Strategie des »Regimewechsels«
Zuweilen kann die Phantasie dem Menschen üble Streiche spielen. Wenn zum Beispiel scharenweise Politiker im »freien Westen« und Hundertschaften ihnen hörige Journalisten wochenlang behaupten, eine gewisse Frau Tichanowskaja – deren Eignung aus der Sicht des Westens vor allem darin besteht, »Lukaschenko-Gegnerin« zu sein – sei die neue Hoffnungsträgerin, ja sogar die künftige Präsidentin von Belarus, dann kann es durchaus passieren, daß die gute Frau selbst daran glaubt. Und wenn dann schon Wochen vor dem eigentlichen Wahlgang mehr von »Wahlfälschung« als von tatsächlicher Politik die Rede ist, dann ist es nicht ausgeschlossen, daß das Wahlkampfteam der Kandidatin – von wem auch immer es finanziert sein mag – schon vor Bekanntgabe der ersten Ergebnisse behauptet, man habe mit 80 Prozent der Stimmen einen Wahlsieg erreicht.
Soweit, so schlecht. Interessant wird die Sache, wenn Agenturen im Westen daraus tatsächlich eine Nachricht machen, und wenn Politiker daraufhin unverzüglich Sanktionen gegen den Amtsinhaber fordern – wegen Wahlfälschung und wegen der Verletzung grundlegender Menschenrechte. Grotesk wird es allerdings, wenn Agenturen zudem melden, nach Protesten in Minsk am Wahlabend sei es am Montagmorgen auf den Straßen ruhig gewesen, und wenn gleichzeitig Politiker fordern, »Gewalt gegen die friedlichen Demonstranten zu beenden«.
Mag man über den Dauerpräsidenten Lukaschenko denken was man will, mag man auch Zweifel haben, ob er wirklich 80 Prozent der Stimmen bekommen hat – Wahlfälschung sieht anders aus. Sollte es stimmen, daß seine Herausforderin auf rund zehn Prozent gekommen ist, dann ist das ein achtbares Ergebnis, aber eben auch weit entfernt von einem Wahlsieg. Doch die Schimäre »Wahlfälschung« wird immer wieder rund um die Welt gejagt, wenn den selbsternannten Hütern der Demokratie ein Wahlergebnis nicht paßt.
Unter dem Strich ist man in der EU, in den USA und in den Führungsstäben der NATO stinksauer, daß es zum wiederholten Mal nicht gelungen ist, in Belarus einen Umsturz zu vollziehen, daß der Traum vom »Regimewechsel« in Minsk wieder einmal geplatzt ist. Es wäre doch zu schön gewesen, eine Präsidentin in Minsk zu haben, die vor dem Westen untertänigst knickst und darum bittet, möglichst viel vom staatlichen Eigentum des Landes in private Unternehmen und Spekulanten zu übernehmen – und die Einladung ausspricht, unbedingt auch noch viele NATO-Truppen im Land zu stationieren, so nahe wie möglich an der Grenze Rußlands…
»Wir werden weiter demonstrieren«, (nicht marschieren), sagte die unterlegene Herausforderin am Montag. Nun, das ist zu erwarten, zumindest so lange das Geld aus dem Westen reicht.
Weiter demonstriert wird auch im Libanon, gegen eine Regierung, die zwar irgendwie gewählt wurde, jedoch von den Einwohnern des Landes nicht geliebt wird. Tatsache ist, daß sich diese Regierung viel hat zuschulden kommen lassen, daß sie nicht in der Lage ist, die Erwartungen der Mehrheit der Libanesen auch nur annähernd zu erfüllen. Nur leider ist bei den Demonstranten keinerlei Konzept zu erkennen, schon gar nicht bei den Gewalttätigen unter ihnen. In manchen westlichen Medien ist von einer »neuen Revolution« die Rede. Gemeint ist auch hier ein »Regimewechsel«, hin zu einer Regierung ohne die Hisbollah, die dem Westen gegenüber gewogener agiert.
Unter der Regie der früheren Mandatsmacht Frankreich wurden am Wochenende schon über 250 Millionen Euro für den »Regimewechsel« eingesammelt. Ob wenigstens ein Teil dieses Geld den Opfern der Explosion zugute kommen wird, ist längst nicht ausgemacht.
Uli Brockmeyer
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