PRO ASYL fordert Stopp der zynischen Abschiebungen
Am heutigen Mittwoch, 24. April soll der mittlerweile 23. Sammelabschiebeflieger nach Kabul starten. Dabei vergeht kaum ein Tag ohne eine Schreckensmeldung aus dem kriegszerrütteten Land: Erst vergangene Woche reklamierte der IS einen schweren Selbstmordanschlag mit zahlreichen Opfern mitten in Kabuls Regierungsviertel für sich. Die ohnehin desolate Versorgungssituation für die Bevölkerung verschärft sich, nachdem das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) seine Arbeit wegen indirekter Drohung durch die Taliban einstellen musste. Hinzu kommt die Versorgung unzähliger Binnenvertriebener – allein im März haben Gefechte zwischen Taliban und IS den Vereinten Nationen zufolge in den Provinzen Kunar und Nangarhar zur Vertreibung von mehr als 21.000 Menschen geführt.
»Die Gewalt nimmt kein Ende, die Sicherheits- und Versorgungslage ist nach wie vor katastrophal. Es ist unverantwortlich, nach Afghanistan abzuschieben«, kritisiert Bellinda Bartolucci, rechtspolitische Referentin von PRO ASYL. Doch die Bundesregierung hält Kabul für Abschiebungen als sicher genug; das BAMF lehnt afghanische Schutzsuchende hierzulande regelmäßig mit dem Verweis ab, sie könnten sich in Kabul oder andernorts vor Krieg und Gewalt in Sicherheit bringen und dort zurechtkommen. Laut jüngstem UNAMA-Bericht (S. 23) treffen Anschläge und Attacken in Kabul zumeist zivile Ziele (Regierungsgebäude, Gebetshäuser, Bildungseinrichtungen) und forderten bisher Hunderte von Opfern.
Die afghanische Regierung kann den Schutz der Bevölkerung nicht sicherstellen. Die Verluste der afghanischen Streitkräfte durch Tod, Verwundung und Desertion sind immens. Zahlen werden seit 2018 geheim gehalten, aber den Äußerungen des afghanischen Präsidenten zufolge sollen es seit seinem Amtsantritt 2014 mehr als 45.000 Tote gewesen sein. Dazu der Kontrollverlust: Noch im November 2015 hatten die Regierungskräfte laut SIGAR-Report vom 30. Januar 2019 in 72 Prozent aller Distrikte des Landes die vollständige Kontrolle. Im Oktober 2018 waren es nur noch 54 Prozent. Die Taliban konnten ihre Gebietsgewinne im selben Zeitraum verdoppeln. Rund ein Viertel des Landes bleibt zwischen den Kriegsparteien konstant umkämpft.
Dabei sind die Taliban und die Regierungskräfte nicht die einzigen Akteure. Auch Milizen diverser Warlords, die mit beiden Seiten ihre eigenen Geschäfte machen, kontrollieren Teile der Ökonomie und herrschen regional über Leben und Tod.
PRO ASYL fordert, die Lage vor Ort endlich ernst zu nehmen. In einem Land, in dem 2018 mehr Opfer bei Kriegshandlungen umkamen als etwa in Syrien oder im Jemen, können Menschen keinen Schutz finden.
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