Historischer Moment
Es ist nicht wirklich überraschend, daß sich ein Papst für die Erhaltung des Lebens ausspricht, und gegen den Krieg und die Waffen, die dazu genutzt werden können – zumindest in unserer modernen Zeit. Überraschend und sehr zu begrüßen ist es jedoch, wenn das Oberhaupt der katholischen Kirche extra nach Hiroshima und Nagasaki reist, um am Ort der gewaltigen Kriegsverbrechen der USA einen Appell für die Abschaffung aller Atomwaffen zu verkünden. Vergleichbares hat es in der jüngeren Geschichte nicht gegeben, und so ist dieser Auftritt von Papst Franziskus durchaus ein historischer Moment.
Es kommt auch nicht alle Tage vor, daß ein Redakteur einer kommunistischen Zeitung die Worte des Obersten aller Katholiken – zumindest die, die durch Agenturen veröffentlicht wurden – bedingungslos unterstützen kann. Im Gegensatz dazu ist der leidenschaftliche Appell des Kirchenoberhaupts dem »Luxemburger Wort«, das dem Papst eigentlich viel näher steht als diese Zeitung, lediglich den Abdruck der entsprechenden Meldung der Deutschen Presseagentur wert. Und das hiesige »Tageblatt«, das wiederum unserem Außenminister nahesteht, verzichtet ganz auf einen Bericht über die Forderung nach Vernichtung aller Atomwaffen. Und wir betonen erneut, daß es um ALLE Atomwaffen geht, unabhängig davon, welches Land sie besitzt.
Bezeichnend für den Umgang mit historischen Momenten und historischen Wahrheiten ist auch, daß in der im hiesigen Bistumsblatt abgedruckten dpa-Meldung erneut die schon mehrfach als Lüge nachgewiesene Behauptung wiederholt wird, der verbrecherische Abwurf der beiden Atombomben auf die japanischen Städte Hiroshima und Nagasaki am 6. und am 9. August 1945 stehe in einem ursächlichen Zusammenhang mit der Kapitulation des kaiserlichen Japan im Zweiten Weltkrieg.
Es kann nicht oft genug wiederholt werden, daß die atomare Vernichtung der beiden Städte und der Tod von Hunderttausenden Menschen keinerlei nachweisbaren Einfluß auf die Niederlage Japans hatte. Japan war zu diesem Zeitpunkt bereits militärisch am Ende, dafür hatte die Kriegsführung der USA und ihrer Verbündeten, vor allem Britanniens und Australiens, im Pazifik bereits gesorgt. Der letzte und entscheidende Aspekt war dann jedoch der Kriegseintritt der Sowjetunion am 9. August 1945. Die sowjetische Führung hatte, als Gegenleistung für die – viel zu spät erfolgte – Eröffnung der Zweiten Front in Europa im Sommer 1944, gegenüber den USA und Britannien verbindlich zugesagt, drei Monate nach dem Ende des Krieges in Europa in den Krieg in Asien einzutreten. Getreu dieser Verpflichtung erfolgte am 9. August 1945 die sowjetische Kriegserklärung an Japan, und die Truppen der Roten Armee eröffneten eine neue Front auf dem asiatischen Kontinent.
Daß USA-Präsident Truman den Abwurf der Atombomben auf Hiroshima und Nagasaki genau zu diesem Zeitpunkt befahl, hatte im Wesentlichen zwei Ursachen: Einerseits gab es kaum noch militärische Ziele, aber vor allem sollte der Einsatz der neuartigen Waffe als Demonstration der Stärke gegenüber der Sowjetunion verstanden werden. Genau genommen begann bereits damit der Kalte Krieg.
Bezeichnend ist übrigens auch, daß der sozialdemokratische deutsche Außenminister wenige Tage vor Papst Franziskus ausgerechnet in Hiroshima die Abschaffung der Atomwaffen kategorisch abgelehnt hat, die in Büchel, unweit der Grenze zu Luxemburg, gelagert sind. Und auch, daß Luxemburg im Konzert mit den anderen Mitgliedstaaten des Kriegsbündnisses NATO sich gegen den in der UNO bereitliegenden Vertrag zum Verbot aller Atomwaffen ausspricht.
Uli Brockmeyer
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