Das sind die politischen Lehren der Corona-Krise
Unser tägliches Leben hat sich von einem Tag auf den anderen dramatisch verändert. Die Auswirkungen sind noch nicht abzusehen. Die steirische KPÖ unterstützt die Maßnahmen im Kampf gegen die Ausbreitung der Corona-Krankheit und wird auch jetzt alles tun, um eine gerechte Verteilung der Lasten sicherzustellen.
Die KPÖ bleiben im Gespräch mit den Menschen und wollen Hilfe anbieten, wo immer dies möglich ist. Das ist wichtig. Die Krankheit trifft uns alle. Die Unterschiede in unserer Gesellschaft zwischen unten und oben verschwinden aber nicht.
In Krisenzeiten gibt es viele Beispiele von Menschlichkeit und Humanität, wir kennen aus der Geschichte aber auch Fälle von Versuchen, mit dem Leid der Menschen Geschäfte zu machen.Wer zahlt die Kosten für die Bewältigung der Wirtschaftskrise, die auf das Virus zurückgeführt wird? Wie unterstützt man die Beschäftigten im Handel und im Gesundheitswesen mit mehr als guten Worten? Wie wird der Zugang zum Gesundheitssystem und zu einer wirksamen Behandlung geregelt?
Die Antworten auf diese Fragen werden zeigen, ob bei uns Gerechtigkeit oder Gier vorherrschen.
Die Kommunistinnen und Kommunisten halten die Augen offen und bleiben wachsam. Sie wollen auch weiterhin Haltung zeigen und Hoffnung geben.
Über die Helden und Heldinnen in dieser Krise, Solidarität, politische Notwendigkeiten und das Telefonieren mit Menschen, die einem nahe stehen sprechen Claudia Klimt-Weithaler, Elke Kahr und Robert Krotzer im Interview.
Die Gemeinderatswahlen hätten am 22. März stattfinden sollen und sind verschoben worden. War das eine richtige Entscheidung?
Claudia Klimt-Weithaler: Ja. Bei den Gemeinderatswahlen geht es um den eigenen Heimatort und wie er sich in Zukunft entwickeln soll. Die Entscheidung darüber soll nicht von anderen Themen überlagert werden. Viele Menschen wären aus Sorge, sich anzustecken, wohl zuhause geblieben. Es ist wichtig, dass alle Menschen die Möglichkeit haben, ohne Angst am demokratischen Prozess teilzunehmen.
Robert Krotzer: Eine Wahl zu verschieben, ist auch weniger schlimm, finde ich, als eine OP verschieben zu müssen, auf die man lange gewartet hat. Die Wartelisten auf viele Operationen sind, wenn man keine Zusatzversicherung hat, ja seit Jahren schon sehr lang.
Elke Kahr: Schon vor der Corona-Krise haben die Ärztinnen und Ärzte und das Pflegepersonal in den Spitälern Großartiges geleistet – und das unter Arbeitsbedingungen, die alles andere als einfach sind: die ständigen Überstunden, die Nachtdienste, der steigende Arbeitsdruck sollten uns allen Respekt abringen. Und hier kann man gar nicht oft genug Danke sagen! Sie sind die Heldinnen und Helden in dieser Krise.
Sie sprechen gesundheitspolitische Fragen an. Was können wir aus der derzeitigen Situation lernen?
Klimt-Weithaler: Jetzt steht einmal die Bewältigung der Corona-Krise im Mittelpunkt. Aber es stimmt, eine Politik der Bettenreduktion und der Spitalsschließungen, hat sich als falsch erwiesen. Das werden jetzt viele einsehen, die vorher nur Budgetzahlen gesehen. Aber darüber wird zu reden sein, wenn die Krise bewältigt ist.
Krotzer: Das seh ich gleich. Bei allen gesundheitspolitischen Maßnahmen sollten das Wohl der Patienten und Patienten auf der einen Seite und die Arbeitsbedingungen der Beschäftigten auf der anderen Seite im Mittelpunkt stehen. Das sind nämlich zwei Seiten einer Medaille. Jetzt ist es aber wichtig, die Ausbreitung des Virus einzudämmen. Denn das ist das Um und Auf, damit diejenigen, die schon infiziert sind und schwerer erkranken, auch bestmöglich behandelt werden können. Die wichtigsten und aktuelles Informationen gibt es auf www.graz.at/coronavirus – nicht nur für Grazer und Grazerinnen.
Was raten Sie den Menschen?
Krotzer: Man sollte anderen Menschen so gut es geht aus dem Weg gehen. Viele beherzigen das schon, viele müssen aber arbeiten, um die Grundversorgung aufrecht zu erhalten. Neben dem medizinischen Personal in den Spitälern und Ordinationen sind das alle im Sozial- und Gesundheitsbereich, in den Einsatzorganisationen, in der Produktion, in der Warenanlieferung, in der Kinderbetreuungseinrichtungen, bei der Müllabfuhr, bei der Infrastruktur wie Wasser, Strom und Kanal oder beim öffentlichen Verkehr, in der Verwaltung, bei den Telefon-Hotlines und vor allem im Handel tätig sind. Ohne sie wäre die Gesellschaft jetzt aufgeschmissen.
Man darf nicht vergessen: das sind vielfach Berufe, die alles andere als gut bezahlt sind. Auch das sollte uns in dieser Zeit zu denken geben.
Kahr: Die Begriffe „soziale Kontakte einschränken“ oder „Selbst-Isolation“, die man jetzt immer wieder hört und liest, sind unglücklich, finde ich. Besser wäre „persönliche Kontakte“ oder „physische Kontakte meiden“. Es ist nämlich wichtig, dass man mit den Menschen, die einem nahe stehen, Kontakt hält. Gerade ältere Menschen, die ja zur Risikogruppe zählen, sollte man anrufen, ihnen SMS oder WhatsApp-Nachrichten schreiben, ihnen zeigen, dass man an sie denkt. Denn es ist für niemanden leicht, viel zuhause zu sein.
Klimt-Weithaler: In dieser Krise zeigt sich auch, wie stark der Zusammenhalt und wie groß die Solidarität ist. In vielen Stiegenhäusern finden sich Zettel, wo Leute ihren Nachbarn und Nachbarinnen anbieten können, für sie Erledigungen zu machen, wenn die zur Risikogruppe gehören. Wer dabei noch mitmachen will: Bei der Kommunistischen Jugend, dem Projekt Annenviertel oder der WOCHE Graz gibt es Vorlagen, die man herunterladen und ausdrucken kann.
Viel wird derzeit über das Hamstern diskutiert. Wie sehen Sie das?
Klimt-Weithaler: Wenn der Wirtshausbetrieb runtergefahren wird und man den Menschen sagt, sie sollen möglichst zuhause bleiben, ist es klar, dass sie sich Essen und Trinken kaufen. Bei vielen ists ja auch so, dass keine Wocheneinkäufe tätigen, sondern halt jeden Tag in den Supermarkt gehen, um sich zu kaufen, was sie gerade brauchen. Wenn plötzlich alle für einen längeren Zeitraum einkaufen, ist es klar, dass ein Regal irgendwann leer ist. Die Waren sind aber schnell wieder verfügbar.
Krotzer: Es ist ja auch eine Sache der Psychologie: Wenn auf Facebook Profilbilder mit „stay the fuck home“ versehen werden und dann massenhaft Bilder von leeren Regalen herumgeistern, die Zeitungen drüber schreiben, dann steckt einen das schon an. Dann fahren alle gleichzeitig zu den ganz großen Supermärkten mit vielen Parkplätzen und sehen, dass viele andere auch da sind. Auch das verunsichert. In kleineren Geschäften war der Andrang zwar auch sehr groß, aber solche Szenen haben sich nicht abgespielt.
In manchen Bereichen wird es dann ziemlich surreal – wenn zum Beispiel überall das Klopapier ausgeht.
Klimt-Weithaler: Eine Handelsangestellte hat sinngemäß gesagt: Ob die Angst, kein Klopapier zuhaus zu haben, einfach extrem ansteckend ist oder tiefer sitzt, müssen Psychologen und Psychologinnen klären. (lacht)
Kahr: Wenn man mit Verkäuferinnen spricht, hört man vor allem eines: Im Lager gibt es die Waren noch, aber den Verkäuferinnen fehlt einfach die Zeit, die Dinge wieder ins Regal einzuschlichten. Das sagt ja auch viel über den heutigen Kapitalismus: Für die großen Handelskonzerne ist es kein Problem, die Waren zur Verfügung zu stellen, aber beim Personalstand wird immer der Sparstift angesetzt. Auch im Handel ist der Arbeitsdruck schon viele Jahre enorm.
Stichwort Angst. Bei vielen Menschen herrscht auch große Unsicherheit, was ihren Arbeitsplatz betrifft.
Klimt-Weithaler: Die Arbeiterkammer hat eine gute Zusammenstellung online gestellt. Dort werden die wichtigsten Fragen beantwortet – etwa ob man vom Chef einfach heimgeschickt werden kann, wie eine Krankmeldung läuft, wenn man nicht zum Hausarzt kann oder ob man eine einvernehmliche Kündigung unterschreiben soll, wenn der Chef eine Wiederanstellung verspricht.
Wichtig ist: sobald man sich unsicher ist, einfach zu Sicherheit bei der AK anrufen!
Kahr: Die KPÖ hat schon öffentlich appelliert, dass Vermieter und Wohnungsgesellschaften keine Delogierungen durchziehen. Wir rufen auch die Energie-Unternehmen auf, von Stromabschaltungen abzusehen. In Krisenzeiten sollte niemand vor die Tür gesetzt werden und niemandem die Heizung oder der Strom abgedreht werden – auch wenn sie mit der Miete oder der Stromrechnung in Verzug sind.
Sollte es dennoch Probleme geben: Der Mieternotruf der KPÖ Graz bleibt aufrecht und wird verstärkt. Bei Problemen im Bereich Wohnen wird die KPÖ weiterhin unter 0316 / 71 71 08 mit Rat und Tat zur Seite stehen.
Krotzer: Der Parteienverkehr und die persönlichen Beratungen im Rathaus und im Landhaus finden bis auf weiteres nicht statt. Per E-Mail oder Telefon wir sind aber natürlich weiterhin für alle da, die Hilfe suchen. Persönliche Notlagen hören ja leider nicht auf, nur weil das gesellschaftliche Leben zurückgefahren wird.Welche – auch politischen – Schlüsse müssen gezogen werden?
Klimt-Weithaler: Eine politische Schlussfolgerung muss auch sein, dass die öffentliche Grundversorgung in öffentlicher Hand bleiben und ausreichend finanziert werden muss. 63 Mal hat die EU ihre Mitgliedsstaaten zwischen 2011 und 2018 zu Kürzungen oder Privatisierungen im Gesundheitsbereich aufgefordert. Das hat Wirtschaftsprofessor Walter Ötsch recherchiert. Mit dieser gefährlichen Ideologie muss man brechen. Das scheinen mittlerweile sogar frühere Einpeitscher des „freien Marktes“ einzusehen. Der Markt kann und darf das nicht regeln. In der Gesundheitsversorgung ist der Sparstift und die Profitmacherei fehl am Platz.
Krotzer: Es hat sich auch gezeigt, wie fatal es ist, die Erforschung und Produktion von Medikamenten dem Markt auszuliefern. Wenn Schutzmasken und lebensnotwendige Medikamente nur mehr in Fernost hergestellt werden, sind Engpässe in Österreich schon auch selbst verschuldet.
Überhaupt sollte die Erforschung und Herstellung von pharmazeutischen Produkten in öffentlicher Hand sein. Es wird ja sehr viel Steuergeld für Forschung ausgegeben, staatliche Unis kooperieren mit Pharma-Riesen. Da darf es nicht sein, dass die Patente allein den Multis gehören, die damit Milliarden-Profite erwirtschaften. Hier geht es um die Gesundheit der Menschen.
Kahr: Gut, dass auch wirtschaftlich rasch Rettungspakte auf den Weg gebracht worden sind. Wichtig ist, dass aber auch kleine Familienbetriebe, Ein-Personen-Unternehmen oder Künstlerinnen und Künstler aufgefangen werden, die jetzt nirgends mehr auftreten können.
Wichtig ist auch, dass die Kosten für die Rettungspakete nicht wie bei der Bankenkrise 2008 der breiten Masse der Bevölkerung umgehängt werden. Als erste Schritte wären eine Erbschaftssteuer für Millionenerbschaften und eine einmalige Solidar-Abgabe für alle Privatvermögen von über einer Million Euro denkbar.
Abschlussfrage: Es werden jetzt mehr Filme und Serien gestreamt, es wird mehr gelesen. Was empfehlen Sie den Lesern und Leserinnen des Interviews:
Klimt-Weithaler: Die Netflix-Serie „Haus des Geldes“ habe ich sehr gut gefunden. Links zur lesenswerten Artikeln im Internet gibt es Woche für Woche auf der Facebook-Seite des KPÖ-Bildungsvereins. Da kann man sich inspirieren lassen. Wenn man alle Bücher zuhause schon gelesen hat, empfehle ich auch die „öffentlichen Bücherregale“, bei denen man sich kostenlos Bücher holen, aber auch welche für andere dalassen kann.
Krotzer: „Rebellion“, eine Serie über den irischen Osteraufstand 1916, oder „Babylon Berlin“ auf Sky, eine Serien-Adaption der großartigen Krimis von Volker Kutscher, die man auch lesen sollte, wären meine Tipps. Lesenswert finde ich jedenfalls die Webseiten der Zeitungen Junge Welt, Der Freitag oder des Hintergrund-Magazins.
Ich selbst hab ja kein eBook aber wer eines hat, sollte Going Underground – Willkommen im toten Graz von Martin Murpott lesen, sagt ein Freund.
Kahr: Wir hören viel Radio und lesen viel. Ich mach auch gern Kreuzworträtsel. Streaming-Abo gibt’s bei uns im Haushalt keines. Auf der Homepage des ORF oder von ARTE gibt es aber kostenfrei sehr viel Sehenswertes – von Nachrichten über Dokus oder Serien bis zu Kultur.
Quelle: