Systematische Gewalt: FARC droht Auslöschung
Mit einem erneuten Mord an einem ehemaligen Guerillakämpfer der FARC in Nariño nimmt nicht nur die Gewaltwelle weiter zu, sondern auch die Anspannung innerhalb der jetzigen Partei. An der Basis nimmt die Sorge zu, dass der FARC das gleiche Schicksal ereilt, wie in den 1980er und 1990er Jahren der aus der Guerilla hervorgegangenen linken Partei Unión Patriótica (UP). Die UP wurde systematisch verfolgt und bis zu 5000 Mitglieder uns Sympathisanten wurden von rechten Auftragskillern ermordet.
Genau diese Auftragskiller sind heute wieder am Werk. Gefördert und unterstützt werden sie von der kolumbianischen Rechten, die Hand in Hand mit den staatlichen Sicherheitsorgangen und wirtschaftlichen Interessen, einen schleichenden systematischen Mord an FARC-Mitgliedern und der linken Opposition verfolgt. Indirekt gefördert und aufgemuntert werden sie durch die mediale Hetze und Stimmungsmache, die beim Präsidenten Duque von der Partei Centro Democrático anfängt und bei vielen anderen Politiker, Persönlichkeiten und der Kirche weitergeht.
In den letzten Jahren konnten sich wieder paramilitärische Strukturen reorganisieren. Besonders unterstützt werden sie dabei von den staatlichen Sicherheitsorganen wie Armee und Polizei. In einigen Regionen handeln beide Akteure gemeinsam in einer Aufgabenteilung. Militarisierung der Region durch die Armee und anschließend die Drecksarbeit durch paramilitärische Gruppen, die die Bevölkerung einschüchtern, bedrohen, vertreiben und ermorden. Im Fall von FARC-Mitgliedern kommt hinzu, dass sie aufgrund ihrer politisch-militärischen Ausbildung als besonderes Ziel gelten und ihre Ermordung eine besondere Außenwirkung hat.
Nach der Unterzeichnung des Friedensabkommens zwischen Regierung und FARC im November 2016 sind bereits 134 Personen der ehemaligen Guerilla im Wiedereingliederungsprozess getötet worden. Hinzu kommen 34 Familienmitglieder. Davon wurden mehr als 100 von bewaffneten Männern auf Motorrädern ermordet, die oftmals ohne Worte schossen. Das entspricht ganz klar dem Vorgehen von Auftragskillern. So war es in der vergangenen Woche bei Anderson Pérez Osorio der Fall, der medial sehr stark in Kolumbien behandelt wurde, weil er ein Baby hinterließ und er für viele ehemalige Kämpfer eine positive Wirkung mit Optimismus versprühte.
Die Situation ist besorgniserregend, weil in Havanna bei den Friedensgesprächen Maßnahmen vereinbart wurden, um eine systematische Vernichtung wie bei der UP zu vermeiden. Mit dem Mord an Servio Delio Cuasaluzan Guanga in der Gemeinde Ricaurte, Provinz Nariño, geht die systematische Ermordung von FARC-Mitgliedern nun weiter, kurz nach dem die Welle in dieser Woche ihren medialen Höhepunkt erreichte und eine Dringlichkeitssitzung der FARC-Führungsebene am Freitag in Bogotá stattgefunden hatte. Dabei gaben sie der Regierung die Mitverantwortung an den Morden.
Auffällig für die FARC ist besonders die Tatsache, dass Cauca, Nariño, Antioquia, Caquetá und Norte de Santander mit den meisten ermordeten ehemaligen Kämpfern die Provinzen sind, wo es nach dem Rückzug der FARC und ihrer Niederlegung der Waffen eine deutliche Stärkung der paramilitärischen Gruppen in den Gemeinden gab, in denen vorher die Guerilla präsent war. Dies spricht auch für eine Herkunft der Taten aus dem rechtsgerichteten Umfeld und paramilitärischer Strukturen.
Auch wenn Präsident Duque nun mehr Schutz für die FARC forderte, zeigt der neue Mord doch klar, dass Mechanismen zum Schutz und generell auch eine Ernsthaftigkeit für eine Umsetzung der Vereinbarungen fehlen. Dies sorgt für einen enormen Unmut an der Basis und Gespräche zeigen, dass die Grenze der Frustration bei den ehemaligen Kämpfern aufgrund der bedrohlichen Sicherheitslage, aber auch wegen fehlender Unterstützung und Perspektiven, bald überschritten ist. Die Feinde des Friedens, die kolumbianische Oligarchie und Regierung, setzen alles daran, dass der bewaffnete Konflikt weiter geht.
Quelle: