know-how zu schützen, das sich die Arbeitnehmer in zusammengerechnet einer Million Stunden an Schulung angeeignet haben. Die PVDA-PTB hat ein Moratorium beantragt, um die Schließung von Automobilproduktionsstätten zu verbieten, solange es keine Alternative gibt, also entweder ein anderes Modell oder einen Käufer aus der Automobilbranche. Wir werden uns dafür einsetzen, das Audi-Management daran zu hindern, zu verkaufen, um ein lukratives Finanzgeschäft zu tätigen und den Aktionären noch mehr auszuschütten.


Sie haben auch allemal genug Geld, um den Beschäftigten von Audi und all seinen Zulieferern sehr gute Prämien zu zahlen. Die PVDA-PTB hat einen Gesetzesvorschlag eingebracht, damit im Falle der Einleitung des Renault-Verfahrens für die Beschäftigten der Subunternehmen die gleichen Bedingungen garantiert werden wie für die Beschäftigten des Stammwerks.

Quelle: Internationale Website der PTB – PVDA

Partei der Arbeit Belgiens