Die Frauenbewegung bekommt neuen Schwung
Dazu ein Blick zurück in die Geschichte der Frauenbewegung: Vor 110 Jahren – im August 1910 – wurde auf der II. Internationalen Sozialistischen Frauenkonferenz in Kopenhagen beschlossen, dass jedes Jahr in allen Ländern ein Frauentag durchgeführt wird, der einen internationalen Charakter tragen muss und sorgfältig vorzubereiten ist. Die Sozialistinnen Clara Zetkin und Käte Duncker brachten diesen Vorschlag ein. Der Internationale Frauentag wurde dann am 19. März 1911 zum ersten Mal gefeiert. Mit der Wahl des Datums sollte der revolutionäre Charakter des Frauentags hervorgehoben werden, denn der Vortag, der 18. März, war der Gedenktag für die Gefallenen während der Märzrevolution 1848. Außerdem sollte auch an die Pariser Kommune 1871 gedacht werden, die ebenso im März begonnen hatte. Diese erste Frauenbewegung hatte als wichtigstes Ziel das Frauenwahlrecht, das 1918 im Zuge der Novemberrevolution durchgesetzt wurde. Nachdem dieses erste große Ziel erreicht war, bestimmten in den nächsten 100 Jahren andere Themen wie Frieden, gleicher Lohn für gleichwertige Arbeit, kürzere Arbeitstage, gute Arbeitsbedingungen, Mutterschutz, Vereinbarkeit von Familie und Beruf die Aktivitäten.
Ende der 60er und in den 70er Jahren entstand die zweite große Frauenbewegung, die allerdings eher eine bürgerliche Reformbewegung war und wenig Verankerung bei Arbeiterinnen hatte. Sie konnte einige gesetzliche Verbesserungen durchstzen, darunter die Regelung des Partnerschaftsprinzip in der Ehe, dass Frauen die Einrichtung eines eigenen Bankkontos ermöglicht wurde und dass sie ohne Zustimmung des Ehemanns erwerbstätig sein konnten. Dann kamen wieder Jahrzehnte, in denen die Frauenbewegung äußerst schwach war und sich dementsprechend auch nichts Wesentliches verbesserte.
Seit einigen Jahren gibt es weltweit einen Aufschwung der Frauenbewegung. Begonnen hatte die Bewegung in Südamerika – sie richtete sich gegen Gewalt an Frauen und gegen Frauenmorde. Seit 2018 ist der Aufschwung auch auf dem europäischen Kontinent angekommen. So gab es in Spanien am Frauentag 2018 und 2019 Streiks mit millionenfacher Beteiligung. Unter diesem Druck konnten jetzt auch schon erste gesetzliche Verbesserungen bei Geburtenurlaub und gegen Lohndiskriminierung von Frauen durchgesetzt werden. In der Schweiz gingen im Juni letzten Jahres eine halbe Million Frauen für ökonomische und soziale Gleichstellung auf die Straße.
Auch in Deutschland hat der Internationale Frauentag wieder mehr Schwung bekommen. Eine bundesweite Vernetzung hat sich Ende 2018 gegründet, der mittlerweile zahlreiche meist neu gegründete Ortsgruppen angehören. So wurde schon der Frauentag 2019 gemeinsam vorbereitet und viele Zehntausende Frauen beteiligten sich an Demonstrationen, Kundgebungen und bunten Aktionen unter der Losung: «Wenn wir die Arbeit niederlegen, steht die Welt still» (frauenstreik.org).
Im Blickpunkt der Frauenbewegung stehen die ökonomischen Benachteiligungen durch schlechte Löhne und prekäre Arbeit sowie die weit höhere Belastung durch die Haus- und Familienarbeit, drei Viertel dieser Arbeit werden immer noch von Frauen geleistet. Diese Benachteiligungen stehen in krassem Widerspruch dazu, dass die heutige Frauengeneration die am besten ausgebildete aller Zeiten ist. Dieser Widerspruch ist eine der Ursachen der Dynamik dieser neuen Frauenbewegung.
Aber auch die Angriffe von konservativen, rechtspopulistischen und faschistischen Kräften auf die erkämpften Errungenschaften rütteln die Frauen auf. Sie wollen nicht in die traditionellen Frauenrollen zurückgedrängt werden. Sie wollen dem rechten Trend nach Frauenfeindlichkeit, Frauenhass, Gewalt gegen Frauen und Sexismus Einhalt gebieten und klare Kante zeigen. Auch der Kampf gegen diesen Rollback beflügelt die Frauenbewegung.
Lasst uns den Internationalen Frauentag 2020 unter das Motto stellen: «Uns reicht‘s – wenn wir streiken, steht die Welt still.» Stärken wir die Frauenbewegung. Denn: «Ohne Befreiung der Frau kein Sozialismus und ohne Sozialismus keine Befreiung der Frau» (Alexandra Kollontai).
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