Stellungnahme des russischen Außenministeriums zur Situation mit Alexej Nawalny
Wir alle werden Zeuge davon, wie der Westen, westliche Staats- und Regierungschefs, Amtsträger, Integrationsinstitutionen und -zusammenschlüsse, in denen entsprechende westliche Staaten die Führung haben, eine massive Desinformationskampagne um die Situation mit dem russischen Staatsbürger Alexej Nawalny gestartet haben. Das politische Establishment Deutschlands äußerte offensiv seine Sorgen über das Geschehene. Bundeskanzlerin Merkel sagte unter anderem, dass man Nawalny zum Schweigen bringen wollte. Deutsche Parlamentarier weisen auf „ein aggressives Regime“ in Russland auf, das seine Interessen mit Mitteln der Gewalt durzusetzen versuche und das Völkerrecht immer wieder verletze.
Die Außenminister Deutschlands und Frankreichs teilten in einer gemeinsamen Erklärung vom 4. September ihre tiefe Bestürzung über den Angriff auf Alexej Nawalny, welcher eine sehr schwere Verletzung der grundlegenden Prinzipien der Demokratie und des politischen Pluralismus darstelle.
Diese schweren Anschuldigungen wurden in anderen westlichen Ländern aufgegriffen. Insbesondere stufte der französische Präsident Emmanuel Macron diesen Vorfall als „Mordanschlag“ ein. Er forderte eine dringende und transparente Aufklärung, um Schuldige unbedingt zur Verantwortung zu ziehen. Für öffentliche Kommentare zu diesem Thema nutzte der französische Präsident sogar seinen Auftritt vor den Vereinten Nationen.
Im Einklang mit den europäischen Kollegen drohte der US-Außenminister Mike Pompeo, Sanktionen gegen Russland im Zusammenhang mit dem angeblichen Chemiewaffeneinsatz gegen Alexej Nawalny zu verhängen.
Wir halten eine derartige Rhetorik für unzulässig. Es gibt und es kann keine Beweise für russische Beteiligung oder, wie man sagt, „russische Spur“ im Geschehenen geben. Wir müssen mit Bedauern feststellen, dass die US-amerikanische Diplomatie bereits nicht zum ersten Mal ihre eigene Position auf unverhohlenen Mutmaßungen aufbaut. Aus meiner Sicht werden die öffentlichkeitswirksamen Aussagen am häufigsten gerade vom US-Außenministerium gemacht.
Zum wiederholten Male eskalieren die USA und ihre europäischen Verbündeten aus rein politischen Gründen ihre Beziehungen zu Russland und ziehen einer konstruktiven partnerschaftlichen Zusammenarbeit den Kurs auf die Verschärfung der systemhaften Konfrontation vor. Bedauerlicherweise wird für sie dieses Verhaltensmodell immer deutlicher zu einer Normalität.
Es entsteht der Eindruck, dass Washington nicht den geringsten Wunsch zeigt, von eigenen Stereotypen abzukehren. Sonst hätte man dort seinen deutschen Kollegen, die Washington nach wie vor unter einen immensen Druck setzt, längst geraten, Rechtshilfeersuchen der Generalstaatsanwaltschaft Russlands zu bewilligen und der russischen Seite die angefragten Materialien zu übermitteln, statt Russland grundlos zu beschuldigen und zu drohen. In keinem der öffentlichen Statements des US-Außenministers Pompeo war von solchen Aufrufen an die deutsche Bundesregierung die Rede. Zugleich hören wir unendliche Aufforderungen der US-amerikanischen Seite auf verschiedenen Ebenen an die deutsche Seite, das Projekt Nord Stream 2 weiter nicht umzusetzen. Es ist interessant, nicht wahr?
Mit Blick darauf möchte ich anhand konkreter Tatsachen klarstellen, wie sich die Sache in Wirklichkeit verhält. Wie bereits gesagt, beantworteten die deutschen Behörden immer noch nicht die Ersuchen der Generalstaatsanwaltschaft Russlands mit der Bitte, russischen Strafverfolgungsbehörden praktische Unterstützung im Rahmen der Vorermittlung wegen der Einlieferung von Alexej Nawalny am 20. August in die Notaufnahme in Omsk zu leisten. Diese Ersuchen wurden an das deutsche Bundesamt für Justiz am 27. August und 14. September im Einklang mit dem Europäischen Übereinkommen über die Rechtshilfe in Strafsachen von 1959 und dessen Zusatzprotokollen gerichtet.
Berlin lieferte bisher weder Bioproben von Alexej Nawalny und Ergebnisse deren Analyse, in denen den deutschen Militärärzten zufolge die Spuren eines Giftstoffes der s.g. Nowitschok-Gruppe entdeckt worden seien, noch Informationen über die im diesem Zusammenhang erfolgte medizinische Behandlung des russischen Staatsbürgers in der Charité. Die deutsche Seite leistete keinerlei Unterstützung, um ein Gespräch von Alexej Nawalny mit Ermittlern des Innenministeriums Russlands zu ermöglichen.
Ohne das Genannte kann die erwähnte Vorermittlung nicht abgeschlossen werden, die nach dem russischen Recht eine verbindliche Voraussetzung für eine mögliche Einleitung des Strafverfahrens wegen einer vermutlichen Vergiftung von Alexej Nawalny ist, worauf die deutsche Seite selbst stets nachdrücklich beharrt. Die russischen Strafverfolgungsbehörden bekräftigten bereits mehrmals ihre Bereitschaft, alle deutschen Ärzten vorliegenden Daten und Materialien, die aus ihrer Sicht auf eine gegen den russischen Staatsbürger begangene Straftat hinweisen, zu prüfen und zu berücksichtigen. Dennoch beeilt sich Berlin offensichtlich nicht, diese zur Verfügung zu stellen, wobei es zugleich unterstrichen wird, die russische Seite solle unverzüglich agieren. Die Situation ist sehr ernsthaft, und Moskau hat weder Grund noch Absicht, Berlin aufs Wort zu glauben. Das muss man einsehen.
Insgesamt entsteht der Eindruck, dass die deutschen Gesprächspartner eine bewusste Taktik verfolgen und absichtlich die Antworten auf die Rechtshilfeersuchen der Generalstaatsanwaltschaft Russlands hinauszögern. Jedes Mal, wenn sie daran erinnert werden, verweisen sie auf verschiedene Gründe, die die Bewilligung dieser Ersuchen verhindern. Wir sind der Ansicht, dass all das getan wird, um unter anderem im internationalen Informationsraum die These durchzusetzen, unser Land wolle nicht die Gründe einer akuten Verschlechterung des Gesundheitszustandes von Alexej Nawalny aufklären. Wir möchten verantwortungsbewusst erklären, dass derartige Behauptungen eine Lüge sind. Das russische Innenministerium, das auf die angefragten Informationen aus Berlin wartet, verlängerte extra die Frist für die Vorermittlung und führte parallel dazu umfangreiche Untersuchungsaktivitäten und operative Ermittlungsmaßnahmen durch. Etwa 200 Personen wurden befragt. Wir möchten nochmals betonen, dass der Schlüssel für die Beendigung der Vorermittlung bei den deutschen Behörden liegt. In diesem Fall hängt alles von Berlin ab. Wir wünschen uns sehr, dass die deutschen Medien ein besonderes Augenmerk darauf legen.
In diese unkonstruktive Linie reihen sich ebenfalls die Aussagen der deutschen Bundesregierung ein, die auf die Organisation für das Verbot chemischer Waffen (OVCW) als alleinige Instanz hinweisen, an die sich die russische Seite wenden soll, um entsprechende Biomaterialien und Unterlagen zu erhalten. Nun möchten wir eine direkte Frage an die deutschen Kollegen stellen: Bedeutet dies, dass die deutsche Seite sich weigert, auf die Rechtshilfeersuchen der Generalstaatsanwaltschaft Russlands zu antworten? Wir möchten auf diese durchaus nicht rhetorische Frage eine klare Antwort hören.
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