Junckers Abschied
Man kann Jean-Claude Juncker mögen oder auch nicht. Aber das hat er wirklich nicht verdient, daß zu seiner Abschieds-Rede im Straßburger EU-Parlament kaum mehr als ein Drittel der hochbezahlten Abgeordneten den Weg in den Saal gefunden haben, um dem sichtlich abgekämpften Kommissionspräsidenten Respekt zu erweisen.
Viel war allerdings von seiner Bilanz nach fünf Jahren als Präsident der EU-Kommission ohnehin nicht zu erwarten. Das Ergebnis fällt, freundlich formuliert, recht mager aus. Juncker hat die Kommission, obwohl er es damals anders sah, mitten in der Krise übernommen, und jetzt steht der Laden keineswegs besser da.
So gut wie alles, was er sich vorgenommen hatte, konnte er nicht durchsetzen. Deshalb mußte er nun den einen oder anderen Punkt ein wenig schönfärben. Obwohl er es besser wissen müßte, spricht er erneut von der Europäischen Union als »ein Friedensprojekt« . Daß das nicht so ist, wissen wir spätestens seit der Teilnahme etlicher EU-Staaten am Jugoslawien-Krieg vor 20 Jahren. Und Junckers Aussage wird völlig ad absurdum geführt, wenn wir daran denken, daß unter seiner Präsidentschaft Anstrengungen und die Ausgaben für die schrittweise Umwandlung der EU in eine Militär-Union beträchtlich erhöht wurden und er auch damit seiner Nachfolgerin den Weg bereitete, die neue Strukturen schaffen will, mit der die Rüstungsindustrie und die militärische Aufrüstung in den EU-Staaten weiter vorangetrieben und mit Milliardenbeträgen hochgepäppelt werden soll.
Jean-Claude Juncker sprach von Krisenjahren, und meinte damit unter anderem die Krise um Griechenland, die letztlich mit Unterstützung der »linken« SYRIZA-Regierung ganz im Sinne der Banken und des Großkapitals und damit logischerweise zu Lasten der arbeitenden Menschen entschärft, aber immer noch nicht gelöst werden konnte. Gemeint ist auch die »Flüchtlingskrise« , die allerdings mit starkem Zutun der EU (fest an der Seite der USA und der NATO) entstanden ist und auch von der EU nicht gelöst werden kann, weil dieser imperialistische Staatenbund Teil des Problems ist und bleibt.
Vor fünf Jahren hatte Juncker die Leitung der EU-Kommission sicher mit der Illusion übernommen, daraus eine effektiv arbeitende »Regierung« für die EU machen zu können. Er hätte wissen müssen, daß er dabei vor allem auf heftigen Widerstand aus Berlin und Paris stoßen mußte. Auch die von ihm als eines seiner Lieblingsprojekte betriebene »Bankenunion« mußte scheitern, denn auch auf diesem Gebiet liegen die partikularen Interessen zu weit auseinander.
Seine größte Niederlage dürfte jedoch der Brexit sein, vor allem die Tatsache, daß es ihm trotz emsigen Bemühens nicht gelungen ist, Ordnung in das vom damaligen britischen Premier Cameron angerichtete, und von dessen Nachfolgern May und Johnson vergrößerte Chaos zu bringen. Von Juncker stammt aber auch – in anderem Zusammenhang – die Formulierung »die Instrumente zeigen« . Das Brexit-Chaos, das er nicht verhindern konnte, dient nun zumindest als »Instrument« , anderen Ländern klarzumachen, wohin der Versuch führen kann, aus den Reihen der EU auszuscheren.
Im Gegensatz zu Junckers Aussage ist sicher auch der sogenannte Juncker-Plan, das von ihm gestartete »Investitionsprogramm« nicht als Erfolg zu werten, zumindest nicht aus der Sicht der Menschen, die von ihrer Hände Arbeit leben müssen. Für die neoliberale EU-Politik der »Vier Grundfreiheiten« ist zumindest das auf der Haben-Seite zu verbuchen. Also wenigstens ein Erfolg aus der Sicht des Kapitals…
Uli Brockmeyer
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