23. November 2024

»In welchem Land leben Premier und Finanzminister?«

Man habe Premier Xavier Bettels Rede zur Lage der Nation und den Erklärungen von Finanzminister Pierre Gramegna beim Depot des Budgetprojekts gut zugehört, hieß es am Mittwoch auf der Pressekonferenz der KPL zur politischen Rentrée, doch beide Male hätten sich die Kommunisten gefragt, »in welchem Land« der Premier und der Finanzminister eigentlich lebten. »In dem Land, in dem wir leben, werden die Einkommensverteilung zwischen Kapital und Arbeit und infolgedessen auch die sozialen Ungleichheiten immer größer«, warf KPL-Präsident Ali Ruckert der Regierung aus DP, LSAP und Déi Gréng vor.

Während die monatlichen Einnahmen der zehn Prozent reichsten Haushalte im Land über achtmal so hoch seien wie die Einkünfte der ärmsten zehn Prozent, und der hiesige Mindestlohn nicht vor einem Abrutschen in Armut schütze, begünstige das Steuerrecht Kapital und Besserverdienende, kritisierte Ali Ruckert. So müsse ein Lohnabhängiger mit einem Jahreseinkommen von 50.000 Euro Steuern in Höhe von 9.743 Euro entrichten, während bei Kapitaleinkünften in gleicher Höhe nur 2.007 Euro an Steuern zu bezahlen seien. Doch darauf seien der Premier und der Finanzminister leider ebensowenig eingegangen, wie auf die Tatsachen, daß in Luxemburg mittlerweile mehr als 18 Prozent der Menschen Gefahr laufen, in Armut abzurutschen, und daß 30 Prozent der Haushalte Schwierigkeiten haben, über die Runden zu kommen.

Kommunisten fordern Dringlichkeitsprogramm

Nun frage sich die KPL, ob die Regierung sich überhaupt für die wachsenden Ungleichheiten und Ungerechtigkeiten im Land interessiere. Die Kommunisten sehen jedenfalls die Notwendigkeit für ein sozialpolitisches Dringlichkeitsprogramm. Dazu sollten eine Erhöhung der Familienzulagen und ihre automatische Anpassung an die Lohnentwicklung und die Inflation genauso gehören, wie eine Aufwertung der Teuerungszulage und die Wiedereinführung einer Vorschußindextranche. Staatliche Beihilfen an Familien und Einzelpersonen müßten künftig sicherstellen, daß niemand unterhalb der Armutsgrenze leben muß. Weiter fordern die Kommunisten eine Erhöhung des Mindestlohns um weitere 14 Prozent, die Einführung des Tiers Payant und kostenlose Medikamente für alle Versicherten.

Im Steuerbereich werden einerseits eine Abflachung der Steuerprogression, die Abschaffung der Steuerklasse 1A und des sogenannten Mittelstandsbuckels sowie eine automatische Anpassung der Steuertabelle an die Inflation und »auf der anderen Seite« die Einführung einer Reichensteuer und eine höhere Besteuerung der Großbetriebe und Banken sowie der Investitionsfonds gefordert.

Ungerechtigkeiten in der Arbeitswelt

Auch an einer zweiten Quelle von Ungerechtigkeiten in der Arbeitswelt seien Regierung und Parlament »nicht unschuldig, weil sie schlechte Gesetze machen«, sagte der KPL-Präsident. So bereiteten die zunehmende Deregulierung und Flexibilisierung der Arbeitszeit immer mehr Lohnabhängigen Probleme, weil sie Arbeit, Familie und Freizeit nicht mehr unter einen Hut bekommen. Hinzu kämen prekäre Arbeitsbedingungen durch Leih- und Teilzeitarbeit, aber auch die wachsenden Probleme durch Burnout und Mobbing.

Habe inzwischen jeder zehnte Schaffende nur einen befristeten Arbeitsvertrag, so liege der Anteil der mit einem CDD abgespeisten jungen Schaffenden im Alter von 15 bis 24 Jahren bereits bei über 40 Prozent. »Da ist es nur normal, daß junge Menschen, denen die Zukunft verbaut wird, und die Zukunftsangst haben, nicht mehr stillhalten wollen«, so Ali Ruckert. »Wir können sie nur ermutigen, sich für Veränderungen einzusetzen.« Die KPL ermutige auch die Gewerkschaften, an einem Strick zu ziehen, um Veränderungen im Interesse der Lohnabhängigen durchzusetzen. Von der Dreierkoalition seien solche Veränderungen jedenfalls nicht zu erwarten, da auch sie »vorwiegend Gesetze im Interesse des Kapitals, und nicht im Interesse der Lohnabhängigen« mache.

»Change the System«
Die Losung »Change the System« sei eben nicht allein auf die Klimafrage anzuwenden, sondern auch auf das herrschende Wirtschafts- und Gesellschaftssystem, betonte Ali Ruckert. Der Kapitalismus befinde sich in der Krise und fast alle politischen Parteien sowie die anderen Kräfte, die das kapitalistische System unterstützen, seien »nicht fähig oder nicht willens, seine wachsenden Probleme zu lösen«.

Aufrüstung und Antikommunismus

KPL-Vizepräsident Alain Herman kritisierte, der geplante Ausbau des US-amerikanischen Militärlagers in Sanem und die geschichtsrevisionistische und auf eine Kriminalisierung der Kommunisten abzielende Resolution des EU-Parlaments seien in der Berichterstattung der vergangenen Wochen zu kurz gekommen bzw. überhaupt nicht berücksichtigt worden. Von den geschätzt 225 Millionen Euro, die in den Ausbau des WSA-Militärlagers gesteckt werden sollen, soll lediglich ein Fünftel aus den USA kommen, während vier Fünftel, also rund 180 Millionen Euro, mit luxemburgischen Steuergeldern bezahlt werden sollen.

Die KPL sei grundsätzlich gegen Aufrüstung und Krieg, weshalb sich die Kommunisten auch nicht über die für Sanem in Aussicht gestellten neuen Arbeitsplätze freuen könnten. »Investitionen in die Armee und letztendlich in den Krieg sind niemals Investitionen in die Zukunft«, erklärte Alain Herman. Die 180 Millionen Euro, die die Regierung in das WSA-Militärlager stecken will, würden besser in den sozialen Wohnungsbau, das Schulwesen oder in die Schaffung von Arbeitsplätzen in der Industrie investiert.

Von einem »Rückfall in die schlimmsten Zeiten des Kalten Krieges« sprach der KPL-Vizepräsident mit Blick auf die vom EU-Parlament in Straßburg verabschiedete Resolution zur »Bedeutung des europäischen Geschichtsbewußtseins für die Zukunft Europas«, die am 19. September mit den Stimmen aller EU-Deputierten aus Luxemburg verabschiedet wurde. Darin werde entgegen aller historischen Erkenntnisse behauptet, erst mit dem deutsch-sowjetischen Nichtangriffsvertrag seien »die Weichen für den Zweiten Weltkrieg« gestellt worden. So würden Faschismus und Kommunismus, Unterdrücker und Unterdrückte, Schlächter und Opfer, Angreifer und Befreier gleichgesetzt.

»Lebenswertes Luxemburg« – für wen?

Damit würden die mindestens 27 Millionen Toten, die die Sowjetunion durch den faschistischen Vernichtungskrieg zu beklagen hatte, entwürdigt, kritisierte Alain Herman. Mit dieser Resolution bekämpfe das EU-Parlament nicht die steigende Gefahr von Faschismus, Rassismus und Nationalismus, sondern es werde versucht, den Menschen in EU-Europa ein Geschichtsbild mit autoritär-ideologischem Charakter aufzuzwingen und den kommunistischen Widerstand gegen den Faschismus sowie auch jeden heutigen Versuch, einen nichtkapitalistischen Weg einzuschlagen, zu kriminalisieren.

Mit der Aussage von Premier Bettel in seiner Rede zur Lage der Nation, beim Klimawandel befänden wir uns in einer entscheidenden Phase, ging Esther Vibi-Reuland, die dem Zentralkomitee der KPL angehört, ins Gericht. Jedem »mit gesundem Menschenverstand« müsse klar sein, daß die Grenze dieser Phase längst überschritten sei. Die vom Premierminister hinsichtlich erneuerbare Energien und Ausbau des öffentlichen Transports unterbreiteten Vorschläge reichten bei Weitem nicht aus.

Esther Vibi-Reuland forderte, den Hauptverursacher des Klimawandels beim Namen zu nennen: Das kapitalistische System. Noch würden die wenigsten Klimaaktivisten über Profite reden wollen, ohne das System zu ändern werde der Kapitalismus einfach »grün angemalt«. Wenn Bettel erkläre, seine Regierung wolle dafür sorgen, daß »das Leben in Luxemburg lebenswert bleibt«, stelle sich die Frage, für wen das Leben lebenswert bleiben solle.

Quelle:

Kommunistische Partei Luxemburgs

Luxemburg