Einstimmige Erklärung des Bundesvorstands der KPÖ zur NR-Wahl (Wien, 5.10.2019)
Der Bundesvorstand der KPÖ dankt allen Kandidatinnen und Kandidaten, vor allem natürlich auch dem Spitzenkandidaten Ivo Hajnal, für das immense Engagement im Nationalratswahlkampf, und dankt herzlich aller Wählerinnen und Wählern, die uns auch diesmal oder zum ersten Mal ihre Stimme gegeben haben.
Das Ergebnis der Nationalratswahl war für das Wahlbündnis »Alternative Listen, KPÖ plus, Linke und Unabhängige« mit der Kurzbezeichnung KPÖ unerfreulich. Spürbare Verluste vor allem in Wien, Verluste auch in Graz und Linz; in anderen Landeshauptstädten bzw. Ländern stimmenmäßige Stagnation, geringfügige Gewinne oder geringfügige Verluste.
Der Bundesvorstand sieht für dieses Ergebnis mehrere Ursachen. Einige haben das Bündnis bzw. die KPÖ selbst zu verantworten, andere wiederum, und das zweifellos die gewichtigeren, liegen im zum x-ten Mal wiederholten Fernhalten der KPÖ von den medialen Hauptereignissen im ORF. Zudem überwogen im Spektrum, das sich als politisch »links« versteht, die Motive: »Rettet die SPÖ« und »Wählt die Grünen wieder in den Nationalrat«, sodass sich sie bestehende Unzufriedenheit nicht in einem Stimmenzuwachs der KPÖ ausdrückte. Gegen diese beiden politischen Motive kam das großartige Engagement der KandidatInnen und AktivistInnen des Bündnissens bzw. der KPÖ nur schwer an, signifikanter Weise vor allem auch in den Landeshauptstädten und in Wien.
Die Kandidatur des Wandels hat dem Bündnis gewiss Stimmen gekostet und den ohnehin bestehenden negativen Eindruck einer gespaltenen, zu gemeinsamem Handeln unfähigen Linken bestärkt. Wichtiger ist aber folgendes: Zählt man die Stimmen von KPÖ und Wandel zusammen, so ist die Zahl der WählerInnen, links von Sozialdemokratie und Grünen größer als bei der Nationalratswahl 2017. Allein durch die Tatsache, dass der Wandel bundesweit kandidieren konnte, ist für die KPÖ eine neue strategische Situation entstanden. Auch wenn die KPÖ seit 1991 keinen Alleinvertretungsanspruch in der Linken erhebt, macht die Kandidatur des Wandls die Notwendigkeit einer wahlpolitischen Einigung der linken Kräfte umso deutlicher.
Das bei dieser Wahl ins Auge stechende Auseinandergehen zwischen der größeren Zustimmung im Kommunalen (zumindest in den Zentren der Bundesländer) einerseits und der geringeren Zustimmung im Bundespolitischen andererseits weist auf den bekannten Umstand hin, dass Kommunales und Bundespolitisches keine unmittelbar kommunizierenden Gefäße sind, dass Zustimmung auf Gemeindeebene sich also nicht unmittelbar oder automatisch in Zustimmung auf Bundesebene fortsetzen kann. Das bedeutet auch, dass wir in Anknüpfung auf unser programmatisches Dokument »Für eine solidarische Gesellschaft« ein eigenes politisches Profil in der Bundespolitik entwickeln müssen, das sich nicht einfach aus der Kommunalpolitik ableiten lässt. Wir werden in den kommenden Monaten unsere bisherige Strategie, einschließlich der Wahlkampfführung, kritisch überprüfen.
Aber auch das Umgekehrte gilt: das Ergebnis der Nationalratswahl kann nicht unmittelbar als Prognose für bevorstehende kommunale und landespolitische Wahlen herangezogen werden. Auf diese Feststellung legt der Bundevorstand gerade angesichts der bevorstehenden Wahlgänge in den Ländern und in Wien besonderen Wert.
Es mag für die eine oder den anderen ein Trost sein, dass sich Kurz II schwer tun wird, weiter oder wieder mit der FPÖ zu regieren, aber auch jegliche andere Farbkombination – und einige sind ja noch möglich – wird von der ÖVP dominiert werden. Das verheißt bei fortgesetzter Anpassungsfähigkeit der potentiellen KoalitionspartnerInnen auch weiterhin nichts Gutes für Österreichs demokratische sowie soziale Infrastruktur und damit für die Mehrheit der ÖsterreicherInnen.
Das Ergebnis der Nationalratswahl lässt die Industriellenvereinigung bzw. ihr politisches Personal dort, wo es sich schon befindet: an den ökonomischen und sozialpolitischen Schalthebeln des Staates. Kurz darf weiter üben, wie man strategischen Sozialabbau mit sozialen Almosen, ökologischen Wasserstoffblasen und nationalistischer Demagogie kombiniert. Ob und inwieweit ihn dabei allfällige Nicht-FPÖ-Koalitionspartner nerven werden, ist offen. In dieser Situation ist die Lücke auf der linken Seite besonders spürbar; sie ist mit der Wahl am Sonntag nicht kleiner geworden.
Der Bundesvorstand betrachtet daher die Stimmen für die KPÖ als zweifachen Auftrag:
Erstens, gegen den fortgesetzten Abbau des Sozialstaats zu wirken, gesundheits-, bildungs- und sozialpolitische Errungenschaften, Frauen-, Kinder- und Minderheitenrechte zu verteidigen, nach Maßgabe ihrer Kraft für eine sozial-ökologische Wende Druck auszuüben, indem die Verantwortung des ökonomisch-politischen Machtblocks für die Klimakrise benannt und ins Zentrum der Kritik gerückt wird. Die Stimmen für die KPÖ empfindet der Bundesvorstand auch als Auftrag, aus verlässlicher antifaschistischer Gesinnung heraus eine wache Kraft gegen den österreichischen Rechtsextremismus und Neofaschismus zu sein und entsprechend zu handeln. Dass die FPÖ wahlpolitisch einen Schmiss bezogen hat, heißt in keiner Weise, dass ihre Schnittstellen zur gesellschaftlichen Mitte nicht mehr funktionieren; nicht zufällig ist sie dabei, Unmengen von Kreide zu fressen.
Und zweitens: beizutragen zu einem gemeinsamen Dach der progressiven Kräfte in Österreich. Die Alternative Liste Innsbruck und die Föderation demokratischer Arbeitervereine (DIDF) haben ihren Entschluss, unabhängig vom Wahlergebnis mit der KPÖ auch weiterhin zu kooperieren, bereits am Wahlabend bekräftigt. Das kann ein auch für andere progressive Kräfte akzeptabler Ausgangspunkt für so ein Dach werden, unter dem Gleiche mit Gleichen kooperieren. Wir werden weiter in diesem Sinne aktiv bleiben.
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