»Null Hunger«-Ziel in weiter Ferne
Die Zahl der Hungernden ist nach stetigem Rückgang seit der Jahrtausendwende in den vergangenen drei Jahren wieder angestiegen – auf im vergangenen Jahr weltweit 821,6 Millionen Menschen. 2015 waren es noch rund 44 Millionen Hungernde weniger, heißt es im aktuellen Index der privaten deutschen Hilfsorganisation »Welthungerhilfe«.
Angesichts dieser immer noch gewaltigen Zahlen und der besorgniserregenden jüngsten Entwicklung scheint das Erreichen des »Null Hunger«-Ziels der UNO utopisch zu sein. Laut den am 1. Januar 2016 in Kraft getretenen Zielen der Staatengemeinschaft für eine nachhaltige Entwicklung soll der Hunger in der Welt bis zum Jahr 2030 besiegt sein.
»Der Klimawandel macht die Fortschritte zunichte, die wir in den letzten Jahrzehnten global erzielt haben«, klagte die Präsidentin der »Welthungerhilfe«, Marlehn Thieme, bei der Veröffentlichung des Berichts. Dieser zeichnet ein umfassenderes Bild der globalen Situation, da er für die einzelnen Länder Daten mehrerer UNO-Organisationen zu Unterernährung, Auszehrung bei Kindern und Kindersterblichkeit auswertet. Aktuell litten zwei Milliarden Menschen weltweit an Mangelernährung.
Während es insbesondere in Süd- und Südostasien und in Afrika südlich der Sahara seit dem Jahr 2000 deutliche Verbesserungen gab und es Angola, Ruanda, Laos und Äthiopien am besten gelang, Hunger und Unterernährung zu reduzieren, gibt es im Jemen und der Zentralafrikanische Republik heute mehr Hungernde als damals.
Letztere ist das einzige Land, das laut dem Index aktuell noch in die schlimmste Kategorie »gravierend« fällt. »Sehr ernst« ist die Lage demnach in Tschad, Madagaskar, Jemen und Sambia, »ernst« ist die Lage in weiteren 42 Staaten. Anlaß zu Besorgnis geben auch Länder, für die die Datenlage unzureichend ist, darunter die DR Kongo, Syrien und Papua-Neuguinea. Auch gibt es mehrere Länder mit einer ganz guten Durchschnittsnote, wo es aber in einzelnen Regionen viel schlechter aussieht.
Die Berichtsautoren gehen davon aus, daß selbst bei einer weiteren Reduzierung von Hunger und Unterernährung im gleichen Tempo wie bisher mindestens 45 Länder es nicht schaffen werden, ihre Bevölkerung ausreichend zu ernähren. Das liege an bewaffneten Konflikten, aber auch an Umweltaspekten.
Letztere werden mit dem Klimawandel immer folgenschwerer: Seit den 90er Jahren hat sich die Zahl der Extremwetterereignisse wie Dürren, Stürme, Überflutungen und Wald- bzw. Vegetationsbrände verdoppelt.
So leidet der Süden Simbabwes derzeit unter einer extremen Dürre. Während der Wirbelsturm »Idai« im März mit seinen Verwüstungen im Norden des Landes, in Mosambik und Malawi spektakuläre Bilder für die Kameras lieferte, findet die sich jetzt abzeichnende Katastrophe fernab der Weltöffentlichkeit statt. Da die Regenzeit fast gänzlich ausgefallen ist, gab es in diesem Jahr im Süden Simbabwes kaum etwas zu ernten – die Landbevölkerung überlebt mehr schlecht als recht mit ihren spärlichen Vorräten. In vielen Familien dämpft gezuckerter Tee das Hungergefühl und muß eine ganze Mahlzeit ersetzen.
Schon im August warnte die UNO vor einer in Simbabwe bevorstehenden Hungersnot und rief die Mitgliedstaaten dazu auf, rund 300 Millionen Euro lockerzumachen. Doch die haben offensichtlich andere Prioritäten – wie die derzeitige militärische Aufrüstung gemäß des Zwei-Prozent-Ziels der NATO.
Oliver Wagner
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