Im 105. Jahr des Genozids an den ArmenierInnen
Der 24. April steht weltweit im Gedenken eines der dunkelsten Kapitel der Geschichte des 20. Jahrhunderts in Europa: des Beginns des Genozids an den Armeniern im Osmanischen Reich.
Mit den etwa 1,5 Millionen Opfern der Deportationen, Todesmärsche, Massaker, Morde, des Hungers und von Krankheiten 1915/16, wurden innerhalb kürzester Zeit mindestens zwei Drittel aller Armenier hingemordet. Mit Michael Mann – einem der führenden Experten der Erforschung der modernen Praxen ethnischer Säuberungen und Genozide – gesprochen: der proportional „erfolgreichste Säuberungsmord des zwanzigsten Jahrhunderts“. Hand in Hand mit ihnen fielen dem Regime der sog. „Jungtürken“-Bewegung in rigorosen Vertreibungen und Massakern zugleich hunderttausende Assyrer, Aramäer, Chaldäer und Pontos-Griechen zum Opfer.
Unter dem Deckmantel einer vorgeblichen Deportation, vorangepeitscht und systematisch staatlich organisiert wurde der Völkermord in Gang gesetzt. Ein Genozid zugleich, in den in indirekter wie direkter Mitschuld jedoch auch die imperialistischen Großmächte selbst verstrickt waren. Sei es, dass sie die Armenier wie Großbritannien in ihren Kriegsplänen zu instrumentalisieren suchten, um sie in eins dann aber ihrem Schicksal zu überlassen. Oder in direkter Komplizenschaft wie Deutschland und Österreich, im „einzigen Ziel“, wie es der deutsche Reichskanzler Hollweg im Wissen um das Gemetzel formulierte, „die Türkei bis zum Ende des Krieges an unserer Seite zu halten, gleichgültig ob darüber Armenier zu Grunde gehen oder nicht.“
Mit der auf das Betreiben eines breiteren von uns mitgetragenen Bündnisses erreichten, überfälligen politischen Anerkennung und Verurteilung durch die „Gemeinsame Erklärung“ der österr. Parlamentsparteien zum 100. Jahrestag, ist jedoch erst ein erster förmlicher Schritt getan. Dessen nähere Bedeutung bemisst sich an der nötigen weiteren Aufarbeitung des Genozids sowie den daraus folgenden Konsequenzen in den offiziellen Beziehungen Österreichs zur Türkei.
Die geforderte Aufarbeitung betrifft auch die Mitschuld und Verstrickung Österreichs, welche sich mitnichten auf die bloße Verbündetheit der österreich-ungarischen Monarchie mit dem Osmanischen Reich im Ersten Weltkrieg beschränkt. Zahlreiche verbündete Soldaten beteiligten sich in den Reihen der osmanischen Armee persönlich an den Massakern. Durch seinen höchstrangigen österreichischen Offizier, k. u. k. Feldmarschalleutnant und Militärbevollmächtigten in der Türkei Joseph Pomiankowski, waren die Herrschenden hier im Land über den Völkermord genau unterrichtet.
Zeitgleich leugnet die Türkei als Rechtsnachfolgerin des Osmanischen Reiches den Genozid an den Armeniern bis heute vehement. Die Opferzahlen werden relativiert und die Armenier selbst als Täter diffamiert. Das AKP-Regime hatte denn auch als Antwort auf die Gemeinsame Parteienerklärung seinerzeit umgehend seinen Botschafter abberufen.
Der kurz danach vom mittlerweile offen terroristischen türkischen AKP-Regime vom Zaun gebrochene und seither vom AKP-MHP-Faschismus noch intensivierte schmutzige Krieg gegen Kurdistan sowie gegen das Rojava-Projekt und entfesselte Terror gegen Kurden, Oppositionelle, religiöse Minderheiten, die Arbeiterbewegung und revolutionäre Linke zeugt von der ungebrochenen Virulenz der Frage.
Entsprechend vermerkt der marxistische Historiker Werner Röhr in seiner Arbeit „Der türkische Völkermord an den Armeniern 1915/16“ denn auch am Cover seiner Schrift mit den Worten seines ebenfalls marxistisch inspirierten Kollegen: „Auf die Frage, warum die Türkei den Völkermord an den Armeniern nach … einem Jahrhundert so hartnäckig leugnet, antwortete der britische Historiker Perry Anderson: ‚Die unerbittliche Weigerung des türkischen Staates, die Tatsache des Massenmordes an den Armeniern … anzuerkennen …, ist … eine aktuelle Verteidigung … Denn der ersten großen ethnischen Säuberung, die Anatolien homogen muslimisch werden ließ, wenn auch noch nicht homogen türkisch, folgten kleiner Reinigungen des Staatskörpers, im Namen desselben integralen Nationalismus, und die dauern bis auf den heutigen Tag fort. Griechenpogrome 1955/1964; Annexion und Vertreibung der Zyprioten 1974; Ermordung von Aleviten 1978/1993; Unterdrückung der Kurden 1925 – heute‘“.
So gilt es nach wie vor, gemeinsam dem Geschichtsrevisionismus und allen Aggressionen entgegenzutreten!
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